Asteroideneinschläge: Kam das Sonnensystem früher zur Ruhe als gedacht?
Spätestens seit den 1970er Jahren gilt die Theorie des »Late Heavy Bombardment« (LHB), des »späten schweren Bombardements«, als entscheidender Abschnitt in der Geschichte des frühen Sonnensystems: Ihr zufolge stieg die Anzahl der Impakte auf Monden und Planeten vor etwa 3,9 Milliarden Jahren noch einmal deutlich an, um bald darauf so weit zu sinken, dass sich Leben auf der Erde entwickeln konnte. Als wichtigster Beleg für diese späte, heftige Einschlagphase gelten nach wie vor Gesteinsproben, die während der Apollo-Missionen gesammelt wurden.
Vergleicht man jedoch Anzahl und Alter der Krater auf Mars, Merkur und anderen lunaren Regionen, scheinen diese nicht mit dem Zeitraum des LHB zusammenzupassen. Zudem deuten auch Zirkonkristalle in Meteoriten, die sich dem Mars und dem Asteroiden Vesta zuordnen lassen, darauf hin, dass diese Himmelskörper schon vor mehr als 4,4 Milliarden Jahren eine weitgehend feste Oberfläche besaßen. Ging die Anzahl der Einschläge möglicherweise bereits in diesem Zeitraum zurück?
Eine Forschergruppe um Stephen J. Mojzsis an der University of Colorado in Boulder zieht insbesondere eine frühere Wanderung der Gasplaneten im Sonnensystem als Erklärung für die scheinbar widersprüchlichen Altersdatierungen heran. Dass sich Jupiter, Saturn und die Eisriesen in einem geringeren Abstand zur Sonne als heute entwickelten und sich erst danach auf ihre heutigen Bahnen bewegten, gilt als gesichert. Warum und wann genau es jedoch zu dieser Wanderung kam, ist noch unklar.
In mehreren Simulationen vergleicht Mojzsis' Team verschiedene Modelle für die Entwicklung des dynamischen frühen Sonnensystems, die hauptsächlich auf Mineralanalysen mehrere Asteroiden, darunter Vesta, basieren. Diese Kleinkörper waren während der Frühzeit des Sonnensystems ebenfalls heftigen Einschlägen ausgesetzt und schmolzen mehrfach auf. Anders als die terrestrischen Planeten wurden ihre Oberflächen seitdem jedoch physikalisch und chemisch kaum beeinflusst. Um den Zeitraum einzugrenzen, in dem die Asteroiden schließlich erstarrten, wurden verschiedene radioaktive Zerfallsreihen herangezogen, die für unterschiedliche Temperaturen empfindlich sind. Das Modell beruht außerdem auf drei sich überschneidenden Einschlagphasen, in denen Kometen, übrig gebliebene Planetesimale und schließlich Asteroiden von den migrierenden Gasplaneten aus ihren ursprünglichen Bahnen und auf Kollisionskurs mit den inneren Planeten gelenkt wurden.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die heftigsten Einschläge auf einen Zeitraum vor 4,48 bis 4,45 Milliarden Jahren beschränkten. Zudem scheint die Anzahl der Impakte eher graduell zurückgegangen sein. Damit müsste sich ein großer Abschnitt der Gasplanetenmigration innerhalb von rund 30 Millionen Jahren abgespielt haben. Sollte sich dies bestätigen, wäre die Erde bereits in weiten Teilen ihrer frühen Entwicklung ein lebensfreundlicher Ort gewesen, und das Leben auf der Erde hätte sich schon rund eine halbe Milliarde Jahre früher ohne Beeinträchtigungen durch Asteroideneinschläge entwickeln können.
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