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Klimaforschung: Gas statt Bremse

Nicht alles soll schlecht sein am Klimawandel. Polnahen Landschaften wird sogar eine blühende Zukunft vorhergesagt, in der sie den steigenden Temperaturen sogar entgegensteuern könnten. Aber ist diese Hoffnung gerechtfertigt?
Blühendes Wollgras (<i>Eriophorum vaginatum</i>)
Wie das Klima auf der Erde wohl in ein paar Jahrhunderten aussieht, ist noch alles andere als vorhersagbar. Klimamodelle, die uns eine Abschätzung erlauben sollen, werden schnell so kompliziert, dass sie die modernsten Computer überfordern. Den Wissenschaftlern bleibt da meist nur eine Vereinfachung – zum Beispiel bei der Frage, welche Landschaften der Erde Kohlendioxid, das wichtigste Treibhausgas, freisetzen und wo das Gas gebunden wird.

Bodenprofil der arktischen Tundra | Ab einer Tiefe von vierzig Zentimetern beginnt im Boden der Tundra der Permafrost.
Bei der arktischen Tundra schien die Sache bis vor wenigen Jahren noch eindeutig zu sein: Die dortigen Böden sind so kalt und feucht, dass Pflanzen und anderes organisches Material nur sehr langsam verrotten. Kohlendioxid, das von den Pflanzen aufgenommen wurde, wird also kaum wieder freigesetzt, weshalb diese Landstriche in Klimamodellen als sicheres Depot für dieses Gas angesehen wurden. Tatsächlich lagert hier etwa ein Drittel des auf der Erde in Böden gespeicherten Kohlenstoffs.

Zudem stellten die polarnahen Gebiete auch die Hoffnungsträger von Klimaforschern dar: Sollten die globalen Temperaturen steigen, so die Überlegung, würden in den auftauenden Böden Nährstoffe freigesetzt. Dadurch könnten dort größere Pflanzen wachsen, die mehr Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen als der heutige Bewuchs. Die tieferen Erdschichten hingegen würden nur langsam auf die wärmeren Gegebenheiten reagieren und ihren Kohlenstoff weiterhin festhalten. Auf diese Weise sollte das Treibhausgas eingefangen und die Klimaerwärmung natürlich abgebremst werden.

Versuchsfeld nahe des Toolik-See | Das linke Feld wurde während der letzten 24 Jahre ausgiebig gedüngt, daneben befindet sich naturbelassene Tundra.
Michelle Mack von der Universität von Florida und ihre Kollegen waren da skeptisch. Auf einem Feld nahe des Toolik-See in Alaska simulierten die Forscher das durch höhere Temperaturen verursachte verbesserte Nährstoffangebot. Mehr als zwanzig Jahre lang düngten sie den Boden mit einer Kombination aus Stickstoff und Phosphor und beobachteten die Entwicklung der dort wachsenden Pflanzenpopulationen.

Und tatsächlich: Das zuvor dominante Wollgras (Eriophorum vaginatum) wich zunehmend Gehölzen wie der Zwergbirke (Betula nana). Diese Pflanzen leben länger und verrotten langsamer, womit in ihrem Material mehr Kohlenstoff gespeichert wird als in ihren spärlichen Vorgängern. Die Produktivität der dort siedelnden Pflanzengemeinschaft verdoppelte sich im Versuchszeitraum – was älteren Klimamodellen recht zu geben scheint.

Die Wissenschaftler schauten allerdings noch etwas genauer hin: Sie griffen zu Hacke und Schaufel und verglichen den Kohlenstoffgehalt der gedüngten Böden mit dem von unbehandelten Kontrollfeldern – und vermissten größere Mengen. Trotz des Pflanzenbewuchses hatten die Felder im Versuchszeitraum pro Quadratmeter etwa zwei Kilogramm des Elementes verloren. Das erhöhte Angebot an Nährstoffen schien also, entgegen bisheriger Vorhersagen, wohl zu einer Freisetzung von Kohlendioxid zu führen – womit eine Klimaerwärmung erheblich beschleunigt statt verlangsamt würde.

Was wirklich mit dem Kohlenstoff der Tundra geschehen ist, können die Wissenschaftler zur Zeit nur vermuten. Sie argumentieren, dass die Düngung die Aktivität von Mikroorganismen erhöht haben könnte, die das im Boden enthaltene organische Material abbauen und das Element in Form von Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben. Diese Annahme zu überprüfen, ist das nächste Projekt der Forscher. Es sieht allerdings so aus, als würden die von Michelle Mack und ihren Kollegen gewonnenen Ergebnisse jetzt schon zeigen, dass Klimaforscher ihre empfindlichen Modelle erneut überarbeiten müssen.

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