News: Gehirntypen offenbaren Verwandtschaftsverhältnisse
Sam Wang von der Princeton University und seine Mitarbeiter haben nun einen neuen Weg beschritten. Sie bestimmten die relative Größe von elf einzelnen Hirnregionen in Bezug auf das jeweilige Gesamtorgan und verglichen die Ergebnisse von 75 Arten miteinander. Dabei stellten sie fest, dass sich bestimmte Gruppen unterscheiden lassen, die sie als Cerebrotypen bezeichnen – in Anlehnung an den Phänotyp, das äußere Erscheinungsbild, und den Genotyp, die Gesamtheit der genetischen Information einer Art.
Innerhalb einer taxonomischen Gruppe blieben die Proportionen der einzelnen Hirnregionen zueinander relativ gleich, selbst wenn die absolute Größe des Gehirns stark unterschiedlich war. So grenzen sich beispielsweise die Primaten anhand verschiedener Merkmale deutlich gegenüber anderen Säugetierordnungen ab. Die Neuhirnrinde (Neocortex), zuständig für soziale Interaktionen sowie logisches Denken und andere kognitive Aufgaben, ist im Laufe der Evolution ständig auf Kosten anderer Hirnregionen gewachsen. Und er spiegelt den Stammbaum innerhalb der Primaten wider: Von den Halbaffen – wie Lemuren und Loris – über die Neuwelt- und Altweltaffen bis schließlich zu den Menschenaffen und Menschen nimmt der prozentuale Anteil des Neocortex kontinuierlich zu.
Eine Struktur jedoch behielt in fast allen untersuchten Tieren ihre relative Größe bei: das Kleinhirn. Bei Delphinen, Walen und den Microchiroptera, einer Gruppe von Fledermäusen, ist diese Region jedoch ungewöhnlich umfangreich. Die Forscher erklären die Abweichung damit, dass diese Tiere sich mittels Schallsignalen orientieren – eine Fähigkeit, die aufwändige Rechenarbeit im Gehirn erfordert. Dazu passend ist das Kleinhirn bei den Megachiroptera – Fledermäusen, die keine Echoortung besitzen – nicht vergrößert.
Die Cerebrotypen könnten auch eine neue Möglichkeit bieten, evolutionäre Zusammenhänge aufzudecken. So stimmen die Ergebnisse genetischer Untersuchungen zum Stammbaum der Menschenaffen eher mit den Cerebrotypen überein als mit den Verwandtschaftsverhältnissen anhand der Morphologie von Knochen und Zähnen. Bisher beschäftigten sich Studien zur Gehirnentwicklung und der daraus abzuleitenden Abstammungsgeschichte vor allem damit, die Größe des Organs insgesamt mit der anderer Taxa oder der Körpergröße zu verknüpfen. Doch die daraus resultierenden Ergebnisse blieben umstritten.
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