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Fund in Frankreich: Opferten die Gallier dutzende Pferde auf einmal?

Beim französischen Villedieu-sur-Indre haben Archäologen zahlreiche Pferdeskelette frei gelegt. Der Fund stammt vermutlich aus der Zeit des Gallischen Kriegs – und erinnert an eine Stätte bei Gergovia.
Ausgrabung einer Grube mit gallischen Pferdeskeletten im französischen Villedieu-sur-Indre.
Zehn Pferde hatten die Gallier einst in diese Grube beim heutigen Villedieu-sur-Indre in der Region Centre-Val de Loire verfrachtet. Sie hatten die Tiere sorgfältig neben- und übereinanderbestattet.

Für die Gallier galten Pferde als wertvoller Besitz. Sie waren wichtig für die Kriegsführung. Die Überreste solcher Reittiere, die vermutlich in den Jahrzehnten um die Zeitenwende starben, haben Archäologen des Institut national de recherches archéologiques préventives (Inrap) beim Ort Villedieu-sur-Indre ausgegraben. Sie spürten neun Gruben mit Pferdeskeletten auf, von denen sie bisher zwei frei gelegt haben. Warum die Tiere von gallischen Kelten fein säuberlich bestattet wurden, ist noch unklar. Laut den Ausgräbern könnten die Pferde während des Gallischen Kriegs gegen die Römer umgekommen sein. Wahrscheinlicher sei aber, dass die Kelten die Tiere geopfert hatten.

Wie eine Datierung der Knochen mit Hilfe der 14C-Methode ergab, stammen die Überreste ungefähr aus der Zeit zwischen 100 v. Chr. und 100 n. Chr., also aus der Übergangsphase der keltischen Latènezeit zur römischen Herrschaft über die Region. In den Gruben im mittelfranzösischen Departement Indre liegen dem Inrap zufolge insgesamt 28 Pferde begraben. Die beiden bislang geöffneten Gruben enthielten je zehn und zwei Tiere; ihre Köpfe hatte man nach Süden ausgerichtet. Die erste Gruppe wurde zudem sorgfältig in zwei Reihen übereinanderbestattet.

Laut der Archäozoologin Séverine Braguier vom Inrap dürften die Tiere bald nach ihrem Ableben vergraben worden sein. Außerdem waren sie, wie es typisch für gallische Nutztiere gewesen sei, eher klein gewachsen. Die Höhe des Widerrists betrug zirka 1,2 Meter. Das entspricht ungefähr heutigen Ponys.

Handelt es sich um Opfergruben aus der Zeit des Gallischen Kriegs?

Auffällig sei, dass es sich ausschließlich um erwachsene, männliche Pferde handelte. Braguier schließt daher aus, dass die Reittiere an einer Seuche gestorben waren, weil dann auch Fohlen und Stuten in den Gruben zu erwarten wären. Vielmehr scheinen die Gallier bei Villedieu-sur-Indre einst geopferte Tiere in die Erde verfrachtet zu haben. Dafür spricht auch ein weiterer Fund: Zwischen den Gruben hatten die Kelten zwei Hunde verscharrt, deren Köpfe nach Westen zeigen. Außerdem lagen diese auf der linken Körperseite, während die Pferde auf ihrer rechten Körperseite in den Boden gelangten. Solche Anordnungen sind normalerweise kein Zufall, sondern lassen eine kultische Bestattungstradition vermuten.

Die Pferde könnten demnach geopfert worden sein oder – eine alternative Idee der Archäologen vom Inrap – im Kampf umgekommen sein. Sicher ist jedenfalls: Die Pferdegruben von Villedieu-sur-Indre sind nicht die ersten ihrer Art in Frankreich. Im Jahr 2022 kamen in Gondole und L’Enfer in der Ebene von Gergovia, unweit der Überreste gallischer Siedlungen, ähnliche Gruben zum Vorschein. In einer lagen acht gallische Krieger mit ihren Reittieren, in fünf weiteren Gruben befanden sich zudem insgesamt 53 Pferde.

Die Archäologen bringen die alten und neuen Funde mit dem Gallischen Krieg in Verbindung. Die Römer eroberten Gallien zwischen 58 und 51/50 v. Chr., als Julius Cäsar (100–44 v. Chr.) mit seinen Legionen einen Feldzug gegen keltische Stämme führte. Die Ereignisse der Kriegsjahre schrieb Cäsar in seinem als »Commentarii de bello Gallico« bekannten Bericht nieder. Darin heißt es auch (Buch 3, Kapitel 22), dass manche keltische Krieger geschworen hatten, sich mit ihrem Heerführer – in diesem Fall war es nicht Vercingetorix – das Leben zu nehmen, sollte er gewaltsam zu Tode kommen. Der Fund in Gondole bei Gergovia könnte auf eine solche Tradition zurückgehen und womöglich hatten die Gallier auch die Pferde in Villedieu-sur-Indre bei einem ähnlichen Ritual getötet.

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