Inselbiogeografie: Fuchsiger Transformator
"Fuchs, Du hast die Kanadagans gestohlen." Und da er sie eben nicht wieder hergibt, löst er eine ganze Kettenreaktion aus. An ihrem Ende ist nichts mehr, wie es war.
Am Anfang herrschten nahezu paradiesische Zustände: Sattes Grün wogte sanft im Wind, an den Küsten sonnten sich unzählige pelzige Seebären, gesättigt von den myriadenfach vorhandenen, glänzenden Leibern der anscheinend unerschöpflichen Fischgründe des nördlichen Meeres. Ihren Lebensraum teilten sie mit den geschickten Seeottern, die mit Werkzeuggebrauch die ebenfalls überreichlich vorhandenen hartschaligen Muscheln knackten, was sie später zu einem beliebten Beobachtungsobjekt von Verhaltensforschern machen sollte.
Natürliche Feinde gab es an Land kaum, sieht man von den Skuas genannten Raubmöwen oder einzelnen Greifvögeln ab. Selbst das heimische Indianervolk sammelte nur dann und wann Eier ein oder jagte die Robben – größeren Einfluss nahmen sie nicht. Das Leben plätscherte demnach weitgehend friedlich und geordnet dahin im arktischen Eden der Aleuten in der Meerenge zwischen Sibirien und Alaska.
Bald brachen die Bestände der Seebären und Otter ein, die Stellersche Seekuh starb gar aus. Auf der Suche nach Ersatz kamen die russischen Pelzhändler auf die scheinbar glorreiche Idee, Polarfüchse auf den Inseln auszusetzen. Und nachdem die Vereinigten Staaten Alaska und die angegliederten Aleuten den Russen abgekauft hatten, setzten sie diese Praxis zwischen 1890 und 1930 verstärkt und – im Sinne der pelzigen Kaniden – erfolgreich fort.
Denn all die Möwen, Lummen, Seeschwalben und Alken nutzten das Archipel nicht nur zur Brut, in ihren früheren Massen bestimmten sie maßgeblich ebenfalls die Vegetation der Inseln, wie jetzt Wissenschaftler um Donald Croll von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz nachwiesen. Sie verglichen dazu Inseln, auf denen noch Füchse lebten, mit solchen, wo sie niemals ausgesetzt oder schon wieder ausgerottet wurden.
Wie aber stehen Fuchs, Möwe und vor allem das Gras miteinander in Zusammenhang? Die Antwort liegt in den Nährstoffen, genauer gesagt im Naturdünger, den die zahllosen Seevögel im Laufe der Millennien über ihren Heimstätten absetzen: Guano, dieser fischig riechende Wachstumsförderer der heimischen Salatköpfe und Zierrasen, den fast jeder deutsche Hobbygärtner kennt.
Der Vernichtungsfeldzug der Füchse jedoch unterband diesen Transport. Mit dem Ende der Vögel wandelte sich die Vegetation ebenfalls, in der rasch die nun besser angepassten Hungerkünstler dominierten. Die auf regelmäßige Düngung angewiesenen Gräser dagegen verschwanden: Das Ökosystem vieler Aleuten-Inseln war komplett umgekrempelt.
Die Wissenschaftler zeigen allerdings auch, dass dieser Wandel nicht für immer sein muss: Wo die Füchse entfernt wurden, kehrten die Seevögel auf die Inseln zurück und mit ihnen auch langsam wieder die dichten Grasfluren. Noch sieht es auf diesen Eilanden nicht aus wie vor der großen Pelzeuphorie, aber das Artenschutzprogramm ist so erfolgreich, dass es fortgesetzt werden soll: Nach Jahrzehnten des Prosperierens wendet sich nun das Blatt also gegen Reineke.
Die wahren Herren der Inseln waren jedoch die Seevögel. Zu Millionen bevölkerten sie das Archipel, das sich auf 1900 Kilometer Länge wie auf einer Perlenschnur aufgereiht erstreckt. Ihren Lebensraum teilten sich die 29 Arten dabei exakt ein: In den dichten Grasfluren brüteten verschiedene Gänse-, Möwen- und Seeschwalbenspezies, in dazwischen liegenden Erdlöchern die Papageitaucher und zwischen oder unter Steinhaufen die Lummen und Alken. Auch an den steilen Küstenfelsen herrschten eindeutige Hierarchien, nach denen sich andere Lummenarten und Dreizehenmöwen die Brutplätze aufteilten.
Natürliche Feinde gab es an Land kaum, sieht man von den Skuas genannten Raubmöwen oder einzelnen Greifvögeln ab. Selbst das heimische Indianervolk sammelte nur dann und wann Eier ein oder jagte die Robben – größeren Einfluss nahmen sie nicht. Das Leben plätscherte demnach weitgehend friedlich und geordnet dahin im arktischen Eden der Aleuten in der Meerenge zwischen Sibirien und Alaska.
Doch 1741 nahm die Idylle ein jähes Ende: Der schiffbrüchigen Russe Vitus Bering – der Namensgeber des Seegebiets zwischen Amerika und Asien – "entdeckte" die Inselkette. Nach ihrer glücklichen Rückkehr berichteten die Überlebenden der gestrandeten Besatzung von scheinbar unerschöpflichen Pelz- und Fleischbergen, die nur darauf warteten genutzt zu werden. Bereits ein Jahr später fielen die ersten Jäger ein, und sie schöpften ab, was es gab.
Bald brachen die Bestände der Seebären und Otter ein, die Stellersche Seekuh starb gar aus. Auf der Suche nach Ersatz kamen die russischen Pelzhändler auf die scheinbar glorreiche Idee, Polarfüchse auf den Inseln auszusetzen. Und nachdem die Vereinigten Staaten Alaska und die angegliederten Aleuten den Russen abgekauft hatten, setzten sie diese Praxis zwischen 1890 und 1930 verstärkt und – im Sinne der pelzigen Kaniden – erfolgreich fort.
Allerdings war diese Handlung überhaupt nicht zum Wohle der Vögel, die bis dahin von den Waidmännern weitgehend unbeachtet geblieben waren. Die Füchse jedoch kamen stark auf diesen Geschmack. Folglich räumten sie vor allem unter den Boden- und Höhlenbrütern auf, die meist komplett verschwanden; nur die Klippenbewohner kamen einigermaßen glimpflich davon. Während aber der Abschuss der Robben an Land kaum Auswirkungen hatte, folgte mit dem Tod der Vögel ein tief greifender Wandel in der Inselnatur.
Denn all die Möwen, Lummen, Seeschwalben und Alken nutzten das Archipel nicht nur zur Brut, in ihren früheren Massen bestimmten sie maßgeblich ebenfalls die Vegetation der Inseln, wie jetzt Wissenschaftler um Donald Croll von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz nachwiesen. Sie verglichen dazu Inseln, auf denen noch Füchse lebten, mit solchen, wo sie niemals ausgesetzt oder schon wieder ausgerottet wurden.
Abgesehen vom ungleichen Vogelreichtum der jeweiligen Eilande in den Weiten des Nordpazifiks, stellten die Forscher auch starke Unterschiede in ihrem Bewuchs fest. Wo die Herren der Lüfte noch ungestört leben und brüten dürfen, beherrschen dichte Grasfluren das Bild, während in den Revieren der Reinekes allenfalls das schüttere Pflanzenkleid der arktischen Tundren aufkommt.
Wie aber stehen Fuchs, Möwe und vor allem das Gras miteinander in Zusammenhang? Die Antwort liegt in den Nährstoffen, genauer gesagt im Naturdünger, den die zahllosen Seevögel im Laufe der Millennien über ihren Heimstätten absetzen: Guano, dieser fischig riechende Wachstumsförderer der heimischen Salatköpfe und Zierrasen, den fast jeder deutsche Hobbygärtner kennt.
Mit dem Guano düngen die gefiederten Fischfresser unbewusst, aber sehr effektiv die Umgebung ihrer Nester und weit darüber hinaus. So leben auf Inseln ohne den hündischen Beutegreifer nicht nur doppelt so viele Seevögel wie auf solchen mit dem Raubtier, auch die Phosphatgehalte in den Böden sind um das Dreifache höher. Über den regelmäßigen Nährstofftransfer vom Meer mit seinem üppigen Leben fördern die Vögel damit ein dicht wucherndes Pflanzenkleid auf den ansonsten nährstoffarmen, alten Vulkanböden der verstreuten Landkleckse.
Der Vernichtungsfeldzug der Füchse jedoch unterband diesen Transport. Mit dem Ende der Vögel wandelte sich die Vegetation ebenfalls, in der rasch die nun besser angepassten Hungerkünstler dominierten. Die auf regelmäßige Düngung angewiesenen Gräser dagegen verschwanden: Das Ökosystem vieler Aleuten-Inseln war komplett umgekrempelt.
Die Wissenschaftler zeigen allerdings auch, dass dieser Wandel nicht für immer sein muss: Wo die Füchse entfernt wurden, kehrten die Seevögel auf die Inseln zurück und mit ihnen auch langsam wieder die dichten Grasfluren. Noch sieht es auf diesen Eilanden nicht aus wie vor der großen Pelzeuphorie, aber das Artenschutzprogramm ist so erfolgreich, dass es fortgesetzt werden soll: Nach Jahrzehnten des Prosperierens wendet sich nun das Blatt also gegen Reineke.
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