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Fremdputzen: Bei Rindern herrscht Leck-Ordnung

Rinder lecken sich zur gegenseitigen Körperpflege. Aber nicht jede Kuh leckt jede andere Kuh. Es herrscht eine Rangordnung, die sich jedoch nicht nach den dominanten Tieren richtet, wie Beobachtungen an verwilderten Rindern zeigen.
Ein Rind leckt ein anderes in einem Naturpark in Hongkong.
Ein Rind leckt ein anderes im Sai Kung East Country Park in Hongkong. Fachleute beobachteten dort eine verwilderte Rinderherde.

In Hongkong streifen Herden verwilderter Rinder umher. An ihnen haben Fachleute beobachtet, dass die Tiere beim gegenseitigen Lecken einer Rangordnung folgen. Allerdings richtet sich diese nicht danach, welche die dominantesten Tiere sind. Vielmehr spielt das Geschlecht eine Rolle. Das so genannte Fremdputzen diene bei Rindern dazu, die sozialen Bindungen innerhalb der Herde zu stärken, schreiben Fachleute um George Hodgson von der City University in Hongkong in der Fachzeitschrift »Animal Behaviour«. Anders als bei Primaten gehe es aber nicht darum, die Hierarchie im Sozialverband zu bestätigen. Niedriger gestellte Rinder würden sich auf diese Weise nicht des Schutzes dominanter Alphamännchen versichern.

Zahlreiche Tierarten pflegen Fremdputzen, das auch Allogrooming genannt wird. Primaten lausen sich, Pferde beknabbern sich gegenseitig, Vögel kraulen das Gefieder ihrer Artgenossen. Die Tiere bestätigen damit die sozialen Bindungen in ihrer Gruppe und versichern sich der bestehenden Rangordnung. Es kann zudem bei der Partnersuche helfen, baut Spannungen zwischen den Individuen ab und dient weiterhin schlicht der Hygiene. Welche Rolle spielt es aber bei Hausrindern (Bos taurus)? Eine Antwort suchte das Team um Hodgson bei Tieren, die seit Jahrzehnten im Sai Kung East Country Park in Hongkong ausgewildert leben. Die Fachleute beobachteten eine Herde, der 22 männliche und 33 weibliche erwachsene Tiere angehörten, über drei Monate hinweg von Februar bis Mai 2022.

Wie sich zeigte, fochten die Stiere die Rangordnung untereinander aus. Kühe wiederum bezogen gehobene Stellungen vermutlich auf Grund höheren Alters. Und fast alle Tiere putzten ihre Artgenossen. Sie leckten vor allem solche Stellen am Kopf und Halsbereich, wo sie sich selbst schlecht reinigen können. Allerdings betrieben nicht alle Rinder Allogrooming: Neun Tiere (einige männlich, einige weiblich) wurden von den anderen abgeleckt, taten es aber selbst nicht.

Es zeigten sich noch weitere Muster: Die Stiere nahmen im Allgemeinen eine höhere Stellung im Sozialverband ein, aber nicht alle Kühe unterstellten sich ihnen. Diese genossen das Fremdputzen häufiger als niedriger gestellte Kühe. Für Stiere war das hingegen nicht der Fall: Sie kamen trotz ihrer Spitzenplätze in der Rangordnung nicht öfter in den Genuss des Allogrooming. Und grundsätzlich wendeten sich die Stiere mit diesem Verhalten öfter Kühen zu als ihren eigenen Geschlechtsgenossen. Kühe hingegen schleckten Tiere beider Geschlechter gleich häufig ab.

Wenn es um die Pflege der Sozialstrukturen geht, spielt bei Rindern offenbar das Geschlecht eine Rolle, resümieren die Forschenden. Bei früheren Untersuchungen, die vor allem an Nutztieren in Landwirtschaftsbetrieben durchgeführt wurden, sei das bisher nicht beobachtet worden. Insgesamt habe sich gezeigt, »dass die Fellpflege nicht auf ranghöhere Tiere ausgerichtet ist, um im Austausch rangbezogene Vorteile wie Nahrung oder Schutz zu erhalten, wie dies bei Primaten der Fall ist«, erklärt Hodgson gemäß einer Pressemitteilung der City University in Hongkong. »Vielmehr dient sie dazu, soziale Bindungen zu stärken und die Zugehörigkeit innerhalb der Gruppe zu fördern.« Die Ergebnisse ihrer Studie könne zudem helfen, die Haltung von Nutztieren zu verbessern.

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