Direkt zum Inhalt

Seltene Säuger: Fossil beendet Streit um Außenseiter-Säuger

<em>Ernanodon-antelios</em>-Fossil

Manche Familiendetails der Säugetiersippe sind erstaunlich umstritten: Vor allem jenseits der bekannten Linien von Nagetieren, Primaten oder Paarhufern bleiben die genauen Verwandtschaftsverhältnisse kleinerer oder ausgestorbener Seitenzweige oft vage. Und dies erst recht, wenn nur sehr wenige Fossilfunde Auskunft über eine verwandtschaftstechnisch zweifelhafte Säugerspezies geben kann – oder gar nur ein einziges schlecht erhaltenes Exemplar, wie der unvollständige Skelettrest des ausgestorbenen Wesens Ernanodon antelios. Es könnte vielleicht ein früher Ameisenbär gewesen sein, meinten unentschlossen die wenigen Forscher, die das 1979 in Sibirien ausgegrabene einzigartige Fossil überhaupt untersucht haben – eine umstrittene Hypothese, denn die mutmaßlichen Verwandten des asiatischen Einzelfunds wurden ausschließlich in Südamerika gefunden.

Und eine jetzt widerlegte Hypothese, meint Peter Kondrashov von der Stills University in Missouri nun: Er und seine Kollegen haben ein weiteres, diesmal fast vollständiges Exemplar von E. antelios untersuchen können, das vor 57 Millionen Jahren gelebt hat und nun in der Mongolei gefunden wurde. Nur sehr wenige ähnlich alte Säugetierfossilien aus Asien seien derart gut erhalten, freuen sich die Forscher: Meist findet man nur einen mehr oder weniger deformierten Schädelrest.

Altes und neues Schuppentier | Das in der Mongolei neu entdeckte Skelett von Ernanodon antelios (unten) beweist: Die vor 57 Millionen Jahren lebenden, etwa dachsgroßen Tiere gehören in eine frühe Entwicklungslinie der heutigen Schuppen- oder Tannenzapfentiere (den Manidae). Oben zum Vergleich das Knochengerüst eines modernen Vertreters, des Chinesischen Schuppentiers Manis pentadactyla.

Der gute Zustand des Fossils erlaubte nun verschiedene Rückschlüsse – und alle deuten darauf hin, dass E. antelios einen sehr frühen Ast der so genannten Tannenzapfen- oder Schuppentiere repräsentiert; einer kleinen Säugetiergruppe, zu der heute in Afrika und Südostasien nur wenige Arten zählen, zum Beispiel das Steppenschuppentier. Jedenfalls sei E. antelios kein Ameisenbär und falle nicht in den südamerikanischen Säugerzweig der Nebengelenktiere, zu denen auch noch Faul- und Gürteltiere zählen.

Ein Verwandter: Das Schuppentier | Ein heute lebender Verwandter der alten Ernanodons sind die Schuppentiere – hier ein in Indien fotografiertes Exemplar. Trotz der oberflächlichen Ähnlichkeit haben sie mit den Gürteltieren nichts zu tun: Diese zählen, zusammen mit den Faultieren, zu den Nebengelenktieren (Xenarthra), die sich in Südamerika entwickelt haben.

Die alte Theorie eines begrenzten Faunenaustausches zwischen Südamerika und Asien am Beginn der Säugetierära im Paläogen müsse damit wohl beerdigt werden, meint das Wissenschaftlerteam. Damit legt das neue Fossil einen alten Streit um die Frühgeschichte der Säuger ad acta, freuen sich die Forscher: "An kaum einem anderen Säugetierfossil hatten sich in der Wissenschaftsgemeinde ähnlich viele Auseinandersetzungen entzündet wie an Ernanodon", erinnert sich Kondrashov.

  • Quellen
J. Vert. Paleo. 32(5): S. 983–1001, 2012

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.