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News: Gebrochenes Rückgrat

Fieberhaft fahnden Forscher nach den Ursachen der Alzheimer´schen Krankheit, doch noch immer rätseln sie, wie die charakteristischen krankhaften Veränderungen im Gehirn der Betroffenen entstehen. Als einen Hauptverdächtigen haben sie seit geraumer Zeit das Apolipoprotein E4 im Visier. Nun kamen Wissenschaftler seiner Wirkungsweise näher auf die Schliche: Ein Bruchstück des aktivierten Proteins verhindert, dass die Nervenzellen ihr überlebenwichtiges Stützgerüst aufrechterhalten können.
Das heimtückische Leiden beginnt kaum spürbar mit leichter Vergesslichkeit, Orientierungsproblemen und Sprachstörungen. Doch die 1906 von dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer beschriebene "eigenartige Krankheit der Hirnrinde" verschlimmert sich unaufhaltsam und führt schließlich zum Tod. Verantwortlich für den geistigen und körperlichen Zerfall sind offenbar typische Ablagerungen im Gehirn, zu denen veränderte Neurofilamente – die so genannten Alzheimer-Fibrillen – gehören.

Neurofilamente sind für die Funktion und das Fortbestehen unserer Nervenzellen von entscheidender Bedeutung: Sie bilden gewissermaßen das "Rückgrat" der Axone – den impulsleitenden Neuronenausläufern – und verleihen ihnen Form und Stabilität. Doch warum sind diese Proteine bei der Alzheimer-Krankheit auf charakteristische Weise modifiziert? Ist der gesuchte Übeltäter vielleicht das Apolipoprotein E4 (apoE4), das Forscher schon seit längerer Zeit im Verdacht haben, die Demenzform mit auszulösen?

Bei Apolipoproteinen handelt es sich um Verbindungen aus Lipiden und Proteinen, die in den drei verschiedenen Varianten apoE2, apoE3 und apoE4 auftreten, letzteres weisen 40 bis 60 Prozent der Alzheimer-Betroffenen auf. Wie frühere Studien bereits zeigten, fördern apoE2 und apoE3 die Fähigkeit von Neuronen, ihre langen Fortsätze auszubilden, mit denen sie zu ihren Nachbarzellen Kontakt knüpfen, während apoE4 diesen Prozess durcheinanderbringt.

Um die Rolle von apoE4 näher zu beleuchten, untersuchten Yadong Huang und seine Kollegen vom Gladstone Institute of Neurological Disease die Gehirne verstorbener Alzheimer-Patienten. Dabei stellten sie fest, dass deren krankhaft veränderte Neurofibrillen unter anderem aus verkürzten Versionen von apoE4 bestehen. Aber wieso waren die Apoproteine gestutzt? Und wer zerschneidet sie zu Bruchstücken?

Wie Versuche mit Zellkulturen enthüllten, spaltet ein bisher noch unbekanntes Enzym apoE4 und veranlasst dadurch das entstandene Fragment, mit intrazellulären Cytoskelett-Proteinen, genannt Tau, und den Neurofilamenten zu interagieren. Dabei bilden sich Alzheimer-Fibrillen ähnliche Strukturen aus. Jenes anonyme Enzym scheint offensichtlich eine Vorliebe für apoE4 zu hegen, denn sein Kollege apoE3 blieb öfters unbehelligt. Die verkürzten Formen von apoE3 erwiesen sich zudem als weniger aktiv bei der Bildung der modifizierten Neurofibrillen. Interessanterweise konnten die Forscher in Zellen von anderen Organen, die sie zur Produktion von apoE3 und apoE4 veranlassten, keine derartigen Alzheimer-Symptome nachweisen.

"Dies ist ein bedeutender Schritt, der zeigt, wie apoE4 möglicherweise die Fähigkeit von Gehirnzellen stört, zu interagieren und sich untereinander zu verknüpfen", betont Robert Mahley aus dem Forscherteam. Nun gilt es, das noch unbekannte Enzym zu identifizieren, welches die Apolipoproteine spaltet und aktiviert. Denn mithilfe dieser Kenntnisse – so hoffen die Wissenschaftler – ließen sich Medikamente zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit entwickeln.

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