News: Funktion durch Form
Pflanzenzellwände bestehen hauptsächlich aus Cellulose, daneben sind jedoch weitere Polysaccharide, wie Hemicellulose und Pektine, an deren Aufbau beteiligt. Diese Pektine setzen sich aus aneinandergeketteten Galacturonsäuren zusammen, in welche verschiedene Neutralzucker wie Galactose, Arabinose und Rhamnose eingebaut sind. Zu dieser polymeren Stoffklasse gehört auch das Rhamnogalacturonan II (RG II), das vor 25 Jahren als eines der komplexesten Kohlenhydrate entdeckt wurde. Es besteht aus zwölf unterschiedlichen Zuckern, welche über 22 verschiedenen Bindungstypen miteinander vernetzt sind. Einer seiner Zuckerbausteine konnte bisher nirgendwo anders gefunden werden. Und obwohl an der Synthese von RG II 50-60 Enzyme beteiligt sind, wurde es bislang für unbedeutend gehalten.
Erst jetzt erkannten Wissenschaftler die Funktion dieses Polysaccharides und seinen Einfluss auf das Pflanzenwachstum. Dazu haben Alan Darvill und seine Kollegen von der University of Georgia eine Zwergmutante aus der Familie der Senfpflanzen – die Arabidopsis thaliana – untersucht. Diese Mutante weist zwar normale Mengen von RG II in der Zellwand vor, jedoch sind davon nur etwa die Hälfe miteinander vernetzt. Normalerweise bilden die einzelnen Polymerstränge mit Hilfe von Borsäurdiestern kovalente Bindungen untereinander aus und stellen somit ein komplexes Netzwerk her, in welches sich andere Zellwandkomponenten festsetzen.
Es zeigte sich, dass der Arabidopsis-Mutante ein Enzym fehlt, um einen bestimmten Zuckerbaustein des Polymers – die L-Fucose – zu bilden. Infolgedessen ersetzt die Mutante die L-Fucose an den entsprechenden Stellen des RG II mit einem anderen Zucker. Erhielten die Pflanzen einen Dünger mit mit L-Fucose-Anteilen oder großen Mengen an Bor, dann konnten sie normal wachsen. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass der Austausch von Zuckerbausteinen in der RG II die Form des Polymers verändert. Die Polymere können dadurch das Bor nicht mehr so gut fixieren, die Vernetzung der Zellwände scheitert und die Pflanzen wachsen nicht zu ihrer normalen Größe heran.
Offensichtlich entscheidet auch bei Kohlenhydraten die Form über die Funktion. Bei Proteinen kennen Biologen dies schon lange: so arbeiten viele Enzyme und Hormone nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, und die geringste Formabweichung führt zum Funktionsverlust.
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