Neolithische Revolution: Frühe Bauern fanden mehr Frauen
Die neue Idee "Landwirtschaft" hatte Europa einst in die Jungsteinzeit katapultiert - und nebenbei wohl dafür gesorgt, dass Frauen kenntnisreiche Immigranten zu bevorzugen begannen.
Das Zeitalter der Jungsteinzeit läutete vor schätzungsweise 12 000 Jahren die "neolithische Revolution" aus dem Nahen Osten ein: Sesshaft werdende Bauern begannen dort ihre Umwelt umzugestalten, schufen eine gänzlich neue, breitere Versorgung und zwangsläufig eine völlig neue Sozialstruktur. Über Griechenland und die Türkei drang dieser kulturelle Umbruch immer weiter nach Nordwesten vor, breitete sich schließlich überall bis hin auf die Britischen Inseln aus und verdrängte dabei nach und nach die altsteinzeitliche Wildbeuter-Tradition.
Umstritten blieb bislang allerdings stets, ob nur die überlegenen nahöstlichen Ideen von ansässigen Ureuropäern übernommen wurden oder ob die Bauern selbst nach Europa einwanderten, sich hier fortpflanzten und nach und nach das Erbe der jagenden und sammelnden Urbevölkerung ausstach. Für Letzteres, die gleichzeitige so genannte "demische Diffusion" von Erbgut mitsamt Idee, sprechen nun neue genetische Analysen eines britisch-italienischen Forscherteams.
Mark Joblin von der University of Leicester und seine Kollegen hatten dazu bestimmte Abschnitte des Y-Chromosoms von 2374 Männern verschiedenster europäischer Herkunft angeschaut. Alle gehörten dabei zur häufigsten Erblinie männlicher Europäer, der Haplogruppe R1b1b2: Bei einem gemeinsamen Vorfahren aller Angehöriger der Linie war einst die Base des DNA-Bausteins M269 charakteristisch verändert; eine Mutation, die er mit seinen Y-Chromosomen in die nächste und alle weiteren Generationen vererbte. Heute tragen 110 Millionen Männer auf dem Alten Kontinent die typischen Veränderung – wobei rund 85 Prozent der Iren, aber nur 12 Prozent der Türken zur Haplogruppe R1b1b2 gehören.
Daraus hatten einige Forscher zunächst den Schluss gezogen, dass die Nachkommen des Stammvaters der Gruppe womöglich einst in der Altsteinzeit ganz Europa beherrschten – vielleicht, weil sie den menschenleeren Kontinent schon bald nach dem Ende der Eiszeit als Pioniere wieder besiedelt hatten. Diese altsteinzeitliche Urbevölkerung sei dann aber durch verschiedene Wellen von genetisch abweichenden Neueuropäern, die immer wieder aus dem Südosten nachströmten, verdünnt worden – weswegen heute ihr genetischer Anteil in Richtung Südosteuropa graduell immer mehr abnehme, weil sie dort über Jahrtausende immer höherer Fortpflanzungskonkurrenz ausgesetzt waren.
Diese Überlegung muss allerdings nicht stimmen, bemerkten Joblin und Kollegen – denn tatsächlich könnte die typisch ungleiche Verteilung ja auch entstehen, wenn eine späte, starke, nordwestwärts ziehende Einwandererwelle am Ende ihrer Wanderung in immer dünner besiedelte Gebiete wie etwa Irland vordringt, wo sie sich zunehmend konkurrenzlos niederlässt. Alle R1b1b2-Haplogruppler wären dann nicht genetische Erben der altsteinzeitlichen Urbevölkerung, sondern im Gegenteil späte Nachzügler, die selbst in Gegenden heimisch wurden, an denen frühere Einwohner offenbar gescheitert waren.
Alle Träger von M269 scheinen demzufolge Jungsteinzeitler gewesen zu sein. Und sie dürften kaum schon im Paläolithikum in Europa darauf gewartet haben, von Zuwanderern überrollt zu werden, meinen Joblin und Kollegen – im Gegenteil seien sie selbst wahrscheinlich zeitgleich mit der neolithischen Revolution aus Südosten kommend in den europäischen Nordwesten gezogen. Die Vertreter der noch heute häufigsten Haplogruppe in Europa, so schlussfolgern die Forscher, haben einst mit der Landwirtschaft ihre Gene aus der Türkei mitgebracht – und per demischer Diffusion bis in den enferntesten Winkel durchgesetzt.
Belege dafür, dass neolithische Gene und Idee gemeinsam nach Europa gewandert waren, hatten Forscher schon früher gefunden – nach Genanalysen aus Steinzeit-Skeletten, aber auch indem sie die Schädelstrukturen verschiedener Menschengruppen untersuchten. Viele Genetiker haben bislang allerdings dagegengehalten: So zeigt die Analyse von Mitochondrien-DNA, die stets nur von Müttern übertragen wird, keine Hinweise darauf, dass neolithisches Erbgut den altsteinzeitlichen Genpool umgewälzt hat. Das, so meinen Joblin und Co nach ihren Untersuchungen, könne wohl nur eines bedeuten: Die einwandernden Männer der beginnenden Jungsteinzeit hätten ihr Erbgut sehr erfolgreich mit den Genen der weiblichen Einheimischen gemischt und die technologisch konservativen männlichen Altsteinzeitler ausgestochen. Offenbar, so kommentiert Teammitglied Patricia Balaresque, entdeckten Frauen damals den unvergleichlich anziehenderen Sexappeal des Landwirts. (jo)
Umstritten blieb bislang allerdings stets, ob nur die überlegenen nahöstlichen Ideen von ansässigen Ureuropäern übernommen wurden oder ob die Bauern selbst nach Europa einwanderten, sich hier fortpflanzten und nach und nach das Erbe der jagenden und sammelnden Urbevölkerung ausstach. Für Letzteres, die gleichzeitige so genannte "demische Diffusion" von Erbgut mitsamt Idee, sprechen nun neue genetische Analysen eines britisch-italienischen Forscherteams.
Mark Joblin von der University of Leicester und seine Kollegen hatten dazu bestimmte Abschnitte des Y-Chromosoms von 2374 Männern verschiedenster europäischer Herkunft angeschaut. Alle gehörten dabei zur häufigsten Erblinie männlicher Europäer, der Haplogruppe R1b1b2: Bei einem gemeinsamen Vorfahren aller Angehöriger der Linie war einst die Base des DNA-Bausteins M269 charakteristisch verändert; eine Mutation, die er mit seinen Y-Chromosomen in die nächste und alle weiteren Generationen vererbte. Heute tragen 110 Millionen Männer auf dem Alten Kontinent die typischen Veränderung – wobei rund 85 Prozent der Iren, aber nur 12 Prozent der Türken zur Haplogruppe R1b1b2 gehören.
Daraus hatten einige Forscher zunächst den Schluss gezogen, dass die Nachkommen des Stammvaters der Gruppe womöglich einst in der Altsteinzeit ganz Europa beherrschten – vielleicht, weil sie den menschenleeren Kontinent schon bald nach dem Ende der Eiszeit als Pioniere wieder besiedelt hatten. Diese altsteinzeitliche Urbevölkerung sei dann aber durch verschiedene Wellen von genetisch abweichenden Neueuropäern, die immer wieder aus dem Südosten nachströmten, verdünnt worden – weswegen heute ihr genetischer Anteil in Richtung Südosteuropa graduell immer mehr abnehme, weil sie dort über Jahrtausende immer höherer Fortpflanzungskonkurrenz ausgesetzt waren.
Diese Überlegung muss allerdings nicht stimmen, bemerkten Joblin und Kollegen – denn tatsächlich könnte die typisch ungleiche Verteilung ja auch entstehen, wenn eine späte, starke, nordwestwärts ziehende Einwandererwelle am Ende ihrer Wanderung in immer dünner besiedelte Gebiete wie etwa Irland vordringt, wo sie sich zunehmend konkurrenzlos niederlässt. Alle R1b1b2-Haplogruppler wären dann nicht genetische Erben der altsteinzeitlichen Urbevölkerung, sondern im Gegenteil späte Nachzügler, die selbst in Gegenden heimisch wurden, an denen frühere Einwohner offenbar gescheitert waren.
Um diese Hypothese zu prüfen, untersuchte Joblins Team nun die genetische Variabilität der verschiedenen Untergruppen von R1b1b2 aus den verschiedenen Regionen Europas. Zudem ermittelten sie, wann diese einzelnen genetischen Gruppen entstanden waren. Der Trend, der sich nach den Genanalysen abzeichnet, sei eindeutig, so die Wissenschaftler: In der Türkei etwa ist die Gruppe zwar anteilig unbedeutender, insgesamt aber am vielfältigsten, weil sie hier am längsten Zeit gehabt hat, neue Untervarianten auszuprägen. Sehr einheitlich fallen dagegen die britischen R1b1b2ler aus. Statistisch gerundet lebte der älteste gemeinsame Ahne aller türkischen Männer mit der M269-Veränderung vor 7989 Jahren, der jüngste gemeinsame Vertreter der britischen Haplogruppensektion aber vor erst 5460 Jahren – womöglich im entlegenen britischen Küstenzipfel Cornwall.
Alle Träger von M269 scheinen demzufolge Jungsteinzeitler gewesen zu sein. Und sie dürften kaum schon im Paläolithikum in Europa darauf gewartet haben, von Zuwanderern überrollt zu werden, meinen Joblin und Kollegen – im Gegenteil seien sie selbst wahrscheinlich zeitgleich mit der neolithischen Revolution aus Südosten kommend in den europäischen Nordwesten gezogen. Die Vertreter der noch heute häufigsten Haplogruppe in Europa, so schlussfolgern die Forscher, haben einst mit der Landwirtschaft ihre Gene aus der Türkei mitgebracht – und per demischer Diffusion bis in den enferntesten Winkel durchgesetzt.
Belege dafür, dass neolithische Gene und Idee gemeinsam nach Europa gewandert waren, hatten Forscher schon früher gefunden – nach Genanalysen aus Steinzeit-Skeletten, aber auch indem sie die Schädelstrukturen verschiedener Menschengruppen untersuchten. Viele Genetiker haben bislang allerdings dagegengehalten: So zeigt die Analyse von Mitochondrien-DNA, die stets nur von Müttern übertragen wird, keine Hinweise darauf, dass neolithisches Erbgut den altsteinzeitlichen Genpool umgewälzt hat. Das, so meinen Joblin und Co nach ihren Untersuchungen, könne wohl nur eines bedeuten: Die einwandernden Männer der beginnenden Jungsteinzeit hätten ihr Erbgut sehr erfolgreich mit den Genen der weiblichen Einheimischen gemischt und die technologisch konservativen männlichen Altsteinzeitler ausgestochen. Offenbar, so kommentiert Teammitglied Patricia Balaresque, entdeckten Frauen damals den unvergleichlich anziehenderen Sexappeal des Landwirts. (jo)
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