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Laborexperiment: Forscher erzeugen exotische Elektronenflüssigkeit

Wissenschaftler haben einen speziellen Materialsandwich mit Laserlicht beschossen - und dadurch den Ladungsträgern einen besonderen Trick beigebracht.
Elektronenflüssigkeit

Elektronen trennen sich nur ungern von ihrem Atomkern. Tun sie es doch, werden die Dinge interessant: Dann fehlt in einem Atom plötzlich ein Stück negative Ladung, und das Elektron bringt anderswo die Dinge durcheinander. In Halbleitermetallen wie Silizium können Physiker dieses Chaos gezielt herbeiführen, etwa indem sie eine Schicht des Stoffs mit einem Laser beschießen. Die Energie des Lichtbündels löst Elektronen von sämtlichen Atomkernen des Materials. Und die Ladungsträger driften daraufhin wie Moleküle in einem Gas durch den Festkörper.

Ein Team um Nathaniel M. Gabor von der University of California in Riverside hat Elektronen in einem speziellen Festkörper nun einen neuen Trick beigebracht: Die Wissenschaftler designten einen hauchdünnen Materialsandwich aus zwei Graphenschichten und einer Molybdänditelluridschicht und feuerten von oben mit einem Laser darauf. Bei einer bestimmten Stärke des Lasers veränderte sich das Verhalten der negativ geladenen Elementarteilchen grundlegend, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin »Nature Photonics«: Statt wild in der Materialschicht hin und her zu flitzen, sammelten sich die Elektronen plötzlich in einer ringförmigen Struktur an.

© QMO Lab, UC Riverside
Elektronenflüssigkeit

Insgesamt ähnele das Verhalten in dieser Phase eher dem einer Flüssigkeit, schreiben die Forscher in ihrer Veröffentlichung. Verantwortlich ist offenbar die Bindungsenergie zwischen Elektronen und den positiv geladenen »Lochzuständen«, die Elektronen hinterlassen, wenn sie einen Atomkern verlassen. Normalerweise bilden sich Elektron-Loch-Paare nur in recht großem Abstand voneinander und können sich streckenweise unbeeinträchtigt durch den Festkörper bewegen, ganz wie die Atome in einem Gas.

Bei einer Laserleistung von fünf Milliwatt entstehen aber so viele Ladungsträgerduos, dass sie auf allen Seiten von Gleichgesinnten umgeben sind. Dadurch werden die Anziehungskräfte zwischen benachbarten Elektron-Loch-Paaren relevant, was den Bewegungsspielraum der Ladungsträger stark eingrenzt. Ähnlich geht es H2O-Molekülen in einem Wassereimer: Sie werden von den intermolekularen Wechselwirkungen wie der Van-der-Waals-Bindung im Zaum gehalten und können sich daher nicht so frei bewegen wie ihre Verwandten in einem Dampfbad.

Vergleichbare Elektronenflüssigkeiten haben Wissenschaftler bereits in Silizium und anderen Halbleitern beobachtet, allerdings nur bei extrem niedrigen Temperaturen. In dem Sandwich aus Graphen und Molybdänditellurid tritt der kuriose Effekt allerdings bei Raumtemperatur auf, was laut der beteiligten Forscher ein Novum ist und interessante Anwendungen in der Terahertztechnik in Aussicht stellt.

Molybdänditellurid zählt wie der Kohlenstoff Graphen zur Klasse der zweidimensionalen Materialien, die nur aus einer einzelnen Schicht eines Atomgitters bestehen. Sie gelten seit einigen Jahren als große Chance für die Mikroelektronik, da sie die Eigenschaften von Halbleitern grundlegend verändern können und immer wieder verblüffende Phänomene hervorbringen. Ob sie wirklich die erhofften Resultate bringen, ist aber nach wie vor offen.

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