Direkt zum Inhalt

Zukunft der Stadt: Gegen die Hitze der Stadt

Städte sind Hitzeinseln, und wegen des Klimawandels könnten sie sich weiter erwärmen. Das führt schon heute zu erhöhten Sterberaten an heißen Tagen. Zeit also, etwas dagegen zu tun. Von weißen oder grünen Dächern zu mehr Schatten spendenden Straßenbäumen und Parks reichen die Lösungen.
New Yorks Central Park
Mit weißer Farbe gegen die Erderwärmung – als der US-amerikanische Energieminister Steven Chu vorschlug, im Kampf gegen den Klimawandel die Welt heller zu färben, sicherte ihm das zahlreiche Schlagzeilen in den Medien. Doch die Idee, die zu einfach klang, um zu funktionieren, war durchaus ernst gemeint.

Chu sprach auf einer Nobelpreisträgertagung in London und rechnete vor, dass große Mengen an Energie eingespart werden könnten, wenn alle Dächer in Amerika und sogar weltweit weiß gestrichen würden. Denn während dunkle Dächer nur rund 20 Prozent des Sonnenlichts reflektieren, strahlen weiße Dächer bis zu vier Fünftel der Strahlung in den Weltraum zurück: Gebäude müssten weniger stark klimatisiert werden, und würden zudem noch alle Straßen und Gehwege hell gestrichen, sorgte das für weitere Abkühlung. Insgesamt ließen sich so enorme Mengen an Kohlendioxid einsparen – so viel wie weltweit alle Autos in elf Jahren ausstoßen, meint Chu.

Athen | Griechenlands Hauptstadt wird im Sommer zum Brutkasten: Die Betonwüste heizt sich unter der Sonne des Mittelmeers extrem auf – wer kann, flieht dann ans nahe Meer.
Inzwischen hat ein Team von Wissenschaftlern um Keith Oleson vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) die Wirkung des hellen Anstrichs auf das Klima berechnet. Dabei standen neben den Auswirkungen auf das Weltklima vor allem auch die auf das Stadtklima im Vordergrund. "Unsere Studie zeigen, dass weiße Dächer zumindest theoretisch eine effektive Methode sein können, um die Hitze in der Stadt zu mildern", schreibt Oleson. "Zwar muss sich erst noch herausstellen, ob es für Städte praktikabel ist, alle Dächer weiß zu streichen. Aber es lohnt sich, der Idee weiter nachzugehen."

Riskante Wärmekammern

Denn Städte sind Hitzeinseln: Schon heute ist die jährliche Durchschnittstemperatur in Städten um ein bis drei Grad Celsius höher als im Umland. In klaren, windstillen Nächten beträgt der Unterschied sogar bis zu zwölf Grad Celsius. Hervorgerufen wird dieser so genannte urbane Hitzeeffekt vor allem durch die Sonne. Anders als relativ helle Felder und Wälder absorbieren dunkle Gebäude und Straßen einen großen Teil ihrer Strahlen und heizen sich während des Tages auf. In der Nacht wird diese Hitze nur langsam wieder abgegeben, was dazu führt, dass es in Städten meist rund um die Uhr wärmer ist als außerhalb.

Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle: Versiegelte Oberflächen lassen Regenwasser schneller ablaufen, ein Teil der natürlichen Kühlung fällt dadurch aus. Weil Bäume und Grünflächen fehlen, ist die Evapotranspiration – die Verdunstung von Wasser – geringer. Zudem gibt es, wo Bäume fehlen, keinen Schatten. Die Folge ist ein weiterer, sekundärer Aufheizungseffekt.

Santorini | Traditionell verputzen die Griechen ihre Häuser mit weißem Kalk: Das reflektiert die Sonnenstrahlung und mindert die Erwärmung.
Gerade in Städten und Ballungsräumen sind die Folgen des Klimawandels also besonders deutlich zu spüren. Extrem hohe Tagestemperaturen und eine nur geringe Abkühlung während der Nächte führen schon heute während Hitzeperioden zu einer erhöhten Sterblichkeit. So verursachte die Hitzewelle, die Europa im Jahr 2003 heimsuchte, nach Angaben der Europäische Umweltagentur (EEA) europaweit rund 52 000 zusätzliche Todesfälle, rund 15 000 davon allein in Frankreich. Besonders betroffen waren ältere Menschen: Rund 70 Prozent waren mehr als 75 Jahre alt. Nicht nur die Weltgesundheitsorganisation WHO, auch die US-amerikanische Environmental Protection Agency (EPA) fordern daher Städte und Kommunen auf, Maßnahmen einzuleiten, die den urbanen Hitzeinseleffekt zumindest mildern können.

Begrünen oder Reflektieren

Bereits im Oktober 2008 hat die EPA unter dem Titel "Reducing Urban Heat Islands" ein Kompendium herausgegeben, das Planern und Architekten bei der Entwicklung neuer Programme und Projekte helfen soll. Auf knapp 180 Seiten beschreibt es, mit welchen kurz-, mittel- und langfristigen Möglichkeiten es gelingen kann, einer weiteren Aufheizung durch den Klimawandel entgegenzuwirken. Unter anderem werden verschiedenste Varianten vorgestellt, die Dächer von Gebäuden zu kühlen, und unterscheiden dabei zwischen "Cool Roofs" und "Green Roofs". "Green Roofs" erschließt sich recht schnell als Dachbegrünung, "Cool Roofs" sind dagegen Dächer, die das Sonnenlicht besonders gut reflektieren oder nur geringe Hitzemengen speichern können. Rund 1600 Produkte werden in den USA inzwischen dafür angeboten – Tendenz steigend. Das Spektrum reicht von hellen Folien bis hin zu speziellen Dachsteinen, die zwar aussehen wie normale, aber besonders gut Hitzestrahlen reflektieren.

Das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz von Nordrhein-Westfalen setzt dagegen in seinen Leitfäden ganz auf die Methode der Dachbegrünung. Aus gutem Grund: Grüne Dächer mildern nicht nur die im Verlauf eines Jahres auftretenden Temperaturextreme, sie wirken sich auch positiv auf den Wasserhaushalt aus. 70 bis 100 Prozent der Niederschläge werden von der Vegetationsschicht aufgefangen und durch Verdunstung wieder an die Stadtluft abgegeben, was zur Abkühlung der Luft in den Städten beiträgt – ähnlich wirkt die Begrünung von Hausfassaden. Durch diese beiden Maßnahmen allein ist je nach herrschendem Klima und der Art der städtischen Bebauung eine Reduktion der Temperatur um 3,6 bis 11,3 Grad Celsius möglich.

New Yorks Central Park | Zu den berühmtesten Stadtparks der Welt gehört der Central Park in New York. Die große Grünfläche ist ein Anziehungspunkt für zahlreiche Städter und Zufluchtsort, wenn sich im Sommer die Hitze in den angrenzenden Straßenfluchten staut.
Wenn benachbarte Dach- und Fassadenflächen gemeinsam eine größere Grünfläche ergeben, kann sich das sogar auf das Mikroklima ganzer Stadtviertel positiv auswirken. Vor allem, wenn diese grünen Inseln in unterschiedlichen Höhen liegen und durch Straßenbäume und kleinere Parks miteinander verbunden werden. Das haben verschiedene Wissenschaftler, unter anderem vom Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin, nachgewiesen. Demnach ist der kühlende Effekt von Parks und Grünflächen in Städten bestenfalls 300 Meter, im Normalfall aber nur 100 Meter weit zu spüren. Von wenigen großen Parks profitieren also nur wenige Anwohner. Gibt es viele kleine Grüninseln von mindestens einem Hektar Größe, kühlt die Wärmeinsel Stadt dagegen großflächig besser ab – allerdings nur, wenn keine Gebäude wie ein Querriegel den kühlenden Luftzug blockieren.

Lieber viele kleine Parks

Viel besser als die bei Stadtplanern beliebten breiten Frischluftschneisen, so die Forscher, sei eine unterschiedlich hohe Bebauung, viele Grünflächen und Parks mit Gruppen von Bäumen und Büschen sowie vielen Wiesen. Der Wind stoße so immer wieder auf Hindernisse, Luftwirbel könnten sich bilden und immer wieder kühle Luft aus der Höhe in Richtung Boden ziehen. So bleibe die Luft in Bewegung und kühle optimal.

Empfehlenswert ist es zudem, mehr offene Wasserflächen anzulegen. Auch sie tragen zur Kühlung der Stadtluft bei und haben eine ausgleichende Wirkung auf die Lufttemperatur in ihrer Umgebung. Denn Wasser erwärmt sich im Vergleich zu Luft nur langsam. Dadurch sind Wasserflächen im Sommer relativ kühl und im Winter relativ warm. Insbesondere Springbrunnen oder andere Wasserzerstäuber tragen besser noch als stehendes Wasser zur Kühlung durch Verdunstung bei.

Dachgarten | Besser als ein großer Park wirken viele kleine Gärten und Grünanlagen dem Hitzeinseleffekt großer Städte entgegen. Platz für Büsche und Wiesen gäbe es auf den zahlreichen Flachdächern zur Genüge.
Wenn es darum geht, den urbanen Hitzeinseleffekt zu minimieren, ist der weiße Anstrich von Dächern also nur eine Idee von vielen. Das von Oleson entwickelte Computermodell aber ist das erste, das eine Simulation der von städtischen Oberflächen absorbierten oder reflektieren Menge an Sonnenlicht erlaubt. Demnach könnte der urbane Hitzeeffekt allein durch weiße Dächer um ein Drittel reduziert werden. Das bedeutet eine durchschnittliche Abkühlung der Städte um rund 0,4 Grad Celsius. Während des Tages und vor allem im Sommer könnten sogar deutlich bessere Werte erzielt werden – für den Großraum New York etwa erträgliche 1,1 Grad Celsius weniger.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.