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News: Geliebte Extremisten

Finkenmännchen haben es schwer. Die Weibchen sind sehr wählerisch und nehmen nicht jeden 'Dahergeflogenen'. Die Junggesellen müssen schon ein prachtvolles Gefieder aufweisen, um von der Angebeteten erhört zu werden. Schlechte Karten für blasse Jungs? Das scheint nicht so zu sein. Die Damenwelt bevorzugt vielmehr die Extremisten - die buntesten und die unauffälligsten - und verschmäht das Mittelmaß.
Das "schöne Geschlecht" der Singvögel ist das Männchen. Mit seinem prachtvollen, bunten Gefieder lockt es die meist eher blass gefärbten Weibchen an – so auch beim Lazulifinken (Passerina amoena), der im westlichen Nordamerika lebt. Die natürliche Selektion sollte daher besonders bunt gefärbte Finkenmännchen bevorzugen. Dies ist bei mehrjährigen, ausgewachsenen Tieren auch der Fall, Männchen mit mattem Gefieder kommen fast nicht vor. Einjährige "Jünglinge", die zum ersten Mal auf Partnersuche gehen, zeigen jedoch eine große Variationsbreite in der Farbe ihres Gefieders, von strahlend türkis bis matt braun. Wieso hat die Selektion matt gefärbte Männchen nicht schon längst ausgemerzt?

Dieser Frage gingen Erick Greene und seine Mitarbeiter von der University of Montana in Missoula auf den Grund. Sie entdeckten, dass der Bruterfolg der einjährigen Männchen – im Gegensatz zu ihren ausgewachsenen Kollegen – nicht mit der Farbintensität ihres Gefieders ansteigt (Nature vom 26. Oktober 2000). Wie die Adulten haben stark gefärbte Einjährige einen hohen Bruterfolg. Ihre matten Geschlechtsgenossen sind jedoch überraschenderweise ebenfalls sehr begehrt, während die mittelmäßig gefärbten am schlechtesten abschneiden. Hier liegt offenbar ein seltenes Beispiel für eine disruptive Selektion vor, bei der die Natur die beiden Extreme eines Merkmales gegenüber dem dazwischen liegenden Erscheinungsbild bevorzugt.

Entscheidend für den Bruterfolg der Männchen ist die Auswahl ihres Reviers. Weibchen bevorzugen buschreiche Gebiete mit vielen Brutmöglichkeiten. Männchen, die solche Territorien anbieten können – und das sind bei den Einjährigen wiederum die besonders matt und besonders bunt gefärbten – haben Erfolg, während diejenigen mit mittlerer Färbung auf vegetationsärmere Areale ausweichen müssen – mit entsprechendem Misserfolg. Die Männchen müssen also gute Plätze erobern und gegen Konkurrenten verteidigen können. Es zeigte sich nun, dass die Agressivität der Männchen mit ihrer Gefiederfärbung wächst. Stark gefärbte einjährige Finkenmännchen können sich gegenüber ausgewachsenen Tieren behaupten und somit gute, buschreiche Revierplätze erobern. Ihre blassen Kollegen dagegen, so glauben die Wissenschaftler, werden von den Älteren nicht attackiert, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft geduldet. Damit können auch sie erfolgreich ein Weibchen finden. Die mittelmäßig gefärbten Finken sind zu bunt, um von den Alteingesessenen geduldet zu werden, aber nicht aggressiv genug, um ein gutes Revier zu erobern.

Doch warum tolerieren erwachsene Männchen die blassen Jünglinge in ihrer Nachbarschaft? Die Möglichkeit, dass die Männchen ihre blassen Geschlechtsgenossen schlichtweg mit Weibchen verwechseln ("Weibchen-Mimikry") schließt Greene aus. Er geht vielmehr davon aus, dass hier eine Männchen-Männchen-Kooperation vorliegt, mit Vorteilen für beide Seiten. Zunächst fungieren die blassen Männchen als "Puffer" gegenüber gefärbten Tieren, die von den Weibchen bevorzugt wären. Des Weiteren "wildern" die ausgewachsenen Männchen gelegentlich im Revier ihres Nachbarn. Genetische Untersuchungen des Nachwuchses der matt gefärbten Einjährigen zeigten, dass sein dominanter Nachbar hier mitunter "fremdgegangen" ist. Der Fortpflanzungserfolg des erwachsenen Finken steigt also, wenn es einen schwachen Artgenossen zum Nachbarn hat. Dieses wiederum profitiert von der Akzeptanz des Nachbarn, indem es überhaupt die Chance auf Nachwuchs hat. "Die Kooperation mit adulten Männchen", so Greene, "ermöglicht den mattesten Einjährigen, das Beste aus einer schlechten Situation zu machen."

Siehe auch

  • Quellen

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