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Fortbewegung: Lahme Giganten

Die Riesen im Tierreich kommen nur relativ langsam vom Fleck. Womöglich schmälert das ihre Überlebenschancen in der heutigen Umwelt.
Namibische Elefanten
Besonders imposante Lebewesen wandern vergleichsweise gemächlich. In einer Umwelt, die durch menschliche Eingriffe immer weiter zerstückelt, könnte ihnen das zum Nachteil gereichen.

Große Tiere bewegen sich tendenziell langsamer fort als mittelgroße – andernfalls würden sie überhitzen. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um Alexander Dyer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Wissenschaftler haben theoretische Berechnungen angestellt und experimentelle Daten von mehreren hundert Tierarten ausgewertet. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift »PLoS Biology«.

Je größer ein Lebewesen, umso länger und kräftiger sind üblicherweise seine Fortbewegungsorgane – ob es sich dabei um Beine, Flügel oder Flossen handelt. Mit längeren und stärkeren Extremitäten lassen sich ausgreifendere Bewegungen machen, weshalb größere Tiere schneller vorankommen sollten als kleinere. Dem ist auch so, aber nur bis zu einer ungefähr mittleren Statur. Nehmen die Körpermaße noch weiter zu, bleibt das Fortbewegungstempo gleich oder sinkt sogar wieder. So sind Finnwale (zirka 70 Tonnen) durchschnittlich mit etwa 9 Kilometer pro Stunde unterwegs, die viel stattlicheren Blauwale (zirka 140 Tonnen) aber nur mit 7,5 Kilometer pro Stunde.

Kritische Temperaturen

Woran liegt das? Dyer und seine Arbeitsgruppe liefern eine Erklärung: Große Lebewesen werden ihre Körperwärme nicht so rasch los wie kleine. Denn mit steigender Länge eines Organismus wächst seine Oberfläche in der zweiten Potenz, sein Volumen hingegen in der dritten Potenz. Die Wärme entsteht im gesamten Volumen, fließt aber lediglich über die Oberfläche nach außen ab. Deshalb sind Riesen stärker von Überhitzung bedroht als Zwerge.

Dyer & Co haben ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem sie das Ausdauertempo von fliegenden, laufenden und schwimmenden Tieren berechnen können. Die Gleichungen berücksichtigen die Masse des jeweils betrachteten Lebewesens; außerdem enthalten sie Terme, die den Wärmeaustausch mit der Umgebung beschreiben sowie die Effizienz der Fortbewegung in Luft, Wasser oder an Land. Mit diesem Formelapparat hat das Team die Wandergeschwindigkeiten diverser Tierarten ermittelt und eine höckerförmige Kurve erhalten: Mittelgroße Organismen sind am schnellsten, leichtere und schwerere jeweils langsamer. Als die Forscherinnen und Forscher den berechneten Zusammenhang mit gemessenen Daten von mehreren hundert Spezies verglichen, zeigte sich in dem Bereich, für den empirische Werte vorliegen, eine gute Übereinstimmung.

Geschwindigkeit und Körpermasse | Laut biophysikalischen Berechnungen wächst das Ausdauertempo einer Tierart (y-Achse, logarithmisch aufgetragen) mit steigender Körpermasse (x-Achse, logarithmisch aufgetragen) zunächst an, fällt dann aber nach Erreichen eines Gipfelpunkts wieder ab. Die durchgezogenen und gestrichelten Kurven sind mit einem mathematischen Modell ermittelt worden; die Punkte repräsentieren empirische Messdaten von diversen Spezies. Das Ganze ist dargestellt für fliegende (grün), laufende (rot) und schwimmende (blau) Lebewesen. Die Legende unten rechts schlüsselt genauer auf, von welchen Tiergruppen die Messwerte stammen.

»Muskeln haben eine Effizienz von vielleicht 20 bis 30 Prozent«, sagt Dyer, »das heißt, 70 bis 80 Prozent der aufgewendeten Stoffwechselenergie wandeln sich in Wärme um.« Weil große Lebewesen diese Wärme gemächlicher an die Umgebung abgeben als kleine, müssten sie mehr Pausen einlegen, um abzukühlen. »Oberhalb eines bestimmten Körpergewichts begrenzt das die Strecke, die sich pro Zeit zurücklegen lässt, in zunehmendem Ausmaß.«

In einer Umwelt, die durch menschliche Eingriffe geprägt ist, wirkt sich das möglicherweise nachteilig aus. Natürliche Biotope zerfallen infolge von Holzeinschlag, Straßenbau, Landwirtschaft und Besiedlung in immer kleinere Stücke. »Große Tiere benötigen viel Lebensraum und müssen die Wege zwischen diesen Flicken überbrücken«, sagt Myriam Hirt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die an der Studie beteiligt war. »Sie könnten empfindlicher auf die voranschreitende Landschaftsfragmentierung und den Klimawandel reagieren als bisher angenommen – und daher stärker vom Aussterben bedroht sein als gedacht.«

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