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Astrophysik: Galaktische Geisterjäger

Sie durchdringen fast alle Materie, besitzen beinahe keine Masse und werden schon mal direkt aus Schwarzen Löchern ins All geschleudert - Neutrinos sind die bizarrsten Vertreter der Elementarteilchen. Mit einem neuen Detektor haben Forscher nun erstmals niederenergetische Neutrinos direkt aus dem Kern der Sonne eingefangen. Nun hoffen sie auf neue Erkenntnisse über die Prozesse im Inneren unseres Zentralgestirns.
Leben ist auf der Erde ohne die Sonne undenkbar, sie spendet Licht und Wärme. Die Energie dafür wird in ihrem Inneren frei, wenn dort die Kerne verschiedener Atome miteinander verschmelzen. Dabei senden sie stets eine bestimmte Strahlung und Partikel aus – darunter auch Neutrinos, jene beinah masselosen Geisterteilchen, die alle Materie ungehindert durchdringen und sich dabei auch von unserer Sonne nicht aufhalten lassen.

Die Elementarteilchen werden – abhängig von den jeweiligen Prozessen im Sonneninneren – mit unterschiedlich viel Energie ins All geschleudert. Hochenergetische Neutrinos haben Forscher bereits in der Vergangenheit beobachtet. Sie stammen aber aus jenen Prozessen, bei denen nur ein Bruchteil der Energie frei wird. Die wichtigsten Reaktionen im Kern unseres Zentralgestirns setzen dagegen Neutrinos mit weitaus geringerer Energie frei.

Solche niederenergetischen Neutrinos waren den Astrophysikern bislang aber stets entwischt. Wissenschaftlern um Stefan Schönert vom Max-Planck-Institut für Kernphysik gelang mit dem Borexino-Detektor unterhalb der Abruzzen nun aber doch der große Fang: Ihnen gingen erstmals niederenergetische Neutrinos in Netz, die aus dem radioaktiven Zerfall von Beryllium stammen. Indem sie die Boten aus der Ferne beobachten, können die Forscher nun live verfolgen, wie Energie im Sonneninneren freigesetzt wird.

"Die Neutrinoforschung berichtet somit in Echtzeit über die Energieproduktion der Sonne", sagt Stefan Schönert. "Sie hat allerdings auch ihre Tücken, denn wir müssen erstmal die Neutrinos messen und wirklich auch nur diese." Schließlich jagen bis zu 70 Milliarden Neutrinos im Sekundentakt durch jeden Quadratzentimeter der Erdoberfläche. Sie verfügen über eine unterschiedliche Energie und sind selbst wiederum nur ein Teil eines galaktischen Strahlenschwarms.

Auf die empfindlichen Detektoren prasselt also ein ganzer Teilchenregen nieder. Die Forscher sind deshalb unter die Erdoberfläche geflüchtet, um ihr Messinstrument vor anderen Teilchen abzuschirmen. Herzstück des Experiments ist ein Detektor, der 300 Tonnen Flüssigkeit enthält. Rasen Neutrinos durch dieses Szintillator, prallen sie dort auf einzelne Elektronen in den Atomen. Die Folge: Eine Kettenreaktion an deren Ende ein kurzer Lichtblitz das Eintreffen eines Neutrinos verrät.

2200 Sensoren beobachten dieses Licht und senden die Signale an einen Computer, der Herkunft und Intensität des Lichtblitzes misst. Allein aus dem Beryllium-Zerfall fangen die Forscher so etwa 50 Neutrinos am Tag.

Neben den niederenergetischen Neutrinos empfangen die Forscher auch Neutrinosignale aus der Erde. Diese liefern neue Einblicke, wie verschiedene radioaktive Elemente in der Erdkruste, dem Mantel und dem Kern verteilt sind.
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