Dordogne: Früheste Felskunst Europas rund 37 000 Jahre alt
Zumeist führen Prähistoriker die Malereien der Chauvet-Höhle als die ältesten Zeugnisse steinzeitlicher Felskunst an. Nun könnten Felsgravuren aus der Dordogne den Chauvet-Bildern diesen Rang streitig machen. Die Darstellungen im Abri von Castanet datieren Forscher auf ein Alter zwischen 37 000 und 35 000 Jahren. Damit wären sie entweder ungefähr zur selben Zeit wie die Chauvet-Malereien entstanden oder reichen sogar etwas weiter zurück.
Den Fund machten der Archäologe Randall White von der University of New York und sein Team bereits 2007: Unterhalb des Felsvorsprungs von Castanet legten sie eine etwa 1,3 Meter auf 0,9 Meter große Felsplatte frei, die von der Decke des Abri herabgestürzt war. Auf der Unterseite stießen sie auf eine Darstellung, die White als Vulva interpretiert; ferner auf das unvollständige Bild eines Tiers sowie einen eingemeißelten Ring. Zudem hatte sich die fragmentierte Felsdecke an einigen Stellen rot und schwarz verfärbt – vermutlich aber nicht durch Menschenhand, sondern durch die darunterliegende Fundschicht, in der zahlreiche Knochenreste und Steinwerkzeuge zum Vorschein kamen. Wie eine Radiokohlenstoffdatierung ergab, sind die Knochenfunde etwa 37 000 bis 35 000 Jahre alt. Da die Platte direkt auf den Hinterlassenschaften der steinzeitlichen Abribewohner aufliegt, geht White davon aus, dass auch die Felsgravuren in jenem Zeitraum, dem frühen Aurignacien, entstanden sind.
Die weitaus detailreicheren Chauvet-Höhlenmalereien, die älter als 21 000 Jahre sein müssen, ordnen die meisten Forscher derselben Kulturstufe zu. Die Bilder von Castanet könnten nach Ansicht von White sogar etwas älter sein. "Sie bezeugen aber eine völlig andere Tradition", so der Archäologe. Ähnliche Darstellungen fanden sich in weiteren, nahe gelegenen Abris im Vézèretal. "Anders als die Chauvet-Malereien und Ritzbilder, die sich tief unter der Erde und weit entfernt von den damaligen Wohnstätten befinden, scheinen diese Bilder jedoch eine Art Alltagskunst gewesen zu sein," überlegt White.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte erstmals der französische Vorgeschichtler Denis Peyrony begonnen, das Abri Castanet zu untersuchen. Neben Steinperlen, gelochten Tierzähnen und Muscheln entdeckte er zahlreiche Felsgravuren und einfache Malereien an der Felsdecke sowie auf Felsbrocken. Bislang war aber unklar, ob letztere Ritzbilder, die zumeist das weibliche Schamdreieck zeigen, ebenfalls Teil der Höhlenwand waren – und wie sie genau zu datieren sind.
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