Tierseuchen: Stärkste Vogelgrippe-Epidemie überhaupt in Europa
Überlagert von den Meldungen zur Corona-Pandemie spielt sich derzeit eine weitere Epidemie weitgehend im Verborgenen ab: »Wir erleben in Deutschland und Europa derzeit die stärkste Geflügelpest-Epidemie überhaupt«, teilte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems der Deutschen Presse-Agentur mit. Täglich kämen neue Fälle hinzu, und das nicht nur bei Wildvögeln. »Ein Ende ist nicht in Sicht, die betroffenen Länder reichen von Finnland über die Faröerinseln bis Irland, von Russland bis Portugal.« Auch aus Kanada, Indien und Ostasien kämen Meldungen.
Für die kommenden Winterwochen seien das keine guten Aussichten, hieß es vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit weiter. Bei Wildvögeln wie Wildenten, Wildgänsen, Schwänen und Möwen wurden seit Anfang Oktober 2021 (Stand 29. Dezember, 12.30 Uhr) allein in Deutschland 394 Infektionen erfasst, hauptsächlich entlang der Küste und insbesondere in Schleswig-Holstein. Zudem wurden vom FLI 46 Ausbrüche in Geflügelhaltungen registriert, allein 18 davon in Niedersachsen. Weitere Fälle betrafen Nordrhein-Westfalen (9), Mecklenburg-Vorpommern (8), Schleswig-Holstein (4), Berlin/Brandenburg, Bayern und Thüringen (jeweils 2) sowie Sachsen-Anhalt (1).
Europaweit wurden den FLI-Daten zufolge in diesem Zeitraum 675 Infektionen bei Wildvögeln und 534 Ausbrüche in Haltungen erfasst. Hinzu kämen Einzelfälle bei Säugetieren: So seien in diesem Jahr bereits nachweislich Rotfüchse in den Niederlanden und Finnland, Kegelrobben in Schweden, Seehunde unter anderem in Deutschland und Fischotter in Finnland an Vogelgrippe erkrankt.
In Israel werden die Eier knapp
Auch andere Regionen sind derzeit stark von der Vogelgrippe betroffen. So meldete das israelische Landwirtschaftsministerium kürzlich ein Massensterben in Legebatterien. Hunderttausende Tiere wurden getötet, um weitere Ansteckungen zu verhindern. »Das Landwirtschaftsministerium macht sich Sorgen, dass Menschen sich durch infizierte Legebatterien in der Nähe von Wohnhäusern anstecken könnten«, hieß es zudem. Es werde nun mit einem Mangel an Eiern auf dem israelischen Markt gerechnet – monatlich fehlten durch die Vogelgrippe etwa 14 Millionen Eier.
Medienberichten zufolge sind in Israel derzeit auch rund 20 Prozent der Kraniche betroffen, die als Zugvögel aus Südeuropa nach Israel kommen, um dort auf dem Weg nach Afrika Station zu machen. Dass Zugvögel die Krankheit über weite Strecken verbreiten, ist nichts neues: Schon in der Saison zuvor hatte es vom Herbst 2020 bis zum Frühling 2021 einen gravierenden Seuchenzug in Deutschland und Europa gegeben – der nun wohl noch übertroffen wird.
Die wichtigste vorbeugende Maßnahme zum Schutz von Geflügel sei die Kontrolle und Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen, hieß es vom FLI. Geflügelhalter könnten diese anhand der Tierseuchenampel überprüfen. »Andere Maßnahmen stehen derzeit nicht zur Verfügung«, so die Experten.
Übertragungen auf den Menschen sind selten
Beim aktuellen Ausbruchsgeschehen dominiert der Vogelgrippe-Subtyp H5N1, auch H5N8 kommt in geringem Ausmaß vor. Mit H5N1 können sich in Einzelfällen auch Menschen anstecken, wobei die Krankheit in vielen Fällen tödlich verläuft. Für H5N8 wurden im Dezember 2020 erstmals einige wenige Übertragungen auf den Menschen erfasst. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind für beide Subtypen bisher nicht nachgewiesen – ein Ansteckungsrisiko besteht deshalb hauptsächlich für Personen, die Kontakt zu infizierten Tieren haben.
Experten raten dennoch zur Wachsamkeit: Da sich momentan alle Anstrengungen auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie richten, würden Geflügelfarmen und Wildvögel nicht mehr so eng überwacht wie vor der Ausbreitung von Covid-19. Dass sich ein Vogelgrippe-Erreger zum nächsten Pandemievirus mausern könnte, das auch für Menschen gefährlich wird, ist zumindest theoretisch denkbar. Schon zu Beginn der 2000er Jahre starben in Asien einmal hunderte Menschen an einer H5N1-Variante. (dam)
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