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Tektonik: Geistergebirge ist auferstanden aus Ruinen

Antarktis
Die Gamburtsev-Berge unter dem Ostantarktischen Eisschild sind die Reinkarnation eines viel älteren Höhenzugs. Das geht aus geophysikalischen Daten hervor, die das Team um Fausto Ferraccioli vom British Antarctic Survey während des Projekts Antarctica’s Gamburtsev Province (AGAP) bei Messflügen in der Antarktis sammelte. Demnach entstand vor etwa 1,7 Milliarden Jahren in der heutigen Gamburtsev-Provinz ein Gebirge durch die Kollision mehrerer Mikrokontinente, die heute diesen Bereich der Ostantarktis bilden. Hunderte Millionen Jahre später, im Perm und in der Kreidezeit, reaktivierten kontinentale Grabenbrüche das längst erodierte Gebirge. Durch Hebung der Grabenschultern, den Auftrieb seiner tief in den Mantel ragenden Gebirgswurzel und zusätzliche Entlastung durch Erosion entstand so das Gamburtsev-Gebirge zum zweiten Mal.

Das AGAP-Team | Die britisch-australischen Wissenschaftler sammelten auf systematischen Erkundungsflügen über 12 000 Kilometer Magnetfeld- und Gravitationsdaten.
Die Entstehung des Massivs war bisher rätselhaft, denn Radarmessungen zeigen unter dem Eis ein junges Gebirges mit hohen Gipfeln, steilen Felswänden und tiefen Tälern. Es ähnelt in dieser Hinsicht den Alpen. Doch während die Alpen sich durch die Gewalt zweier kollidierender Kontinente auftürmen, befinden sich die Gamburtsev-Berge an einem Ort, an dem es kein junges Gebirge geben dürfte: Inmitten uralter Kratone, den archaischen Kernen der modernen Kontinente, und den lang erodierten Gebirgsgürteln ihrer Kollisionen im Erdaltertum.

Hinweise auf die Ursache der ungewöhnlichen Gebirgsbildung geben Magnetometerdaten und lokale Gravitationsanomalien. Sie zeigen: Das Gebirge wird an drei Seiten von einem System aus kontinentalen Grabenbrüchen begrenzt, das mit etwa 2500 Kilometern Länge mit dem Ostafrikanischen Graben vergleichbar ist. Außerdem offenbaren die Daten, dass die Erdkruste unter den Gamburtsev-Bergen außergewöhnlich dick ist. Daraus leiten die Geologen ab, dass drei Faktoren dafür verantwortlich zeichnen, damit dort ein neues Gebirge entstand.

Unter dem Eis | Dreidimensionale Ansicht der Topografie und Unterkruste der Gamburtsev-Berge. Man erkennt die besonders dicke Kruste unter den Bergen selbst sowie die dünneren Bereiche unter den Senkungsgräben.
Im Zeitraum von 250 bis 100 Millionen Jahren vor heute bildete sich in der Antarktis ein System von Grabenbrüchen, tektonischen Senkungszonen, die heute bis zwei Kilometer unter dem Meeresspiegel eingetieft sind. Parallel zur Senkung hoben sich die umgebenden Blöcke, darunter die Gamburtsev-Provinz. Dieser Effekt verstärkte sich durch das uralte Erbe der Region, nämlich die tief reichenden Wurzeln eines lang verwitterten Gebirges am gleichen Ort. Ihr isostatischer Auftrieb gegenüber dem umgebenden Mantel verstärkte die Hebungstendenz während der Grabenbildung.

Die entstehenden Höhenunterschiede taten ein Übriges: Wind und Regen trugen nach und nach Milliarden Tonnen Gestein ab und schnitten tiefe Täler in die Landschaft, und die entlastete Kruste hob sich weiter empor, so dass die Gipfel bald tausende Meter Höhe erreichten. Sie sollten bald eine entscheidende Rolle für die weitere Entwicklung des Kontinents spielen: Computermodelle des antarktischen Eisschilds legen nahe, dass die Gamburtsev-Berge mit ihrer Höhe von bis zu 3000 Metern über dem Meeresspiegel der Ausgangspunkt für die antarktische Vereisung waren, die vor etwa 34 Millionen Jahren begann. (lf)
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