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News: Ganz groß rausgekommen

Vor nahezu 500 Millionen Jahren unternahmen die aus aquatischen Vorfahren entstandenen Pflanzen erste Schritte an Land. Um hier dauerhaft Fuß zu fassen, erfanden sie unter anderem röhrenbildende Zellen zur Wasserleitung, führten jedoch zunächst noch ein wahres Schattendasein. Doch schon bald erreichten die Gefäßpflanzen eine neue Größenordnung: Wie nun entdeckte fossile Überreste offenbaren, waren sie schon wenig später keineswegs mehr unscheinbar und zudem wesentlich komplexer als ihre Ahnen.
Erfindungsreichtum war gefragt, als die ersten Pflanzen vor etwa 460 Millionen Jahren ihr wässriges Milieu verließen, um neuen Lebensraum zu erobern. Denn für die Besiedlung des Festlandes mussten sie zwangsläufig zahlreiche Probleme lösen, die sich für die aquatischen Algen nicht stellten. Und so konstruierten die frühen Vertreter der Gefäßpflanzen neben weiteren wichtigen Anpassungen ein ausgetüfteltes System aus mikroskopisch kleinen Röhren, mit dessen Hilfe sie fortan Wasser und Mineralstoffe in ihrem Körper verteilten.

Die Wurzeln der ältesten bekannten Formen mit einem derartigen Leitungsnetzwerk reichen über 425 Millionen Jahre ins Silur zurück. Ihre Wuchsform war keineswegs Aufsehen erregend: Nur wenige Millimeter ragten sie aus dem Boden hervor, und ihre spärlichen Zweige trugen nur einige Fortpflanzungseinheiten, so genannte Sporangien. Doch dieses Erscheinungsbild änderte sich im Laufe der Zeit grundlegend – und offenbar schon wesentlich früher als ursprünglich angenommen.

Auf Bathurst Island, rund 1300 Kilometer vom Nordpol entfernt, entdeckten Patricia Gensel und ihre Kollegen von der University of North Carolina in steinigen Sedimenten die fossilen Überreste von einst hochgewachsenen, differenzierten Gefäßpflanzen. Anhand von versteinerten Organismen wie den sägeblattartig aussehenden Graptoliten und den an Miniaturkiefer und -zähne erinnernden Conodonten gelang es dem Forscherteam, das Probenmaterial zeitlich relativ genau zu datieren: Demnach lebten die neuartigen Vertreter vor rund 420 Millionen Jahren.

Somit zählen jene Formen zwar nicht zu den ältesten jemals aufgespürten Gefäßpflanzen, doch sie sind die frühesten Fundstücke von dieser Größenordnung und Komplexität. Im Gegensatz zu ihren unscheinbaren Verwandten erreichten jene Pflanzen eine stattliche Größe von zehn oder mehr Zentimeter und glichen wahrscheinlich in ihrem Aussehen mittelgroßen Gräsern. Zudem waren sie reich verzweigt, und ihre Triebe wiesen dichte Reihen von Sporangien auf.

Vermutlich traten sie nicht vereinzelt auf, sondern wuchsen vielmehr in Büscheln. Und sie ähneln wesentlich stärker den viel jüngeren frühen Pflanzen aus dem Devon vor etwa 390 Millionen Jahren als jedem anderen Zeitgenossen aus dem Silur. "Die Flora auf Bathurst Island", hebt Gensel hervor, "liefert den besten Beweis für die vorhandene Formenvielfalt, Komplexität und dem Wuchs der Gefäßpflanzen in dieser Periode."

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