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Frühes Universum: Geburtenstarker Jahrgang

Galaxien bestehen aus Hunderten von Milliarden von Sternen. Doch wie haben sich diese gigantischen Sternansammlungen vor Milliarden von Jahren gebildet? Entstand zuerst ein Zentralbereich mit Sternen, der mit der Zeit anwuchs, oder bildeten sich die Sterne gleichmäßig im ganzen heutigen Volumen der Galaxie?
Teil des Orionnebels
Sterne entstehen, wenn kosmische Wolken aus Staub und Gas unter dem Einfluss der Schwerkraft kollabieren und sich dabei aufheizen. Doch die dabei entstehende Strahlung treibt die Gas- und Staubwolken auseinander, erschwert so einen weiteren Kollaps und damit die Bildung weiterer Sterne. Daraus ergibt sich eine Obergrenze dafür, wie viele Gestirne in einer gegebenen Raumregion in gegebener Zeit überhaupt entstehen können.

Aber gehen Galaxien tatsächlich bis ans Limit? Forscher um Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg untersuchten nun eine der weitest entfernten bekannten aktiven Galaxien, einen Quasar mit der Bezeichnung J1148+5251. Licht von dort erreicht die Erde erst nach einer Reisezeit von 12,8 Milliarden Jahren – damit sehen wir das System heute so, wie es weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall aussah.

Galaxie J1148+5251 | Falschfarbenaufnahme der Galaxie J1148+5251, aufgenommen mit den Radioteleskopen des Very Large Array in New Mexiko.
Das Zentrum der Galaxie ist dabei so leuchtstark, dass es das Restsystem in vielen Spektralbereichen überstrahlt. Bei einer bestimmten Frequenz, die für ionisierte Kohlenstoffatome charakteristisch ist, sind allerdings die Sternentstehungsgebiete heller als der aktive Kern von J1148+5251. Auf Grund der Expansion des Universums erreicht diese Strahlung die Erde in Form von Radiowellen. Mit Hilfe des IRAM-Interferometers, einem Verbund aus Radioteleskopen auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen, fingen Walter und seine Kollegen genau diese ein.

Die Analyse verrät, dass sich im Innern der Galaxie extrem viele Sterne bildeten – so schnell, wie es nach den Gesetzen der Physik gerade noch zulässig ist. "Das Ergebnis ist überraschend: In J1148+5251 entstehen pro Jahr Sterne mit einer Gesamtmasse von über 1000 Sonnenmassen und das auf einem für astronomische Verhältnisse recht kleinen Gebiet", so Walter. Zum Vergleich: Zählt man die Massen aller Sterne zusammen, die in unserer Milchstraße entstehen, kommt jedes Jahr nur eine einzige Sonnenmasse dazu.

Dass in jungen Galaxien beachtliche Mengen an Sternen entstehen, hatten bereits frühere Messungen zeigen können. Entscheidend an den aktuellen Ergebnissen ist, dass auch die Ausdehnung der Sternentstehungsregion eingegrenzt werden konnte – auf einen Durchmesser von nur rund 4000 Lichtjahren. Von der Erde aus betrachtet, erscheint dieses Gebiet so groß wie eine Ein-Euro-Münze in einem Abstand von 18 Kilometern. Umso erstaunlicher, dass die Astronomen es tatsächlich auflösen konnten. Mit den neuen Daten lässt sich nun die Sternentstehungsrate pro Volumen berechnen, und erst das ermöglicht den Vergleich mit Sternentstehungsmodellen einerseits, und mit besonders aktiven Sternentstehungsgebieten in unserer eigenen Galaxie andererseits.

Orionnebel | In der Region Orion-KL im Orionnebel ist die Sternentstehungsaktivität ähnlich hoch wie in der Zentralregion von J1148+5251 – allerdings auf ein ungleich kleineres Volumen beschränkt.
"In unserer Milchstraße finden sich solche extremen Verhältnisse nur in ungleich kleineren Regionen, beispielsweise in Teilen des Orionnebels. Aber was wir beobachtet haben, entspricht einer Ansammlung von 100 Millionen Orion-Regionen", berichtet Walter. Ihre Arbeit weist solch extreme Verhältnisse nun erstmals auf galaktischen Größenskalen nach – im Widerspruch zu einigen bisherigen Schätzungen, die für die maximale Sternentstehungsrate in Galaxien auf einen zehnmal kleineren Grenzwert kamen.

Eine derartige Aktivität auf so geringem Raum ist für die Wissenschaftler aber auch noch aus einem anderen Grund von Interesse. Sie zeigt, dass die Sternansammlung in dieser Galaxie offensichtlich von innen heraus entsteht: Am Anfang existiert eine Kernregion, in der besonders viele Gestirne entstehen. Erst im Lauf der Zeit wächst der mit Sternen gefüllte Zentralbereich – etwa durch Kollisionen und Verschmelzungen mit anderen Systemen – und erreicht die ungleich größere Ausdehnung, die für ältere Galaxien charakteristisch ist.
  • Quellen
Walter, F. et al.: A kiloparsec-scale hyper-starburst in a quasar host less than 1 gigayear after the Big Bang. In: Nature 457, S. 699–701, 2009.

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