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Zoologie: Frei Schnauze

Elefanten frisst eine Schlange nur in Büchern, aber Mäuse gehören durchaus zum täglichen Speiseplan der australischen Tigerotter. Inselbewohnende Artgenossen bevorzugen hingegen etwas voluminösere Möwenküken. Haben sie darum größere Köpfe?
Tigerotter
Lang sind ihre Giftzähne nicht, aber wirksam, und wenn es ums Frühstück oder ihren Frieden geht, kennt die gelb-schwarz gestreifte australische Tigerotter (Notechis scutatus) kein Pardon. Selbst für den Menschen kann der Biss lebensgefährlich werden, und die Chance einer Begegnung ist nicht so klein: Die bis zu anderthalb Meter langen Schlangen flüchten meist nicht, und wer sie zu spät wahrnimmt und die Warnung nicht beachtet, der bekommt die nadelspitzen Waffen zu spüren.

Tigerotter mit Möwenküken | Die Inseln bewohnenden Tigerottern ernähren sich von Möwenküken – und entwickeln angesichts der umfangreicheren Beute größere Köpfe.
Nun stehen wir nicht auf ihrem Speiseplan, aber für Mäuse, Frösche und anderes Kleingetier enden die Begegnungen in der Regel tödlich. Doch gilt auch hier: "andere Länder, andere Sitten". So bevorzugen ihre Artgenossen auf dem Kontinent vorgelagerten Inseln offenbar Geflügel, denn sie ernähren sich vorwiegend von Küken der Weißkopf-Lachmöwe (Larus novaehollandiae), die dort brütet. Diese Beute jedoch ist beinahe dreimal so schwer und mehr als doppelt so umfangreich – die Schlangeninsulaner müssen ihr Maul also deutlich weiter aufsperren.

Passend dazu sind die Inselbewohner auch ein gutes Stück größer als ihre Verwandten auf dem Kontinent, und sie besitzen im Vergleich auch größere Köpfe. Und damit stellt sich wieder einmal die alte Frage: Wer sorgt dafür – die Gene oder die Umwelt?

Die Antwort sollte sich verhältnismäßig leicht finden lassen, dachten sich Rick Shine von der Universität Sydney und seine Kollegen. Sie sammelten trächtige Weibchen ein, ließen die Jungen im Labor zur Welt kommen und versorgten den Schlangennachwuchs dann mit Mäusebrocken verschiedener Größenordnungen.

Für die Entwicklung der Abkömmlinge von Kontinentbewohnern spielte das keine Rolle: Ihre Köpfe unterschieden sich auch nach acht Wochen Mini- oder Maxifutter in der Größe nicht voneinander. Anders die Inselexilanten: Hier legten die Jungtiere bei großen Brocken um die Nase mehr zu als ihre Brüder und Schwester mit Mäuseklein. Dabei hattes sie aber insgesamt gesehen schon bei der Geburt umfangreichere Schädel ans Tageslicht gebracht hatten als die "Kontinentalen".

Diese Flexibilität von Generation zu Generation ermöglicht es den Tieren, schnell auf ein unterschiedliches Futterangebot zu reagieren – und sich überhaupt auch neue Nahrungsquellen zu erschließen. Warum der einen Gruppe diese Fähigkeit fehlt, bleibt unbeantwortet – vielleicht haben sie die Möglichkeit angesichts stets ausreichender Beute im passenden Maßstab verloren.

Wieder einmal heißt damit die Lösung des Ganzen also nicht Entweder-oder, sondern Sowohl-als-auch – die Gene legen die Grundlage für einen größeren Kopf und damit mehr umfassenderen Beißapparat, aber die Einflüsse der Natur nutzen die Spielräume der mitgelieferten Bauanleitung. Und die ist in der Natur nun mal bei weitem nicht so starr und festgelegt wie ihre uns bestens bekannten behördlichen Gegenparts.

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