Direkt zum Inhalt

Freising: Skelett mit Handprothese aus dem Mittelalter entdeckt

Weil ihm vier Finger fehlten, trug ein Mann aus dem 15. Jahrhundert offenbar eine Prothese aus Metall an der Hand. Die Finger wurden einzeln aus Blech geformt.
Handprothese nach der Bergung
Sehr viel Fantasie braucht es, um in diesem Klumpen eine Prothese zu erkennen. Erst im Röntgenlicht offenbart sich der Fund als raffiniertes medizinisches Hilfsmittel.

Von außen betrachtet, sieht der Klumpen korrodierten Metalls alles andere als spektakulär aus. Die Analyse in den Restaurierungswerkstätten des Bayrischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) zeigten nun jedoch, dass den Ausgräbern im Jahr 2021 ein durchaus seltener Fund gelungen war: eine Handprothese mit einzeln gearbeiteten Fingern aus Eisen und Buntmetall.

Wie das Landesamt nun mitteilte, stammt diese Prothese aus dem Grab eines zwischen 30 und 50 Jahre alten Mannes, der in Freising unweit der Stadtpfarrkirche St. Georg bestattet worden war. Eine Radiokarbondatierung des Skelettes ergab, dass er zwischen 1450 und 1620 gestorben sein muss, also ausgangs des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit.

»Die hohle Handprothese der linken Hand ergänzte vier Finger. Zeige-, Mittel-, Ring- und kleiner Finger sind einzeln aus Blech geformt und unbeweglich. Die Fingernachbildungen liegen leicht gekrümmt parallel nebeneinander«, sagt Walter Irlinger, Abteilungsleiter der Bodendenkmalpflege beim BLfD. Vermutlich sei die Prothese mit Bändern auf dem Handstumpf verschnürt worden. Bei der Analyse zeigten sich Reste eines mullbindenartigen Gewebes im Inneren des Funds. Sie gehörten vermutlich zu einer Art Polsterung, die den Stumpf schützte. Außen war die Prothese offenbar mit Leder überzogen.

Vier einzelne Finger | Bei der Durchleuchtung erkennt man schemenhaft die Konstruktion der Prothese. Die Finger waren leicht gekrümmt und ermöglichten es dem Träger dank des intakten Daumens vermutlich, Gegenstände zu packen.

Noch erhaltene Skelettteile deuteten darauf hin, dass die Finger amputiert wurden, schreiben die Fachleute. Der Daumen der Hand war noch erhalten. Im Grab korrodierte er schließlich an der Innenseite der Prothese fest.

Der Fund belegt, dass sich auch im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit die Menschen mit technischen Vorrichtungen das Leben zu erleichtern versuchten. In Mitteleuropa seien aus jener Zeit etwa 50 vergleichbare Prothesen bekannt, darunter sowohl einfache, unbewegliche Prothesen wie die aus Freising als auch solche mit mechanischen Bestandteilen. Zu letzteren zählt die wahrscheinlich bekannteste Prothese jener Zeit: die »Eiserne Hand« des Ritters Götz von Berlichingen. Er trug ab 1530 einen ausgeklügelten Handersatz, nachdem er seine rechte Hand bei der Belagerung Landshuts durch einen Kanonenschuss verloren hatte.

Prothese in Fundlage | Dem etwa 30- bis 50-Jährigen wurden nach dem Tod die Arme über dem Bauch verschränkt, die Prothese lagerte noch immer an seiner linken Hand.

Im Mittelalter war Freising als Bischofssitz und später reichsfreier Ständestaat ein überregional bedeutendes Zentrum. Die Stadt, die rund 30 Kilometer von München entfernt liegt, war mehrfach Schauplatz militärischer Offensiven – zum Beispiel während des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648). Die Bestattung mit der Prothese wurde nun bei Leitungsarbeiten entdeckt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.