Roststirn-Dornschnabel: Fremde Alarmrufe als Überlebenstrick
Der Roststirn-Dornschnabel (Acanthiza pusilla) ist mit einer Größe von gerade einmal zehn Zentimetern ein echter Winzling. Werden Nest und Nachwuchs von einem Greifvogel bedroht, dann schreit er allerdings wie ein ganz Großer. Um seine Fressfeinde abzulenken, imitiert der kleine Vogel nämlich gleich ein ganzes Repertoire an Alarmrufen anderer Spezies, die den Angriff eines noch größeren Räubers ankündigen sollen. Das berichten Forscher von der University of Cambridge und der Australian National University nun in den "Proceedings of the Royal Society B".
Die Wissenschaftler untersuchten das Verhalten der in Australien heimischen Vögel im botanischen Garten in Canberra, indem sie ausgestopfte Krähen vor den Nestern der Dornschnäbel platzierten. Erspähten die Tiere den vermeintlichen Fressfeind, stießen sie augenblicklich Alarmschreie aus, die vor dem Angriff eines noch größeren Greifvogels – eines Habichts – warnen sollten, auf dessen Speisekarte sich auch Krähen manchmal wiederfinden. Da der eigene Ruf aber offenbar nicht überzeugend genug ist, ahmten die Dornschnäbel gekonnt auch die Rufe anderer, benachbarter Vogelarten nach, von denen manche doch deutlich größer sind als die winzigen Vögel selbst. Experimente mit Krähen, denen die Wissenschaftler die entsprechenden Laute vorspielten, offenbarten, dass die Räuber kurzzeitig so irritiert waren, dass sie ihren Angriff auf die Dornschnäbel doppelt so lange hinauszögerten, wenn sie die Mischung aus eigenen und imitierten Rufen hörten. Das verschafft den Dornschnäbeln und ihren Jungen im Ernstfall ein größeres Zeitfenster, um zu entkommen und sich irgendwo zu verstecken, so die Forscher.
Die Strategie der Roststirn-Dornschnäbel ist ungewöhnlich. Auch wenn im Tierreich das Nachahmen anderer Arten zum Selbstschutz weit verbreitet ist, so neigen die meisten Tiere doch dazu, gefährliche Spezies direkt zu imitieren, um ihre Feinde abzuschrecken. Die winzigen australischen Vögel sind aber auf Grund ihrer geringen Größe vermutlich schlicht nicht dazu in der Lage, die Laute eines riesigen Habichts überzeugend nachzuahmen, vermuten die Wissenschaftler. Zudem sind Habichte meistens lautlose Jäger, die ihre Beute nicht durch Angriffsschreie warnen. Daher greifen die Dornschnäbel eben auf eine andere Taktik zurück und schützen sich mit den Rufen anderer, ebenso harmloser Nachbarn.
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