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Evolution: Geknebelter Killer

Wolbachia-Bakterien reißen riesige Lücken in die Männchen-Schar zahlreicher Gliederfüßer. Widerstand scheint selten oder zwecklos. Aber es gibt auch Erfolge.
<i>Hypolimnas-bolina</i>-Männchen
Söhne sind ein seltenes Glück für Edelfalter der Art Hypolimnas bolina – zumindest wenn sie in Polynesien leben. Gar oft haben sich Wolbachia-Bakterien in einem Weibchen eingenistet und sorgen für den sicheren Tod männlichen Nachwuchses noch im Mutterleib. Die Folge: Der Falter legt nur noch Eier, aus denen Töchter schlüpfen. Das Geschlechterverhältnis verliert jegliche Balance.

Südostasiatische Artgenossinnen kennen das Problem nicht. Obwohl ebenfalls von Wolbachia geplagt, bringen die Schmetterlinge hier Jungs und Mädels in ausgewogenem Verhältnis zur Welt. Und nicht nur Mütter, auch Männchen scheinen völlig ungerührt vom bakteriellen Untermieter, der in so mancher Population offenbar wirkungslos sein Dasein fristet. Ist der Killer handzahm geworden? Oder haben die Schmetterlinge eine Methode gefunden, ihn in Schach zu halten?

Hypolimnas-bolina-Weibchen | Ein Weibchen der Edelfalter-Art Hypolimnas bolina: Ob sie männlichen Nachwuchs bekommt, hängt von ihrer Heimat ab. In manchen Regionen ist es den Schmetterlingen gelungen, ihre parasitären Wolbachia-Untermieter, die männliche Embryonen absterben lassen, in den Griff zu bekommen.
Emily Hornett vom University College in London und ihre Kollegen machten die Probe aufs Exempel, indem sie polynesische Weibchen, Trägerinnen männerkillender Untermieter, mit südostasiatischen Männchen paarten. Und siehe da: Plötzlich gab es Söhne – nicht etwa vereinzelt, sondern schön halbe-halbe mit Töchtern. Kreuzten sie letztere allerdings mit polynesischen Faltervätern, blieb der männliche Nachwuchs schon nach zwei Generationen nahezu komplett wieder auf der Strecke.

Umgekehrt – südostasiatische Mutter und polynesischer Vater – waren die Aussichten für Jungs kaum besser. Legten die weiblichen Falter in ihrer natürlichen Heimat durchaus Eier mit männlichem Nachwuchs, ging dessen Anteil nun bei den fremden Samenspendern sehr schnell deutlich zurück. Und schon nach wenigen Generationen lag das Geschlechterverhältnis durch Wolbachia-bedingten Männermord ähnlich schief wie das in Polynesien.

"Der Männermord in dieser Spezies wird innerhalb eines Menschenlebens enden"
(Hornett et al.)
Offensichtlich haben die südostasiatischen Falterpopulationen einen Weg gefunden, ihren unerwünschten Untermieter zumindest ruhig zu stellen – ganz los wurden sie ihn nicht, wie die Rückkreuzungsexperimente zeigen. Die Kontrolle über Leben und Tod sehen Hornett und ihre Mitarbeiter dabei im Embryo selbst: Je nach genetischer Ausstattung gelingt es ihm, dem von Muttern übertragenen Killer zu entgehen oder nicht. Diese lebensrettende Veränderung ist im Erbgang zudem dominant, sonst würde sie sich nicht so schnell etablieren.

Und schnell geht es wirklich, das demonstrieren nicht nur die Laborexperimente. In der Fachliteratur finden sich noch in den sechziger und siebziger Jahren Hinweise auf aktive Männerunterdrückung durch Wolbachia in den nun davon verschonten Gebieten. Simulationen der Forscher zufolge, kann sich die Resistenz in weniger als hundert Generationen durchsetzen. "Der Männermord in dieser Spezies wird innerhalb eines Menschenlebens enden", sind sich die Wissenschaftler daher auch für Polynesien sicher. Zumindest solange Wolbachia nicht zu neuen Waffen greift.

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