Nanomaterial: Garnele überlistet mit Superweiß die Physik
In einem brillanten, satten Weiß leuchten Antennen, Beine und Rückenstreifen der Putzergarnele Lysmata amboinensis. Bis zu 80 Prozent des einfallenden Lichts wirft die Farbschicht in der Schale des Krustentieres zurück – und überwindet dabei ein grundlegendes physikalisches Problem. Denn die Farbschicht ist mit wenigen Mikrometern eigentlich viel zu dünn, um so stark zu reflektieren. Das Problem: Packt man Pigmente so dicht zusammen, dass sie selbst bei so geringen Dicken eine geschlossene Schicht bilden, dann wechselwirken benachbarte Pigmentteilchen über Quanteneffekte und absorbieren einen erheblichen Anteil des Lichts. Sind die Pigmente dagegen weiter auseinander, wird die Schicht »löchrig« und streut ebenfalls weniger Licht.
Wie die Garnele die Physik austrickst und mit einer hauchdünnen Pigmentschicht ein strahlendes Weiß erzeugt, hat nun eine Arbeitsgruppe um Benjamin A. Palmer von der Ben-Gurion-Universität des Negev in Beer-Sheva, Israel, entschlüsselt. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Nature Photonics« berichtet, stecken hinter dem Geheimnis etwa 300 Nanometer messende Kügelchen mit einer hochgradig geordneten inneren Struktur. Sie bestehen aus dem Molekül Isoxanthopterin, das in speichenartigen Fasern angeordnet ist, die vom Zentrum der Kügelchen zur Oberfläche ragen.
Die Kugeln liegen extrem dicht gepackt in den rund fünf Mikrometer dicken Schichten aus Chromophoren, den pigmenttragenden Zellen in der Haut der Garnele. Eigentlich sollte dadurch der als »optical crowding« bezeichnete Effekt auftreten, durch den eng benachbarte Kugeln einen großen Teil des Lichts absorbieren. Das verhindert jedoch die Speichenstruktur, durch die das flache Molekül Isoxanthopterin überall parallel zur Oberfläche der Kugel angeordnet ist. Die nämlich macht das Material stark doppelbrechend – das heißt, der Brechungsindex des Materials verändert sich abhängig von der Richtung, in der das Licht auftrifft.
Das unterdrückt die Wechselwirkung der einzelnen Kugeln untereinander. In einer Computersimulation verglich die Arbeitsgruppe den Effekt dieser optischen Besonderheit. Demnach reflektieren die stark strukturierten, doppelbrechenden Kügelchen rund doppelt so viel Licht wie unstrukturierte Kugeln aus dem gleichen Material. Außerdem zeigt die Simulation, dass Letztere gar nicht weiß wären: Durch die dichte, regelmäßige Packung der Kügelchen würden Interferenzeffekte eine so genannte Strukturfarbe erzeugen. Statt weiß wäre der Rückenstreifen der Garnele wohl grünblau, wie der ebenfalls aus rund 300 Nanometer großen Kügelchen bestehende Opal.
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