Artensterben: Droht auch in Afrika eine Geierkrise?
Nachdem in Südasien die Geierbestände in den letzten Jahrzehnten um bis zu 99 Prozent eingebrochen sind, weitet sich das Sterben der Aasfresser in Afrika weiter aus. Bei sieben Arten sei die Population über drei Generationen hinweg um 80 Prozent und mehr zurückgegangen, warnen Ornithologen um Darcy Ogada von den National Museums of Kenya in Nairobi und ihre Kollegen: "Die meisten dieser Arten müssen als akut vom Aussterben bedroht betrachtet werden. Ihr Schwund geht erstaunlich schnell vor sich", äußerte sich dazu Rhys Green von der University of Cambridge gegenüber "Scientific American". Schuld an diesem negativen Trend sind vor allem Vergiftungen: Viele Geier sterben, wenn sie mit Pestiziden versehene Kadaver fressen, die von Viehzüchtern ausgelegt wurden und eigentlich Löwen oder Hyänen treffen sollten. Zunehmend töten jedoch auch Wilderer gezielt die Vögel: Sie wollen verhindern, dass die am Himmel kreisenden Tiere Ranger zu schnell auf abgeschlachtete Elefanten oder Nashörner aufmerksam machen.
Erschwerend kommt hinzu, dass seit einigen Jahren vermehrt das Schmerz- und Entzündungen hemmende Mittel Diclofenac in Afrika in der Viehzucht eingesetzt wird. Fressen Geier Rinder oder Ziegen, die zuvor mit diesem Wirkstoff behandelt worden waren und verendet sind, so erleiden sie schon bei geringen Konzentrationen ein tödliches Nierenversagen. Dabei erfüllen die Vögel eine wichtige ökologische Funktion in Afrika – nicht nur als Verwerter toter Tiere in der Savanne. Schmutzgeier (Neophron percnopterus) beispielsweise entsorgen mehr als ein Fünftel des organischen Mülls im Umfeld von Siedlungen und verringern dadurch das Risiko, dass sich Rattenplagen entwickeln oder bestimmte Hygienekrankheiten ausbreiten. Am stärksten gefährdet soll mittlerweile der Wollkopfgeier (Trigonoceps occipitalis) sein, der im südlichen Afrika ohnehin nur noch nur in kleiner Zahl vorkommt. In Indien sorgte der fast völlige Zusammenbruch der Geierbestände dafür, dass sich die Zahl verwilderter Hunde und damit auch die tödlicher Tollwutfälle vervielfachte: Rund 50 000 Inder sollen pro Jahr an der Krankheit sterben. Die Hunde profitieren von den zahlreichen Kadavern, die nicht mehr von den Geiern gefressen werden.
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