News: Gefährliche Flughundhäppchen
Die Pazifikinsel Guam hat vieles von dem, was ein südliches Inselparadies ausmacht - außerdem aber eine erschreckende Geschichte von Patienten, die dort an einem lokaltypischen Nervenleiden erkrankten. Die Ursache, erhüllen Forscher nun, waren wohl regionale Kochsitten.
Guam, die Hauptinsel des pazifischen Marianen-Archipels, ist unter Ferntouristen sicherlich weniger bekannt als unter Neurologen. Ursache dafür ist ein jahrzehntelang ungelöstes medizinisches Rätsel: Warum erkrankten die einheimischen Chamorro-Insulaner bis in die späten siebziger Jahre so extrem häufig an dem "Guam-ALS-PD-Demenz-Komplex" (ALS/PDC)? Diese merkwürdigerweise auf Guam endemische Nervenkrankheit löste damals in der Bevölkerung extrem gehäuft neurodegenerative Verfallserscheinungen aus, ähnlich denen der Parkinson- und Alzheimer-Erkrankungen.
Wie Forscher herausfanden, können offenbar Nervengifte wie die in normalen Eiweißen nicht enthaltene, seltene Aminosäure BMAA derartige Erkrankungen auslösen. Und man erkannte, dass BMAA auch tatsächlich in der Natur Guams vorkommt: in den Samen einheimischer Palmfarn-Vertreter, die zudem auch noch das ebenfalls gesundheitsgefährdende Nervengift Cycasin enthalten.
Wie das Gift von dort aber zur Bedrohung des Menschen werden könnte, blieb vollkommen unklar. Zwar sind die Samen Grundlage des Guamischen Speisezettels – sie werden zu Mehl verarbeitet, als Tortilla-Fladen verspeist und somit aufgenommen – nur: Zuvor werden sie traditionell auch gründlich gewaschen. Allein durch diese Vorbereitung sinkt die ohnehin niedrige Konzentration des Nervengifts im endgültigen Nahrungsprodukt nachweislich auf einen völlig harmlosen Wert. Der Verzehr kann also nicht die Ursache der durch BMAA ausgelösten neurodegenerativen Krankheit sein.
Welche einheimische Nahrungs-Spezialität käme sonst noch als Ursache der lokal beängstigenden ALS/PDC-Raten in Frage? Vielleicht Flughund – die einheimische Spezies aus der Gruppe der Fledertiere (Chiroptera) wurde in der Vergangenheit, eine regional-kulinarische Besonderheit, so begeistert gejagt und verzehrt, dass sie mittlerweile zu den bedrohten Arten der Südseeinsel zählt. Und auffälligerweise ging der stetige Rückgang der Flughund-Population Hand in Hand mit einer Abnahme der ALS/PDC-Häufigkeit auf Guam – ausgehend von einem Maximum bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. Nur eine zufällige Korrelation?
Kaum, meinte bereits im letzten Frühjahr eine Wissenschaftlergruppe um Paul Alan Cox vom National Tropical Botanical Garden auf Hawaii. Sie vermuteten, dass Palmfarnsamen, Flughund und letztlich Mensch eine fatale Nahrungskette knüpfen: Schließlich verschmähen Flughunde ein Palmfarn-Samen-Mahl ebenso ungern wie Guams Einwohner die Flughunde.
Nun legen Cox und Co eine weitere Studie nach, in der sie den tatsächlichen Gehalt des Palmfarn-Nervengiftes BMAA im Körper von Flughunden analysierten. Zu diesem Zweck griffen sie, nachdem die lokal verbliebenen lebenden Artgenossen selten geworden waren, auf drei einst auf Guam gefangene Flughund-Museumsexemplare zurück, die bis dahin in der zoologischen Sammlung der University of California in Berkeley vor sich hingestaubt hatten.
Der Deutlichkeit der Analyse-Ergebnisse tat dies keinen Abbruch: Die Haut aller drei musealer Südseerelikte enthielt eine erstaunliche Menge des Nervengiftes BMAA – tatsächlich entpuppte es sich darin gar als Hunderte Male höher konzentriert als in den Samen des pflanzlichen Gift-Produzenten selbst. Demnach hätten also menschliche Flughund-Gourmets auf Guam wohl jahrzehntelang "unwissentlich hohe Dosen des Giftes verzehrt", so Cox – und dadurch einer späteren Erkrankung an ALS/PDC massiven Vorschub geleistet. Ganz eindeutig reichert sich die mitsamt der Samennahrung aufgenommene BMAA-Menge im Laufe eines Flughundlebens im Gewebe an – ökologisch gesehen der typische Fall so genannter Bioakkumulation in höheren Stufen von Nahrungsketten.
Nach ähnlichen Zusammenhängen sollte nun auch anderswo geforscht werden, kommentiert etwa John Stein, von der University of Oxford. Das Guam-Problem erhöhter ALS/PDC-Raten scheint jedenfalls, mithilfe der nun überzeugend zusammengepuzzelten Wissensbausteine, gelöst zu sein.
Wie Forscher herausfanden, können offenbar Nervengifte wie die in normalen Eiweißen nicht enthaltene, seltene Aminosäure BMAA derartige Erkrankungen auslösen. Und man erkannte, dass BMAA auch tatsächlich in der Natur Guams vorkommt: in den Samen einheimischer Palmfarn-Vertreter, die zudem auch noch das ebenfalls gesundheitsgefährdende Nervengift Cycasin enthalten.
Wie das Gift von dort aber zur Bedrohung des Menschen werden könnte, blieb vollkommen unklar. Zwar sind die Samen Grundlage des Guamischen Speisezettels – sie werden zu Mehl verarbeitet, als Tortilla-Fladen verspeist und somit aufgenommen – nur: Zuvor werden sie traditionell auch gründlich gewaschen. Allein durch diese Vorbereitung sinkt die ohnehin niedrige Konzentration des Nervengifts im endgültigen Nahrungsprodukt nachweislich auf einen völlig harmlosen Wert. Der Verzehr kann also nicht die Ursache der durch BMAA ausgelösten neurodegenerativen Krankheit sein.
Welche einheimische Nahrungs-Spezialität käme sonst noch als Ursache der lokal beängstigenden ALS/PDC-Raten in Frage? Vielleicht Flughund – die einheimische Spezies aus der Gruppe der Fledertiere (Chiroptera) wurde in der Vergangenheit, eine regional-kulinarische Besonderheit, so begeistert gejagt und verzehrt, dass sie mittlerweile zu den bedrohten Arten der Südseeinsel zählt. Und auffälligerweise ging der stetige Rückgang der Flughund-Population Hand in Hand mit einer Abnahme der ALS/PDC-Häufigkeit auf Guam – ausgehend von einem Maximum bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. Nur eine zufällige Korrelation?
Kaum, meinte bereits im letzten Frühjahr eine Wissenschaftlergruppe um Paul Alan Cox vom National Tropical Botanical Garden auf Hawaii. Sie vermuteten, dass Palmfarnsamen, Flughund und letztlich Mensch eine fatale Nahrungskette knüpfen: Schließlich verschmähen Flughunde ein Palmfarn-Samen-Mahl ebenso ungern wie Guams Einwohner die Flughunde.
Nun legen Cox und Co eine weitere Studie nach, in der sie den tatsächlichen Gehalt des Palmfarn-Nervengiftes BMAA im Körper von Flughunden analysierten. Zu diesem Zweck griffen sie, nachdem die lokal verbliebenen lebenden Artgenossen selten geworden waren, auf drei einst auf Guam gefangene Flughund-Museumsexemplare zurück, die bis dahin in der zoologischen Sammlung der University of California in Berkeley vor sich hingestaubt hatten.
Der Deutlichkeit der Analyse-Ergebnisse tat dies keinen Abbruch: Die Haut aller drei musealer Südseerelikte enthielt eine erstaunliche Menge des Nervengiftes BMAA – tatsächlich entpuppte es sich darin gar als Hunderte Male höher konzentriert als in den Samen des pflanzlichen Gift-Produzenten selbst. Demnach hätten also menschliche Flughund-Gourmets auf Guam wohl jahrzehntelang "unwissentlich hohe Dosen des Giftes verzehrt", so Cox – und dadurch einer späteren Erkrankung an ALS/PDC massiven Vorschub geleistet. Ganz eindeutig reichert sich die mitsamt der Samennahrung aufgenommene BMAA-Menge im Laufe eines Flughundlebens im Gewebe an – ökologisch gesehen der typische Fall so genannter Bioakkumulation in höheren Stufen von Nahrungsketten.
Nach ähnlichen Zusammenhängen sollte nun auch anderswo geforscht werden, kommentiert etwa John Stein, von der University of Oxford. Das Guam-Problem erhöhter ALS/PDC-Raten scheint jedenfalls, mithilfe der nun überzeugend zusammengepuzzelten Wissensbausteine, gelöst zu sein.
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