Geotektonik: Gebirgsstock bewegt sich im Raupengang
Vor 20 Jahren erschütterte ein Beben der Stärke 6,0 das pakistanische Kohat-Plateau am Westrand des Himalajas. 200 Menschen starben, gleichzeitig rückte die Hochebene auf einen Schlag um 30 Zentimeter nach Süden. Lange hatten Geologen gerätselt, warum ausgerechnet dieses Gebiet von einem schweren Erdbeben getroffen wurde, da es zuvor eigentlich als tektonisch relativ ruhig galt. Nun konnten Wissenschaftler um Roger Bilham von der University of Colorado in Boulder die Ursache auf eine extrem ungewöhnliche, horizontal verlaufende Störungslinie zurückführen.
Normalerweise verlaufen diese Verwerfungen vertikal wie am San-Andreas-Graben in Kalifornien oder entlang der Sumatra-Verwerfung an der Plattengrenze zwischen der Indischen und der Australischen Platte, die an Weihnachten 2004 so verheerend gebebt hatte. Unter dem Kohat-Plateau findet sich dagegen eine nahezu perfekte horizontale Abgrenzung zwischen dem Krustenblock an der Oberfläche und einer darunterliegenden Schicht aus Salz, die normalerweise die Reibung so weit herabsetzt, dass das Plateau langsam, aber stetig nach Süden kriechen kann.Es sollten sich also kaum Spannungen im Gestein aufbauen, die sich in einem Beben entladen. Dann und wann bleibe jedoch ein Abschnitt des Blocks an einem Felspaket hängen, das durch die Salzschicht hindurchragt und so den Prozess stoppt, erklären die Forscher. Durch den Stopp staut sich das nachfolgende, sich noch vorwärtsbewegende Material auf – bis der Druck zu groß wird und das Plateau mit einem Schlag weiterschnellt, wie dies 1992 passiert war.
Bilham und Co vergleichen diesen Prozess mit der Fortbewegung einer Raupe. Die äußere Hülle ihres Körpers staucht und dehnt sich, während sie ihre Beine von einem Standort zum nächsten setzt. Dadurch entsteht ein wellenartiges Muster, das die Forscher nun auch am Kohat-Plateau nachgewiesen haben. Die Gefahr für Erdbeben scheint sich dort allerdings langsam zu vergrößern, denn das Gewicht des Blocks presst das Salz aus der unterlagernden Gleitschicht. Dadurch erhöht sich der Reibungswiderstand, und auch Verhakungen dürften sich häufen. Verglichen mit früheren Erdepochen hat sich deshalb bereits die Bewegungsgeschwindigkeit des Plateaus auf maximal drei Millimeter pro Jahr reduziert, was deutlich unter früheren Werten liege, so Bilham.
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