Robotik: "Früher hatte man Sklaven, heute haben wir die Maschinen"
Gernot Böhme gehört zu einer Minderheit: Der Emeritus von der philosophischen Fakultät an der TU Darmstadt ist einer der wenigen Kritiker technischer Neuerungen. Neben dem Anstieg der Arbeitslosigkeit durch den Einsatz von Maschinen sieht er noch andere soziale Konsequenzen. spektrumdirekt sprach mit ihm über die Gefahren für die Gesellschaft.
spektrumdirekt:
Gernot Böhme:
Unsere Lebensformen sind technisch geworden. Wir leben in einer Zivilisation, in der wir uns der Technik nicht bloß als Instrument bedienen, wie man beispielsweise einen Hammer benutzt, um einen Nagel in die Wand zu schlagen. Bereits unsere Rahmenbedingungen sind technisch. Denken Sie an die Verkehrsinfrastruktur oder an heutige Kommunikationstechnologien: Menschliche Kommunikation ohne moderne Technologie ist eigentlich kaum noch denkbar.
spektrumdirekt:
Wäre in einigen Jahren eine soziale Betreuung durch Maschinen oder Roboter prinzipiell möglich?
Böhme:
Das läuft doch schon lange. Für alte Menschen gibt es ja schon diese Notruf-Buttons, die sie als Sender am Körper tragen. Wenn sie stürzen, müssen sie sich nicht zum Telefon quälen, um Hilfe zu holen. Diese Dinge breiten sich bereits aus, sozusagen als positives Spiegelbild zur elektronischen Fessel. Die Bereitschaft derartige Geräte in unseren Alltag zu integrieren wird zunehmen. Trotzdem muss man nicht sagen, dass es schlichtweg zu begrüßen ist. Im Grunde setzt die technische Kommunikation die relative Vereinzelung der Subjekte in unserer Gesellschaft voraus und fördert sie.
spektrumdirekt:
Welche Gefahren sehen Sie in diesen Entwicklungen für unsere Gesellschaft?
Böhme:
Die Geräte treffen bereits auf einen Bedarf. Ich habe die Vereinzelung ja schon genannt. In unserer Gesellschaft besteht gewissermaßen Pflegenotstand. Insofern sind derartige Geräte zu begrüßen, denn sie erleichtern bedürftigen Menschen das Leben. Allerdings neutralisieren sie genau das, was eigentlich zu fordern wäre, nämlich mehr persönliche Pflege. Sie verstärken den Trend der Isolierung, weil sie ihn bequemer möglich machen.
spektrumdirekt:
Stellt der zunehmende Fortschritt auch eine Gefahr für den Arbeitsmarkt dar?
Böhme:
Absolut. Arbeitslosigkeit findet traditionell ihren Grund in der Automatisierung der Fabrikarbeit, weil dadurch menschliche Arbeitskraft eingespart wird. Deshalb setzt die Politik allgemein nur noch auf die Schienen des Wachstums, und das scheint offenbar gar nicht mehr zu funktionieren. Also muss man sagen: Natürlich bedrohen Maschinen die Arbeitsplätze. Aber das ist eine politische Frage.
spektrumdirekt:
Der Geschäftsführer der Firma Inspector Systems, die Kanalroboter herstellt und aktuell an einem neuen Analyseroboter forscht, behauptet, durch den Einsatz von neuen Robotern fielen keine Arbeitsplätze weg. Nach seiner Meinung käme es zu einer Umschichtung der Anforderungen in der Arbeitswelt.
Böhme:
Es ist doch klar, dass diese Leute das so darstellen müssen. Sie verkaufen ihre Geräte gerade deshalb, weil die Prozesse durch die Einsparung menschlicher Arbeitskraft billiger werden. Das dürfen sie aber nicht laut sagen. Ein Blick auf die Geschichte zeigt: die Hoffnungen, die ursprünglich mit der Automatisierung der menschlichen Handarbeit verbunden waren, haben sich nicht erfüllt. Damals war es die Idee, dass die Arbeit im Ganzen menschlicher werden würde, das heißt weg von der Verausgabung der eigenen Körperkraft und hin zur Bildungs- und Wissensarbeit. Doch diese schöne neue Welt ist gar nicht eingetreten.
spektrumdirekt:
Was bedeutet das für das gesellschaftliche Leben?
Böhme:
Eine Politik der Vollbeschäftigung ist illusionistisch. Die Arbeitslosigkeit wird weiter zunehmen. Es wäre viel besser eine Politik zu machen, die sich eine neue Form der Integration der Menschen in die Gesellschaft einfallen lässt. Es hat Zeiten gegeben, in denen nicht zu arbeiten gerade als der menschliche Zustand gesehen wurde. Man hatte damals seine Sklaven, heute haben wir die Maschinen. Warum sollte man nicht versuchen die Welt in dieser Hinsicht zu ändern? Im alten Athen war die hauptsächliche Tätigkeit des Bürgers Politik zu machen und nicht zu arbeiten.
spektrumdirekt:
Welcher Teil der Gesellschaft ist besonders von diesen Gefahren betroffen?
Böhme:
Jede neue Generation steht mit gutem Grund auf der Seite des Neuen. Das Neue ist bei uns im Wesentlichen die neue Technologie, so ist unsere Welt. Die Jugend verbindet ihre Hoffnungen mit den Technikentwicklungen. Das macht es schwierig. Man kann bei jüngeren Leuten nicht die gleiche Skepsis erwarten wie bei älteren Menschen, die schon einige Neuerungen von Technologien miterlebten. Jüngere Leute müssen mit der Entwicklung mitgehen und sich ihre eigenen Enttäuschungen einhandeln. Die Verschiebung von körperlicher zu mehr geistiger Arbeit, die man nach der zweiten industriellen Revolution erwartet hatte, findet in gewisser Weise natürlich statt, aber eine Humanisierung des Lebens ist damit nicht verbunden. Insgesamt verschiebt sich die Arbeit sehr stark zur informationellen Arbeit. Es gibt ja kaum noch einen Arbeitsplatz, der nicht auf den Einsatz eines Computers angewiesen ist. In dieser Hinsicht sind prinzipiell alle Erwerbstätigen ganz massiv betroffen.
spektrumdirekt:
Vielen Dank für das Gespräch.
Sie konzentrieren sich in Ihren Forschungen auf die Ethik und Theorie der technischen Zivilisation. Was ist das eigentlich?
Gernot Böhme:
Unsere Lebensformen sind technisch geworden. Wir leben in einer Zivilisation, in der wir uns der Technik nicht bloß als Instrument bedienen, wie man beispielsweise einen Hammer benutzt, um einen Nagel in die Wand zu schlagen. Bereits unsere Rahmenbedingungen sind technisch. Denken Sie an die Verkehrsinfrastruktur oder an heutige Kommunikationstechnologien: Menschliche Kommunikation ohne moderne Technologie ist eigentlich kaum noch denkbar.
spektrumdirekt:
Wäre in einigen Jahren eine soziale Betreuung durch Maschinen oder Roboter prinzipiell möglich?
Böhme:
Das läuft doch schon lange. Für alte Menschen gibt es ja schon diese Notruf-Buttons, die sie als Sender am Körper tragen. Wenn sie stürzen, müssen sie sich nicht zum Telefon quälen, um Hilfe zu holen. Diese Dinge breiten sich bereits aus, sozusagen als positives Spiegelbild zur elektronischen Fessel. Die Bereitschaft derartige Geräte in unseren Alltag zu integrieren wird zunehmen. Trotzdem muss man nicht sagen, dass es schlichtweg zu begrüßen ist. Im Grunde setzt die technische Kommunikation die relative Vereinzelung der Subjekte in unserer Gesellschaft voraus und fördert sie.
spektrumdirekt:
Welche Gefahren sehen Sie in diesen Entwicklungen für unsere Gesellschaft?
Böhme:
Die Geräte treffen bereits auf einen Bedarf. Ich habe die Vereinzelung ja schon genannt. In unserer Gesellschaft besteht gewissermaßen Pflegenotstand. Insofern sind derartige Geräte zu begrüßen, denn sie erleichtern bedürftigen Menschen das Leben. Allerdings neutralisieren sie genau das, was eigentlich zu fordern wäre, nämlich mehr persönliche Pflege. Sie verstärken den Trend der Isolierung, weil sie ihn bequemer möglich machen.
spektrumdirekt:
Stellt der zunehmende Fortschritt auch eine Gefahr für den Arbeitsmarkt dar?
Böhme:
Absolut. Arbeitslosigkeit findet traditionell ihren Grund in der Automatisierung der Fabrikarbeit, weil dadurch menschliche Arbeitskraft eingespart wird. Deshalb setzt die Politik allgemein nur noch auf die Schienen des Wachstums, und das scheint offenbar gar nicht mehr zu funktionieren. Also muss man sagen: Natürlich bedrohen Maschinen die Arbeitsplätze. Aber das ist eine politische Frage.
spektrumdirekt:
Der Geschäftsführer der Firma Inspector Systems, die Kanalroboter herstellt und aktuell an einem neuen Analyseroboter forscht, behauptet, durch den Einsatz von neuen Robotern fielen keine Arbeitsplätze weg. Nach seiner Meinung käme es zu einer Umschichtung der Anforderungen in der Arbeitswelt.
Böhme:
Es ist doch klar, dass diese Leute das so darstellen müssen. Sie verkaufen ihre Geräte gerade deshalb, weil die Prozesse durch die Einsparung menschlicher Arbeitskraft billiger werden. Das dürfen sie aber nicht laut sagen. Ein Blick auf die Geschichte zeigt: die Hoffnungen, die ursprünglich mit der Automatisierung der menschlichen Handarbeit verbunden waren, haben sich nicht erfüllt. Damals war es die Idee, dass die Arbeit im Ganzen menschlicher werden würde, das heißt weg von der Verausgabung der eigenen Körperkraft und hin zur Bildungs- und Wissensarbeit. Doch diese schöne neue Welt ist gar nicht eingetreten.
spektrumdirekt:
Was bedeutet das für das gesellschaftliche Leben?
Böhme:
Eine Politik der Vollbeschäftigung ist illusionistisch. Die Arbeitslosigkeit wird weiter zunehmen. Es wäre viel besser eine Politik zu machen, die sich eine neue Form der Integration der Menschen in die Gesellschaft einfallen lässt. Es hat Zeiten gegeben, in denen nicht zu arbeiten gerade als der menschliche Zustand gesehen wurde. Man hatte damals seine Sklaven, heute haben wir die Maschinen. Warum sollte man nicht versuchen die Welt in dieser Hinsicht zu ändern? Im alten Athen war die hauptsächliche Tätigkeit des Bürgers Politik zu machen und nicht zu arbeiten.
spektrumdirekt:
Welcher Teil der Gesellschaft ist besonders von diesen Gefahren betroffen?
Böhme:
Jede neue Generation steht mit gutem Grund auf der Seite des Neuen. Das Neue ist bei uns im Wesentlichen die neue Technologie, so ist unsere Welt. Die Jugend verbindet ihre Hoffnungen mit den Technikentwicklungen. Das macht es schwierig. Man kann bei jüngeren Leuten nicht die gleiche Skepsis erwarten wie bei älteren Menschen, die schon einige Neuerungen von Technologien miterlebten. Jüngere Leute müssen mit der Entwicklung mitgehen und sich ihre eigenen Enttäuschungen einhandeln. Die Verschiebung von körperlicher zu mehr geistiger Arbeit, die man nach der zweiten industriellen Revolution erwartet hatte, findet in gewisser Weise natürlich statt, aber eine Humanisierung des Lebens ist damit nicht verbunden. Insgesamt verschiebt sich die Arbeit sehr stark zur informationellen Arbeit. Es gibt ja kaum noch einen Arbeitsplatz, der nicht auf den Einsatz eines Computers angewiesen ist. In dieser Hinsicht sind prinzipiell alle Erwerbstätigen ganz massiv betroffen.
spektrumdirekt:
Vielen Dank für das Gespräch.
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