Paläozoologie: Freispruch zweiter Klasse
Säße eine übergeordnete Instanz Gericht über dem Einfluss des Menschen auf die Natur, der pleistozäne Massentod stünde ganz oben auf der Klageschrift. Nun scheint sich Justizias Waagschale allerdings auf ein Neues zugunsten des Menschen und gegen Klimakalamitäten zu neigen.
Es ist schon seltsam: Auf allen Kontinenten und Inseln, die Homo sapiens nach seinem Auszug aus Afrika erstmals betrat, verabschiedeten sich bald die meisten größeren Tiere in die ewigen Jagdgründe. So erging es im Pleistozän den Mammuts und Wollnashörnern in Europa und Nordamerika, den Riesenfaultieren wie volkswagengroßen Gürteltieren in Südamerika, Monsterwombats in Australien und noch Jahrtausenden später den Moas Neuseelands oder den Elefantenvögeln Madagaskars. Nur Afrika selbst blieb verschont; hier entwickelten sich Großtierwelt und Mensch nebeneinander, was der Theorie zufolge Elefanten, Antilopen oder Büffeln bereits frühzeitig den Respekt vor den frühzeitlichen Waidmännern lehrte und sie so vor dem Verschwinden bewahrte.
Das gilt gleichermaßen für Australien, das ebenfalls vor vielen Millennien einen Großteil seiner einzigartigen Beuteltiere oder überdimensionierter Schildkröten, Warane, Krokodile oder Gänse verlor. Und auch hier gibt es diese Parallelität der Ereignisse, die zu verschiedenen Theorien des Artentods führten: Der eine Teil der Forschergemeinde plädiert auf einen Feldzug des Menschen, der während der Eroberung des Kontinents schlichtweg dessen Fauna verspeiste. Andere wollen diesen Makel den Nimroden nicht allein anhängen, sondern verweisen auf gravierende Umwelteingriffe durch die frühen Siedler, die feurig dichte Savannen in lichte Grasländer ummodelten. Und Dritte wiederum schieben die Exekutorrolle den Eiszeiten zu, die den Fünften Kontinent austrockneten.
Eine der schwierigsten Fragen, die es bei diesem Prozess deshalb zu lösen gilt, betrifft die exakten Zeitpunkte der menschlichen Ankunft in Terra australis sowie des endgültigen Abschieds der Megafauna. Denn lebten beide noch lange Zeit miteinander, so scheidet der Mensch als Nemesis der Tierwelt aus. Und so widmeten sich gleich zwei Untersuchungen von Wissenschaftlern um Clive Trueman von der Universität von Portsmouth [1] sowie von Gilbert Price von der Queensland-Universität [2] diesem Datum.
Um auszuschließen, dass es sich dabei nicht um nachträgliche, die Funde vermischende Erdumwälzungen handelte, untersuchten die Gelehrten den Gehalt seltener Elemente wie Uran und Thorium in den Gerippen, die rasch nach dem Ableben der Tiere in die Knochenstruktur einsickerten und bei der Fossilisation konserviert wurden. Blieben die Versteinerungen über die Jahrtausende ortstreu, so weisen sie alle annähernd die gleiche chemische Zusammensetzung auf und können damit anderweitig erbrachten Zeiteinteilungen zugeordnet werden.
Ist der Mensch also zumindest im Fall Australien schuldlos? Nicht unbedingt, es ist eher ein Freispruch zweiter Klasse, wie die Forscher zugeben: Zu viele Fragen bleiben noch offen, und auch diese jüngsten Indizienketten werfen neue Kontroversen auf – schließlich unterscheiden sie sich massiv in ihren Tatzeitpunkten. Die alles überrollende Eroberung mit zerstörerischer Jagd jedoch, die fiel wohl aus.
Andernorts finden Paläontologen bei ihren Ausgrabungen dagegen neben unzähligen Tierknochen auch Artefakte wie Speerspitzen, Steinwerkzeuge oder die Reste von Lagerfeuern. Ist der Steinzeitjäger als Schuldiger für das Massensterben also ertappt, dingfest gemacht und seine Verurteilung beschlossen? Diese Schlussfolgerung wäre vorschnell, denn in die Zeiten des animalischen Niedergangs fallen auch umfassende klimatische Turbulenzen, die dem Globus mit den Eiszeiten vielfach Abkühlung und Austrocknung und der Fauna böse Existenzkrisen bescherten.
Das gilt gleichermaßen für Australien, das ebenfalls vor vielen Millennien einen Großteil seiner einzigartigen Beuteltiere oder überdimensionierter Schildkröten, Warane, Krokodile oder Gänse verlor. Und auch hier gibt es diese Parallelität der Ereignisse, die zu verschiedenen Theorien des Artentods führten: Der eine Teil der Forschergemeinde plädiert auf einen Feldzug des Menschen, der während der Eroberung des Kontinents schlichtweg dessen Fauna verspeiste. Andere wollen diesen Makel den Nimroden nicht allein anhängen, sondern verweisen auf gravierende Umwelteingriffe durch die frühen Siedler, die feurig dichte Savannen in lichte Grasländer ummodelten. Und Dritte wiederum schieben die Exekutorrolle den Eiszeiten zu, die den Fünften Kontinent austrockneten.
Eine der schwierigsten Fragen, die es bei diesem Prozess deshalb zu lösen gilt, betrifft die exakten Zeitpunkte der menschlichen Ankunft in Terra australis sowie des endgültigen Abschieds der Megafauna. Denn lebten beide noch lange Zeit miteinander, so scheidet der Mensch als Nemesis der Tierwelt aus. Und so widmeten sich gleich zwei Untersuchungen von Wissenschaftlern um Clive Trueman von der Universität von Portsmouth [1] sowie von Gilbert Price von der Queensland-Universität [2] diesem Datum.
Die Art ihrer Beweisaufnahme unterschied sich dabei beträchtlich: Clive Trueman und seine Kollegen etwa nahmen sich die Fossilienfundstätte von Cuddie Springs im Südwesten des Kontinents vor. In feuchten Jahren erstreckt sich dort ein See, der in regenarmen Phasen wieder komplett austrocknet. Einst war er aber wohl dauerhaft und lockte Mensch wie Tier an seine Ufer, weshalb es dort nun zahlreiche fossile Knochen und Artefakte aufzuspüren gibt. Darunter finden sich in dieser Lagerstätte auch Skelettfragmente der im Pleistozän ausgestorbenen Beuteltiere wie dem Diprotodon – riesenhafte, nagerähnliche Grasfresser –, dem Protemnodon – ein Känguru – oder dem emuartigen Genyornis neben Holzkohleresten oder Steinwerkzeugen, die alle wesentlich jünger scheinen als der bislang prognostizierte Todeszeitpunkt vor 46 000 Jahren – der mit dem Eintreffen des Menschen eng zusammenhinge.
Um auszuschließen, dass es sich dabei nicht um nachträgliche, die Funde vermischende Erdumwälzungen handelte, untersuchten die Gelehrten den Gehalt seltener Elemente wie Uran und Thorium in den Gerippen, die rasch nach dem Ableben der Tiere in die Knochenstruktur einsickerten und bei der Fossilisation konserviert wurden. Blieben die Versteinerungen über die Jahrtausende ortstreu, so weisen sie alle annähernd die gleiche chemische Zusammensetzung auf und können damit anderweitig erbrachten Zeiteinteilungen zugeordnet werden.
Dies ist der Fall in den obersten Sedimentschichten von Cuddie Springs: Radiokarbonmessungen und Massenspektrometrie von Holzkohleresten sowie Erdmaterial weisen der Knochenfundstätte ein Alter von 30 000 bis 36 000 Jahren zu: Mensch und Riesenbeutler hätten über zehntausend Jahre nebeneinander existiert, was wiederum gegen die Blitzkriegtheorie spräche.
Einen anderen Weg beschritt dagegen Gilbert Price. Er widmete sich bei seinen Ausgrabungen in Darling Downs in Queensland nicht den großen Charaktertieren, sondern den eher kleinen Kreaturen, die sich mit der Megafauna den Lebensraum teilten. Und siehe da: Zwar starben hier schon vor 45 000 Jahren die Riesenkängurus und -wombats aus, sie teilten ihr Schicksal jedoch mit einer Vielzahl von feuchteliebenden Landschnecken, Fröschen, Eidechsen und kleineren Säugern, die allerdings kaum bejagt wurden – Spuren von Menschen waren in Darling Downs ohnehin nicht nachzuweisen. Dagegen deutet die Vielzahl an Fossilien von Wasser- und Waldtieren, die in darüber liegenden Sedimenten dann rasch verschwinden, auf einen drastischen Klimawandel hin, der die Tümpel dort austrocknete, die Wälder verdörrte und Grasländer sprießen ließ.
Ist der Mensch also zumindest im Fall Australien schuldlos? Nicht unbedingt, es ist eher ein Freispruch zweiter Klasse, wie die Forscher zugeben: Zu viele Fragen bleiben noch offen, und auch diese jüngsten Indizienketten werfen neue Kontroversen auf – schließlich unterscheiden sie sich massiv in ihren Tatzeitpunkten. Die alles überrollende Eroberung mit zerstörerischer Jagd jedoch, die fiel wohl aus.
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