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Bionik: Forscher baut Chamäleonzunge nach

Die Beute hat keine Chance, wenn ein Chamäleon seine Zunge abfeuert. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde schießt das flexible Organ aus dem Maul des Tieres und greift sich das Opfer, wobei es bis zu sechsmal so lang wird wie das Chamäleon selbst. Für bestimmte Aufgaben in der Industrie wäre ein Manipulator mit ähnlichen Fähigkeiten von Vorteil. So könnte ein Stempel oder eine Fangvorrichtung in kürzester Zeit verschiedenste Positionen erreichen. Außerdem wird die Chamäleon-Zunge, während sie hervorschnellt, nicht von Muskeln angetrieben. Ein Roboter, der während seiner Bewegung keine Antriebskraft benötigt, würde bei einer Kollision weniger Schaden verursachen als dies heutige Roboter tun.

Nun hat Alexis Debray von der Canon Corporation in Tokio eine künstliche Chamäleonzunge gebaut, die ihrem natürlichen Vorbild in Sachen Geschwindigkeit und Flexibilität nahezu gleichkommt. Weniger als eine hunderstel Sekunde nach dem Abfeuern traf ihre Spitze, an der sich ein Magnet befand, ein 20 Zentimeter entferntes Ziel.

Die technische Zunge ahmt zwei wesentliche Eigenschaften der echten Chamäleonzunge nach. Beim natürlichen Vorbild wird zwischen Zungenmuskel und einem dornförmigen Knochen Kollagen komprimiert, das wie eine gespannte Feder Energie speichert. Wenn diese schlagartig freigesetzt wird, schleudert sie die Zungenspitze aus dem Maul. In der künstlichen Zunge gibt es ebenfalls eine abrupte Energiefreisetzung. Ein Kondensator speichert elektrische Energie und verwandelt diese beim Abfeuern innerhalb von 8 Millisekunden in elektrischen Strom, der in eine Spule geleitet wird. In deren Mitte befindet sich die Zungenspitze mit ihrem Fang-Magneten. Durch das dabei in der Spule entstehende Magnetfeld wird der Magnet aus der Spule geschleudert.

Zweitens imitiert Debrays Zungenmaschine die enorme Flexibilität des Chamäleonorgans. Diese rührt von einem Muskel her, der im Ruhezustand wie eine Ziehharmonika aufgefaltet ist, sich beim Schleudern entfaltet und die Zunge danach wieder zurückholt. Bei Debrays System hängt die Zunge an einem Gummifaden, der nach dem Schuss von einem Elektromotor schnell aufgerollt wird.

Im Gegensatz zu seinem Vorbild versagt die künstliche Chamäleonzunge allerdings darin, sich an die Entfernung zum Ziel anzupassen. Das Chamäleon kann dies bei Distanzen zwischen 5 und 30 Zentimetern. In Zukunft will Debray seiner Roboterzunge außerdem noch mehr Zielgenauigkeit verpassen. (cm)

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