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Mittelalterliches Multiversum: Die Physik der Kristallsphären

Wie der Kosmos entstand, erklärte der mittelalterliche Gelehrte Robert Grosseteste mit Hilfe seiner eigenen Physik. Ein Team aus Historikern und Physikern ließ sein Universum nun in einer Computersimulation wiederaufleben.
Schedelsche Weltchronik

Es war kein ganz gewöhnliches Manuskript, das wir Anfang des Jahres bei einem Fachjournal zur Veröffentlichung einreichten. Nicht so sehr des Themas wegen – das passte gut in eine Zeitschrift über Astrophysik, immerhin ging es um Berechnungen über die Interaktion von Materie und Licht im frühen Universum. Nein, außergewöhnlich war unser Ausgangspunkt: ein mittelalterliches Manuskript aus der Feder von Robert Grosseteste, einem englischen Gelehrten des 13. Jahrhunderts.

Seine im Jahr 1225 auf Latein verfasste Schrift "De Luce" (Über das Licht) ist durchdrungen von mathematischem Denken und ganz der Natur des Kosmos und der Materie gewidmet. Vier Jahrhunderte vor Newtons Gravitationsgesetzen und sieben Jahrhunderte vor der Urknalltheorie beschrieb Grosseteste seine Vorstellung eines Universums, das in einer gewaltigen Explosion geboren wurde, woraufhin eine Kristallisation der Materie einsetzte. Im Zuge dessen entstanden nicht nur Sterne und Planeten, sondern schließlich ein ganzer Kosmos aus ineinandergefügten Sphären mit der Erde als Mittelpunkt.

"De Luce" ist unseres Wissens der älteste bekannte Versuch, Himmel und Erde mit ein und demselben Satz physikalischer Gesetze zu beschreiben. Was der Autor dagegen wohl nicht ahnte, ist, dass seine Ausführungen auch die Existenz zahlloser Universen nahelegen. Dabei steht einer kleinen Gruppe wohlgeordneter Universen ein Ozean aus solchen ohne Struktur gegenüber – ein "Multiversum", wie es auch die moderne Physik kennt.

Übersetzt und interpretiert wurde Grossetestes Abhandlung im Rahmen eines interdisziplinären Projekts unter der Leitung der Durham University, an dem neben Philologen und Mediävisten auch Physiker und Kosmologen mitwirkten (mehr zu unserem Projekt finden Sie auf unserer Website ordered-universe.com). Die Zusammenarbeit erwies sich als äußerst bereichernd – für die Naturwissenschaftler ebenso wie für die Geisteswissenschaftler im Team.

Kein dunkles Zeitalter – auch nicht in der Wissenschaft

Grossetestes Werk hingegen belegt, wie fortschrittlich die Naturphilosophie im 13. Jahrhundert war. Keine Spur von einem "dunklen Zeitalter", von dem in populären Darstellungen der Wissenschaftsgeschichte gerne die Rede ist, von einer mittelalterlichen Naturphilosophie, die sich in eine wissenschaftliche Sackgasse manövriert habe, tief verstrickt in Alchemie und Astrologie.

Die Erde im Mittelpunkt | Nach der im Mittelalter gängigen Vorstellung steht die Erde im Mittelpunkt eines Kosmos aus perfekten Sphären, in denen sich die Himmelskörper aufhalten. Dieses Modell, das auch Grosseteste im 13. Jahrhundert seiner Arbeit zu Grunde legte, hielt sich bis ins 16. Jahrhundert; so ist es in der hier abgebildeten Schedelschen Weltchronik von 1493 noch enthalten.

Denn schaut man genauer hin, offenbart sich ein differenzierteres Bild. Natürlich sind die Ausführungen auf den handbeschriebenen Pergamentseiten in eine für uns befremdliche Metaphysik gekleidet, noch dazu in streng formalisiertem Latein. Doch dessen ungeachtet stellt die Wissenschaft des 12. und 13. Jahrhunderts eine entscheidende Phase in der Geschichte des Denkens dar.

Zum damaligen Zeitpunkt – gegen Ende des 12. Jahrhunderts – hatte die auf Beobachtung basierende Wissenschaft des Aristoteles die Gelehrtenszene Europas im Sturm zurückerobert. Sein Schrifttum war zuvor über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg vom Griechischen über das Arabische ins Lateinische tradiert worden. Geistesgrößen wie Grosseteste oder Averroes in Cordoba und Gerhard von Cremona in Toledo wagten sich an die großen Fragen: Was ist Farbe? Was ist Licht? Wie entsteht ein Regenbogen? Und wie der Kosmos? Man sollte nicht unterschätzen, wie viel Vorstellungskraft es braucht, solche Fragen zumindest im Prinzip für beantwortbar zu halten!

Der "größte Mathematiker" seiner Zeit

Grosseteste (um 1175-1253) entstammte einer nicht näher bekannten anglonormannischen Familie, wurde Bischof von Lincoln und stieg zu einem angesehenen Theologen seiner Zeit auf. Als einer der ersten Nordeuropäer las er die kurz zuvor übersetzten Werke des Aristoteles – mit dem Ziel, daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen zu den damals drängenden Fragen "Was können wir über die Welt wissen?", also der Ontologie, und "Wie können wir dies wissen?", die Epistemologie. Im späten 13. Jahrhundert nannte ihn der Philosoph Roger Bacon "den größten Mathematiker" seiner Zeit. Grossetestes Arbeiten über Optik beeinflussten Generationen von Mathematikern und Naturphilosophen, vor allem im Oxford des 14. und im Prag des 15. Jahrhunderts.

Ein Leser des 21. Jahrhunderts fühlt sich unweigerlich an den Urknall erinnert

Ohne die Zusammenarbeit von Forschern unterschiedlichster Disziplinen lässt sich die wissenschaftliche Denkweise des 13. Jahrhunderts nicht erforschen. Verlangt werden nicht nur umfassende Kenntnisse in Latein, sondern auch in Geschichte und Philosophie ebenso wie in Physik und anderen Naturwissenschaften. Unser Forschungsprojekt an der Durham University nahm seinen Anfang in einem Grosseteste-Seminar, das Teammitglied Tom McLeish im Jahr 2008 leitete. Der Physiker hatte sich für die Denker des 13. Jahrhunderts zu interessieren begonnen, nachdem er in Leeds Vorträge des Historikers James Ginther von der Saint Louis University in Missouri besucht hatte.

Auch Mediävisten aus Durham wie Giles Gasper waren von der Idee einer Kooperation fasziniert und holten weitere Grosseteste-Spezialisten ins Boot, darunter Cecilia Panti von der Universität Tor Vergata in Rom, Neil Lewis von der Georgetown University in Washington D.C. und die Latinistin Greti Dinkova-Bruun vom Pontifical Institute of Medieval Studies in Toronto. Bevor wir "De Luce" in Angriff nahmen, wollten wir aber zunächst unsere Arbeitsweise an kleineren und einfacheren Werken von Grosseteste erproben, namentlich "De Colore", eine Studie zur Farblehre, und "De Iride", über den Regenbogen. Dabei unterstützten uns die auf Farbwahrnehmung spezialisierte Psychophysikerin Hannah Smithson von der University of Oxford und Brian Tanner, ein Optik-Experte aus Durham. "De Luce" selbst ist seit den 1940er Jahren auf Englisch verfügbar.

Die Entstehung des Universums nach "De Luce"

Grosseteste beginnt seine Abhandlung mit der Diskussion eines Problems des klassischen Atomismus: Wenn die Atome, aus denen ein Material besteht, punktförmig sind, warum hat das Material als Ganzes ein Volumen? Die Antwort vermutet Grosseteste im Licht, das als Medium den Raum füllen könnte.

Nun ist bereits seine Erkenntnis, dass die räumliche Ausdehnung von Materie und deren Stabilität nach einer Erklärung verlangen, eine eindrucksvolle Leistung. Noch faszinierender aber ist, dass er seine physikalischen Ausführungen im Folgenden mathematisch unterfüttert. Ein endliches Volumen, so schreibt er, entstehe aus einer "unendlichen Multiplikation des Lichts", die auf die infinitesimalen Einheiten der Materie einwirke. Dazu zieht er eine Analogie zum endlichen Verhältnis zweier unendlicher Summen heran: Der Bruch (1+2+4+8+…)/(0.5+1+2+4+…) habe als Ergebnis die 2, also einen endlichen Wert. Zwar leitet er seinen Begriff von Grenzwerten nicht mathematisch sauber her, aber man versteht, was er ausdrücken möchte: Wenn man gleichzeitig den Zähler und den Nenner eines Bruchs erhöht, bleibt das Ergebnis endlich.

Die dritte bemerkenswerte Zutat in "De Luce" ist aus heutiger Sicht sein Gedanke der Universalität: Dieselbe Physik, mit der sich Licht und Materie in Bezug auf Alltagsgegenstände beschreiben lässt, soll auch auf den Kosmos als Ganzes anwendbar sein.

Am Anfang dieses Kosmos steht nach Grosseteste die Explosion einer Art ursprünglichen Lichts, die er als "lux" bezeichnet. Diese Explosion blähte das Universum zu einer gewaltigen Kugel auf, wodurch sich die Materie zu den Rändern hin immer weiter verdünnte. Ein Leser des 21. Jahrhunderts fühlt sich dabei unweigerlich an den Urknall erinnert.

Neun kristallene Sphären um einen belebten Mittelpunkt: Die Erde

Dann macht Grosseteste folgende Annahme: Materie habe eine Art Minimaldichte, ab der eine "Perfektionierung" eintritt und die Materie kristalline Form einnimmt. Heute würden wir sagen: Sie durchläuft einen Phasenübergang. Die Perfektionierung beginnt zunächst am außen liegenden Rand des Kosmos, der zur äußersten Schale des mittelalterlichen Universums kristallisiert.

Von dort strahlt die perfekte Materie eine zweite Sorte Licht, genannt "lumen", Richtung Zentrum zurück. Der Strahlungsdruck des "lumen" schiebt dabei auf seinem Weg die Materie vor sich her. Im Vorfeld wird sie angehäuft, im rückwärtigen Teil ausgedünnt. Ein analoger Vorgang in der heutigen Physik ist die nach innen gerichtete Ausbreitung von Stoßwellen einer Supernova.

Wie eine Sonate, die zu ihrem Grundthema zurückkehrt, tritt an dieser Stelle auch das endliche Verhältnis zweier unendlicher Summen wieder zu Tage – nun als eine "Quantisierungsvorschrift", eine Regel, die nur diskrete Lösungen zulässt. Ähnliches kennt man beispielsweise von den Energiezuständen in Atomen. Sie beschränkt die Materie auf eine endliche Anzahl von Sphären.

Um einen Kosmos entsprechend der im Mittelalter gängigen Vorstellung zu erzeugen, benötigte Grosseteste neun perfekte Schalen, die sich um die Erde als Mittelpunkt des Universums gruppieren. Sie würden jeweils das "Firmament", die Fixsterne, Saturn, Jupiter, Mars, die Sonne, Venus, Merkur und den Mond enthalten. Durch seine zusätzliche Festsetzung, dass die Materiedichte in der zweiten Schale doppelt so hoch sein müsse wie in der ersten, in der dritten dagegen dreimal so hoch und so fort, entsteht eine regelmäßige Anordnung von ineinandergestaffelten Sphären.

In seinem Innern ist der Kosmos unvollkommen

Ein finaler Argumentationsschritt gibt Grossetestes beeindruckender Vereinheitlichung von Himmel und Erde den letzten Schliff: Er postuliert, dass in Richtung auf den Mittelpunkt des Universums die verbliebene, nicht perfektionierte Materie so dicht wird und die nach innen gerichtete Strahlung des "lumen" so schwach, dass kein weiterer Phasenübergang mehr möglich ist – die Kristallisierung bleibt aus. Damit liefert Grosseteste eine Erklärung für die aristotelische Unterscheidung zwischen den vollkommenen Himmelssphären und der unvollkommenen Erde beziehungsweise Atmosphäre.

Nach allem, was wir wissen, ist "De Luce" das erste ausgearbeitete Beispiel eines Ansatzes, bei dem dieselben physikalischen Gesetze im Himmel und auf der Erde gelten sollten – trotz der jeweils sehr unterschiedlichen Strukturen, die dort vorherrschen. Und das Hunderte von Jahren, bevor 1687 Isaac Newton die Gravitation ins Spiel brachte als Kraft, unter deren Einfluss sowohl Gegenstände zu Boden fallen als auch der Mond um die Erde kreist. Mit unserer Übersetzung haben wir überdies ein Missverständnis früherer Bearbeitungen ausgeräumt, denen zufolge das Licht in Grossetestes Abhandlung vom Zentrum weg und auf dieses zu strahlen sollte.

"De Luce" in der Computersimulation

Um die Konsequenzen der physikalischen Mechanismen in "De Luce" besser zu verstehen und uns zu einem noch genaueren Textstudium zu zwingen, griffen wir zu modernen Werkzeugen. Grossetestes Physik ist so bemerkenswert präzise ausformuliert, dass wir sicher sind: Hätte er Zugriff auf neuzeitliche Mathematik und entsprechende Computerpower gehabt, wäre es das Natürlichste der Welt für ihn gewesen, sie ebenfalls anzuwenden.

Wir identifizierten zunächst sechs grundlegende "Naturgesetze" in seinem Manuskript, die unter anderem die Interaktion zwischen Licht und Materie beschreiben sowie die ausschlaggebenden Bedingungen für die Perfektionierung der Materie und die Wiederabstrahlung beziehungsweise Absorption des "lumen" angeben. Diese Gesetze brachten wir in eine mathematische Form, wobei wir mitunter auf moderne Begriffe wie Opazität zurückgegriffen, die sich aus dem Text herauslesen lassen, auch wenn sie nicht direkt angesprochen werden. Dann berechneten wir die Differenzialgleichungen innerhalb eines dreidimensionalen, kugelsymmetrischen Raums.

Ein mittelalterliches Universum im Computer |

Ein Universum mit dem typischen Aufbau aus verschachtelten Schalen entsteht, wenn man die von Grosseteste formulierten Naturgesetze in Formeln übersetzt. Das Team unter der Leitung von Forschern der Durham University (ordered-universe.com) berechnete die entsprechenden Lösungen am Computer.

Hier finden Sie eine Animation der Entstehung des Kosmos.

Neugierig geworden klopfte Teammitglied Richard Bower, ein Kosmologe von der Durham University, die Gleichungen daraufhin ab, welche Bandbreite möglicher Lösungen sie enthielten – anders gesagt: Er berechnete den Raum aller möglichen mittelalterlichen Universen, indem er systematisch die Werte von vier Parametern variierte, nämlich den Gradienten der ursprünglichen Materieverteilung nach dem "Big Bang", die Kopplungsstärke zwischen Licht und Materie, die Lichtundurchlässigkeit von nicht perfektionierter Materie und die Transparenz der kristallenen.

Es ergab sich eine umfangreiche Anzahl von Lösungen. Parameter eines sehr schmalen Wertebereichs führten tatsächlich zur Abfolge der neun perfekten Himmelssphären und vier weiteren irdischen innerhalb des Mondorbits – entsprechend den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Also genau das Bild, das der mittelalterlichen Weltsicht entsprach.

Kann es mehr als nur ein Universum geben?

Die meisten Parametersetzungen hingegen brachten entweder überhaupt keine Sphären hervor oder aber ein Durcheinander von hunderten Schalen ohne erkennbare Ordnung in der radialen Abfolge der Dichte. Andere Modelluniversen wiesen hingegen eine unendliche Zahl von Sphären auf, deren Dichte teils an keine Obergrenze stieß. Wenn man so will, waren wir mit unserem Projekt, ohne es zu wollen, auf ein mittelalterliches Multiversum gestoßen.

Ob es möglich ist oder nicht, dass mehrere Universen existieren, war tatsächlich Gegenstand lebhaftester Debatten in der damaligen Zeit – so tritt diese Vorstellung beispielsweise in einem päpstlichen Dekret von 1277 zu Tage, in dem diverse wissenschaftliche Überzeugungen als Irrlehre verurteilt wurden. Grosseteste hingegen scheint sich von dieser Debatte ferngehalten zu haben, jedenfalls streift keine einzige seiner erhaltenen Schriften das Thema, mochte er deren Existenz in seiner Kosmologie noch so sehr nahegelegt haben.

Natürlich wissen wir heute, dass ein geozentrisches Universum nicht mehr haltbar ist – eine Erkenntnis, die wir unter anderem den im 17. Jahrhundert aufkommenden Beobachtungen mit dem Teleskop verdanken. Im Jahr 1225 jedoch war es die einfachste Theorie, die mit den Beobachtungen in Einklang stand. Grossetestes Bemühen um eine physikalische Erklärung dieses Kosmos und seiner Entstehung ist faszinierend, zeigt uns aber auch die Beschränkungen unserer heutigen kosmologischen Theorie auf – die ebenfalls auf nicht greifbaren Faktoren wie "dunkle Materie" und "dunkle Energie" beruht.

Natur- und Geisteswissenschaften können profitieren

Die Übersetzung von "De Luce" stellt anschaulich unter Beweis, wie wichtig es für Natur- und Geisteswissenschaften sein kann, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und dabei neue Denk- und Arbeitsweisen auszuprobieren – und sie erinnert uns daran, dass die Denktradition, die wir heute "Wissenschaft" nennen, einen langen Vorlauf in der Geschichte hat.

Sowohl die Geisteswissenschaftler im Team als auch die Kollegen der naturwissenschaftlichen Fakultät haben die Arbeit an diesem Gemeinschaftsprojekt als sehr bereichernd empfunden und tief greifende Veränderungen ihrer Denk- und Arbeitsweise festgestellt; die Kooperation zwang jeden von uns, sich mit neuen Vorstellungen und Problemen auseinanderzusetzen. Freilich gab es zunächst Schwierigkeiten und Herausforderungen, Geduld war nötig, bis sich alle Beteiligten auf die Methoden und Herangehensweise der anderen eingestellt hatten. Und auch unsere Erwartungen änderten sich. Zu Beginn des Projekts wollten wir uns ein besseres Verständnis des Textes erarbeiten, dann aber mussten wir mit Erstaunen feststellen, dass auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse heraussprangen.

Was kommt als Nächstes? Unsere an der Durham University angesiedelte Gruppe hat bislang drei von Grossetestes wissenschaftlichen Schriften im Detail untersucht – noch mindestens zehn weitere warten darauf, darunter ein Werk über die Erzeugung von Klängen ("De Generatione Sonorum"). Aber auch die wissenschaftlichen Arbeiten von Grossetestes unmittelbaren Vorgängern Alfred von Sareshel und Alexander Neckham sowie seiner Nachfolger – darunter Bacon – versprechen ähnliche Einblicke in die Entstehungsgeschichte naturwissenschaftlicher Ideen.

Die Finanzierung solcher Unternehmungen bleibt jedoch nach wie vor problematisch. Keine einzige naturwissenschaftliche Fördereinrichtung im Vereinigten Königreich wollte uns finanzielle Unterstützung gewähren. Weshalb wir schließlich vom Arts and Humanities Research Council, einer Fördereinrichtung für Kunst und Geisteswissenschaften, finanziert wurden. Ähnlich voreingenommen agiert auch das US-amerikanische Finanzierungssystem. Zwar stellen der Europäische Forschungsrat und Stiftungen wie der Wellcome Trust Gelder für Projekte im Bereich zwischen Kunst und Naturwissenschaft zur Verfügung, unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass es im Allgemeinen leichter ist, für natur-und sozialwissenschaftliche Partnerschaften Geld zu bekommen als für gemeinschaftliche Unternehmungen von Natur- und Geisteswissenschaftlern.

Weil Projekte wie das unsrige durchaus einen Gewinn für Wissenschaft und Kultur darstellen können, sollten sich auch rein naturwissenschaftliche Fördereinrichtungen Gedanken darüber machen, ob sich eine Finanzierung solcher "Arts-and-Science"-Projekte nicht doch lohnen würde – vielleicht in Form einer Partnerschaft mit kunst- oder geisteswissenschaftlichen Geldgebern –, um damit zum Beispiel die Übersetzung früher wissenschaftlicher Werke voranzubringen.

Unsere 800 Jahre lange Reise von Robert Grossetestes kosmologischen Überlegungen zu den Ideen unserer heutigen Zeit illustriert sehr deutlich, wie langsam die Evolution der Ideen voranschreitet – und welche Freude es macht, mit der eigenen Vorstellungskraft weit in Natur und Universum vorzudringen.

Dieser Text erschien unter dem Titel "History: A medieval multiverse" in Nature 507, S. 161-163, 2014

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