Alterungsmedizin: Geld oder Leben!
Ob es sie jemals geben wird, die Therapie gegen das Altern, steht noch in den Sternen. Aber eines steht jetzt schon fest: Wenn es sie gibt, wird sie nicht billig sein, denn das Altern ist ein komplexer Prozess. Wem wird sie zugänglich sein? Alterungsprävention wird ein Luxusprodukt, das für den Normalbürger unbezahlbar bleibt.
Der Traum von einem Lebenselixier, das für immer jung hält, ist so alt wie die griechische Mythologie und so neu wie die Zauberwelt von Harry Potter. Zwar ist die Lebenserwartung heute schon viel höher als noch vor 50 Jahren, weil viele Krankheiten geheilt werden können, aber der Alterungsprozess an sich ist bisher nicht aufzuhalten. Altern ist ein Schicksal, das jeden betrifft. So manch ein Mediziner oder Forscher – ebenfalls betroffen – mag das nicht mehr mit ansehen. Eine Anti-Aging-Bewegung ist entstanden, deren Vertreter das Problem bei der Wurzel packen wollen – sie sehen altersbedingte Krankheiten wie Krebs, Alzheimer-Demenz oder Herzversagen als Symptome des Alterungsprozesses, den es zu bekämpfen gilt. Bekäme man das Altern in den Griff, so würden solche Krankheiten gar nicht erst eintreten.
Alterungsprozesse verstehen wir gemeinhin als etwas Unumgängliches. So wie Häuser oder Brücken verfallen, so wie ein Auto irgendwann nicht mehr läuft, so funktionieren eben auch wir Menschen irgendwann nicht mehr. Die Zellen altern, die Telomere an den Chromosomenenden verkürzen sich, die DNA akkumuliert Mutationen, Gewebe sterben ab, sodass Organe nicht mehr funktionieren. Aber ein bisschen anders ist es beim Menschen schon als beim Auto: Der Körper hat eigene Reparaturmechanismen. Ständig werden alte Gewebe ersetzt (wenn auch nicht alle), kaputte DNA-Stücke repariert und Telomere verlängert.
Auto-Mechaniker
Will man dem Alterungsprozess entgegenwirken, so gilt es diese Schutzmechanismen anzukurbeln. In genetisch veränderten Versuchstieren gelingt das auch schon. Es gibt mittlerweile einen ganzen Zoo von Langlebigkeitsmutanten, bei denen biochemische Signalwege verändert wurden, die zelluläre Reparaturmechanismen regulieren. Und so lässt sich vermuten, dass auch beim Menschen ein Eingriff in solche Signalwege den Alterungsprozess verlangsamen könnte – zumindest theoretisch.
Bis zu einer Therapie gegen das Altern – falls diese überhaupt je entwickelt wird – ist es jedoch noch ein weiter und teurer Weg. Jeder medikamentöse Eingriff in biochemische Signalewege stört ein kapriziöses Gleichgewicht, jedes Medikament gegen das Altern wird entsprechende Nebenwirkungen haben. Die Vorteile und Nachteile müssten in klinischen Tests genau gegeneinander aufgewogen werden – ein extrem langwieriger Prozess, denn schließlich geht es darum zu beweisen, dass eine Therapie das Leben verlängert.
Methusalem-Fantasien
So zum Beispiel der selbst ernannte Bio-Gerontologe Aubrey de Grey. Wenn einmal die Fortschritte in der Verjüngungsmedizin schneller voranschreiten als der Alterungsprozess selbst, haben wir den Status der Unsterblichkeit erreicht, so rechnet er. "Wenn ich 110 werde, schätze ich, dass ich zumindest eine 50:50-Chance habe, auch 1000 und höchstwahrscheinlich noch viel älter zu werden", so de Grey gegenüber der Zeitschrift New Scientist im April 2005. Dabei grenzen gerade seine Vorstellungen schon an Voodoo. Eine einzige Maßnahme wird nicht reichen, um Unsterblichkeit zu erlangen, meint de Grey, womit er wohl Recht hat. Mit sieben Methoden will er dem Alterungsprozess die Stirn bieten. Sie reichen bis hin zu der Idee, Menschen genetisch so zu verändern, dass alle Körperzellen absterben, bevor sie erkranken können und sie dann regelmäßig durch frische Stammzellen zu ersetzen. Über mögliche Kosten redet de Grey weniger detailliert.
Langes Leben ist ein Luxusprodukt. Schon heute haben Kinder in Japan eine Lebenserwartung von rund 80 Jahren, in Zimbabwe werden sie im Durchschnitt nur halb so alt. Aber auch innerhalb der Industrieländer ist Lebenserwartung nicht gerecht verteilt. Fährt man mit der U-Bahn in Washington DC vom Südostende der Innenstadt nach Montgomery County in Maryland, steigt die Lebenserwartung mit jeder Meile, die man zurücklegt, um etwa 1,5 Jahre – so schreibt Michael Marmot in seinem Buch "The Status Syndrome". Wenn die Medizin einmal direkt in den Alterungsprozess wird eingreifen können, wird sich das Ungleichgewicht noch verstärken – selbst wenn die Zukunft nicht ganz so futuristisch aussieht, wie de Grey sich das vorstellt.
Das Alter abschminken
Wer auf eine Zukunft à la de Grey nicht mehr warten mag, für den gibt es auch heute schon einen breiten Markt an Anti-Aging-Produkten. Von der Anti-Falten-Creme über das Haarwuchsmittel bis hin zu Lebensmittelzusatzstoffen, die angeblich das Leben verlängern, kann man alles kaufen und in der Regel für stattliche Preise. Das meiste davon ist medizinisch nicht getestet. Dass die Menschen dennoch bereit sind, dafür Geld auszugeben, zeigt, wie sehr sie sich wünschen, dem Alterungsprozess zu entfliehen.
Derzeit boomt in den USA ein Markt an privatfinanzierter Anti-Aging-Medizin. Der "American Academy of Anti-Aging Medicine" (A4M) gehören über tausend Ärzte und knapp hundert Kliniken an. Laut einer Studie von Courtney Everts Mykytyn an der Universität von Südkalifornien haben sich viele dieser Ärzte der Anti-Aging-Medizin zugewandt, weil sie frustriert waren von einem Gesundheitssystem, in dem sie für den einzelnen Patienten keine Zeit haben und der finanzielle Rahmen Behandlungsmöglichkeiten stark einschränkt. Jetzt bedienen sie Privatpatienten, entwickeln mit ihnen in langen Sitzungen ein individuelles Anti-Aging-Programm und sind den Krankenkassen über die Kosten keine Rechenschaft schuldig. Sie verkaufen ein Luxusprodukt. Damit ändern sie natürlich nichts an dem System, sie ziehen sich lediglich in eine Nische zurück. Viele von ihnen glauben, die Medizin revolutionieren und das ewige Leben schaffen zu können.
Auch wenn auf dem heutigen Markt der Alterungsmedizin viele Produkte von fragwürdigem medizinischen Nutzen sind und etliche Zukunftsvisionen unrealistisch erscheinen, heißt das noch lange nicht, dass eine Lebensverlängerung unmöglich ist. Aber in jedem Falle wären entsprechende Maßnahmen mit erheblichen Kosten verbunden und deshalb nicht jedem zugänglich. Die meisten Länder dieser Welt haben andere Sorgen, aber auch in den "Erste-Welt-Ländern" wäre eine Lebensverlängerungstherapie ökonomisch kaum tragbar. Die gesetzlichen Krankenkassen sind mit der Finanzierung der Krankheitsbekämpfung reichlich ausgelastet und könnten Luxus einer Alterungspräventionstherapie nicht bezahlen. Die Reichen können sich Lebensjahre dazukaufen, die Armen werden nur behandelt, wenn sie schon krank sind.
Es ist nicht gesagt, dass eine Gesellschaft, in der die Menschen 100 Jahre alt oder noch viel älter werden, nicht funktionieren könnte. Schließlich werden wir heute auch doppelt so alt wie die alten Römer, und die Lebensqualität ist dadurch nicht gesunken. Die Gefahr aber besteht, dass eine Anti-Aging-Medizin nicht der Gesellschaft als Ganzes zu Gute kommt, sondern nur einer kleinen Gruppe. Es gibt noch viel zu tun in der Altersforschung – sowohl medizinisch als auch sozialpolitisch.
Alterungsprozesse verstehen wir gemeinhin als etwas Unumgängliches. So wie Häuser oder Brücken verfallen, so wie ein Auto irgendwann nicht mehr läuft, so funktionieren eben auch wir Menschen irgendwann nicht mehr. Die Zellen altern, die Telomere an den Chromosomenenden verkürzen sich, die DNA akkumuliert Mutationen, Gewebe sterben ab, sodass Organe nicht mehr funktionieren. Aber ein bisschen anders ist es beim Menschen schon als beim Auto: Der Körper hat eigene Reparaturmechanismen. Ständig werden alte Gewebe ersetzt (wenn auch nicht alle), kaputte DNA-Stücke repariert und Telomere verlängert.
Auto-Mechaniker
Will man dem Alterungsprozess entgegenwirken, so gilt es diese Schutzmechanismen anzukurbeln. In genetisch veränderten Versuchstieren gelingt das auch schon. Es gibt mittlerweile einen ganzen Zoo von Langlebigkeitsmutanten, bei denen biochemische Signalwege verändert wurden, die zelluläre Reparaturmechanismen regulieren. Und so lässt sich vermuten, dass auch beim Menschen ein Eingriff in solche Signalwege den Alterungsprozess verlangsamen könnte – zumindest theoretisch.
Bis zu einer Therapie gegen das Altern – falls diese überhaupt je entwickelt wird – ist es jedoch noch ein weiter und teurer Weg. Jeder medikamentöse Eingriff in biochemische Signalewege stört ein kapriziöses Gleichgewicht, jedes Medikament gegen das Altern wird entsprechende Nebenwirkungen haben. Die Vorteile und Nachteile müssten in klinischen Tests genau gegeneinander aufgewogen werden – ein extrem langwieriger Prozess, denn schließlich geht es darum zu beweisen, dass eine Therapie das Leben verlängert.
"Wenn ich 110 Jahre alt werde, stehen die Chancen schätzungsweise 50:50, auch 1000 und noch viel älter zu werden"
(Aubrey de Grey)
Ob, wann, und um wie viele Jahre die Medizin das menschliche Leben wird verlängern können, darüber streiten sich die Geister. So lange irgendeine Hoffnung besteht, wird eifrig an der Lebensverlängerung geforscht. Ein pharmakologischer Eingriff in die Regelung von Reparaturmechanismen ist dabei allerdings nicht der einzige Ansatzpunkt. Anti-Aging-Maßnahmen reichen von dem einfachen Ratschlag, Sport zu treiben oder Diät zu halten, über umstrittene Anwendungen wie Hormonersatztherapie bis hin zu eher noch in der Zukunft liegenden Maßnahmen der Stammzelltherapie, um kranke Organe zu ersetzen. Eine breite Anti-Aging-Bewegung manifestiert sich vor allem in den USA in Organisationen mit Namen wie "Methuselah Foundation" oder "Immortality Institute", die Forschung fördern, Konferenzen organisieren und Zeitschriften herausgeben. Optimisten sehen die Unsterblichkeit schon in greifbarer Nähe, und kein Ansatz ist ihnen zu gewagt oder auch einfach nur zu teuer.(Aubrey de Grey)
Methusalem-Fantasien
So zum Beispiel der selbst ernannte Bio-Gerontologe Aubrey de Grey. Wenn einmal die Fortschritte in der Verjüngungsmedizin schneller voranschreiten als der Alterungsprozess selbst, haben wir den Status der Unsterblichkeit erreicht, so rechnet er. "Wenn ich 110 werde, schätze ich, dass ich zumindest eine 50:50-Chance habe, auch 1000 und höchstwahrscheinlich noch viel älter zu werden", so de Grey gegenüber der Zeitschrift New Scientist im April 2005. Dabei grenzen gerade seine Vorstellungen schon an Voodoo. Eine einzige Maßnahme wird nicht reichen, um Unsterblichkeit zu erlangen, meint de Grey, womit er wohl Recht hat. Mit sieben Methoden will er dem Alterungsprozess die Stirn bieten. Sie reichen bis hin zu der Idee, Menschen genetisch so zu verändern, dass alle Körperzellen absterben, bevor sie erkranken können und sie dann regelmäßig durch frische Stammzellen zu ersetzen. Über mögliche Kosten redet de Grey weniger detailliert.
Langes Leben ist ein Luxusprodukt. Schon heute haben Kinder in Japan eine Lebenserwartung von rund 80 Jahren, in Zimbabwe werden sie im Durchschnitt nur halb so alt. Aber auch innerhalb der Industrieländer ist Lebenserwartung nicht gerecht verteilt. Fährt man mit der U-Bahn in Washington DC vom Südostende der Innenstadt nach Montgomery County in Maryland, steigt die Lebenserwartung mit jeder Meile, die man zurücklegt, um etwa 1,5 Jahre – so schreibt Michael Marmot in seinem Buch "The Status Syndrome". Wenn die Medizin einmal direkt in den Alterungsprozess wird eingreifen können, wird sich das Ungleichgewicht noch verstärken – selbst wenn die Zukunft nicht ganz so futuristisch aussieht, wie de Grey sich das vorstellt.
Das Alter abschminken
Wer auf eine Zukunft à la de Grey nicht mehr warten mag, für den gibt es auch heute schon einen breiten Markt an Anti-Aging-Produkten. Von der Anti-Falten-Creme über das Haarwuchsmittel bis hin zu Lebensmittelzusatzstoffen, die angeblich das Leben verlängern, kann man alles kaufen und in der Regel für stattliche Preise. Das meiste davon ist medizinisch nicht getestet. Dass die Menschen dennoch bereit sind, dafür Geld auszugeben, zeigt, wie sehr sie sich wünschen, dem Alterungsprozess zu entfliehen.
Derzeit boomt in den USA ein Markt an privatfinanzierter Anti-Aging-Medizin. Der "American Academy of Anti-Aging Medicine" (A4M) gehören über tausend Ärzte und knapp hundert Kliniken an. Laut einer Studie von Courtney Everts Mykytyn an der Universität von Südkalifornien haben sich viele dieser Ärzte der Anti-Aging-Medizin zugewandt, weil sie frustriert waren von einem Gesundheitssystem, in dem sie für den einzelnen Patienten keine Zeit haben und der finanzielle Rahmen Behandlungsmöglichkeiten stark einschränkt. Jetzt bedienen sie Privatpatienten, entwickeln mit ihnen in langen Sitzungen ein individuelles Anti-Aging-Programm und sind den Krankenkassen über die Kosten keine Rechenschaft schuldig. Sie verkaufen ein Luxusprodukt. Damit ändern sie natürlich nichts an dem System, sie ziehen sich lediglich in eine Nische zurück. Viele von ihnen glauben, die Medizin revolutionieren und das ewige Leben schaffen zu können.
Auch wenn auf dem heutigen Markt der Alterungsmedizin viele Produkte von fragwürdigem medizinischen Nutzen sind und etliche Zukunftsvisionen unrealistisch erscheinen, heißt das noch lange nicht, dass eine Lebensverlängerung unmöglich ist. Aber in jedem Falle wären entsprechende Maßnahmen mit erheblichen Kosten verbunden und deshalb nicht jedem zugänglich. Die meisten Länder dieser Welt haben andere Sorgen, aber auch in den "Erste-Welt-Ländern" wäre eine Lebensverlängerungstherapie ökonomisch kaum tragbar. Die gesetzlichen Krankenkassen sind mit der Finanzierung der Krankheitsbekämpfung reichlich ausgelastet und könnten Luxus einer Alterungspräventionstherapie nicht bezahlen. Die Reichen können sich Lebensjahre dazukaufen, die Armen werden nur behandelt, wenn sie schon krank sind.
Es ist nicht gesagt, dass eine Gesellschaft, in der die Menschen 100 Jahre alt oder noch viel älter werden, nicht funktionieren könnte. Schließlich werden wir heute auch doppelt so alt wie die alten Römer, und die Lebensqualität ist dadurch nicht gesunken. Die Gefahr aber besteht, dass eine Anti-Aging-Medizin nicht der Gesellschaft als Ganzes zu Gute kommt, sondern nur einer kleinen Gruppe. Es gibt noch viel zu tun in der Altersforschung – sowohl medizinisch als auch sozialpolitisch.
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