News: Gemeinsames Zappeln für Bindungsscheue
Bei extrem tiefen Temperaturen rücken selbst Atome zum gemeinsamen Tanz zusammen. Manche, von Natur aus nicht kontaktscheu, feiern eine große gemeinsame Party, während sich andere nur mit Partner aufs Parkett trauen. Eine dritte Gruppe bevorzugt zwar auch den Tanz zu zweit, knüpft dabei jedoch nur zarte Bande.
Jeden Sonntagabend war Tanzen angesagt. Schließlich galt es, die mühevoll gelernten Schritte von Rumba, Walzer und Co auch unter realen Bedingungen auszuprobieren. Dabei teilten sich die bewegungswilligen Jugendlichen in der heimischen Tanzschule grob in zwei Gruppen: diejenigen, die wirklich ernsthaft mit Partner und Anfassen die Tanzfläche unsicher machen wollten, und diejenigen, die lieber in der großen Gruppe gemeinsam zu den Takten zappelten.
Atome sind diesbezüglich in ihrem Verhalten gar nicht so unähnlich. Von ihnen gibt es auch zwei Sorten: die Einzelgänger und die Herdenteilchen. Erstere heißen eigentlich Fermionen, das sind Teilchen, denen die Regeln der Physik es nicht erlauben, in allen ihren Eigenschaften übereinzustimmen, gewissermaßen dem Mainstream zu folgen. Man findet sich allerhöchstens noch mit einem Partner anderen Spins zusammen – mehr nicht. Ganz anders die zweite Teilchensorte, die Bosonen, sie lieben Geselligkeit und können nicht genug davon bekommen. So wundert es auch nicht, dass sie bei tiefen Temperaturen allesamt in einem gemeinsamen Zustand kondensieren und sich fortan wie ein Superatom verhalten – gleichsam eine Meute Jugendlicher in ihren rhythmischen Zuckungen vereint.
Diesen Gruppenzwang der Bosonen sagten in den zwanziger Jahren bereits der indische Physiker Satyendra Nath Bose und sein deutscher Kollege Albert Einstein voraus. Erst Anfang der Neunziger gelang es jedoch einer Gruppe von Physikern vom National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder und vom Massachusetts Institute of Technology, ein solches Bose-Einstein-Kondensat zu erzeugen. Der Grund für die späte Bestätigung: Es sind äußerst tiefe Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt nötig, damit die Bosonen ihre Eigenständigkeit aufgeben und als großes Ganzes fortbestehen.
Aber nicht nur Bosonen lassen sich zum großen Tanz überreden, auch mit Fermionen geht das. Allerdings müssen sie dazu erst zu Paaren zusammenfinden. Denn dabei addiert sich eine quantenmechanische Eigenschaft der Teilchen, die maßgeblich für ihren Charakter verantwortlich ist: der Spin. Dieser anschaulich als Teilchen-Pirouette aufzufassende Wert kann gemäß den Gesetzen der Quantenmechanik halbzahlige und ganzzahlige Werte annehmen. Fermionen tragen stets einen halbzahligen Spin, Bosonen besitzen den ganzzahligen Wert. Gehen also zwei fermionische Atome miteinander eine Bindung ein, dann entsteht ein bosonisches Molekül mit ganzzahligem Spin, das bei tiefen Temperaturen zusammen mit anderen in einem gemeinsamen Zustand kondensieren kann.
Auch dieser Nachweis gelang bereits – und zwar vor gar nicht so langer Zeit: Im November 2003 erzeugten gleich zwei Gruppen ein molekulares Bose-Einstein-Kondensat. Zunächst schafften es die Physiker an der Universität Innsbruck mit Lithium-Atomen, kurz danach präsentierten ihre Kollegen vom NIST Ergebnisse an Kalium. Und einmal mehr schlagen nun die Forscher aus Boulder zu: ein fermionisches Kondensat wollen sie geschaffen haben. Was ist das nun wieder?
Im Grunde ist es ein Kondensat etwas bindungsscheuer Fermionen. Zurück zu Tanzschulzeiten: Während hier manches Tanzpaar den langsamen engen Tanz mit schmachtendem Blick in die Augen des Gegenübers bevorzugte, waren andere eher für den schnellen weitgreifenden Schritt zu haben; die Bande waren hier nicht so eng geknüpft. Für Atome heißt das: Sie bewegen sich zwar in aufeinander abgestimmter Art und Weise, gehen jedoch keine feste Bindung ein, bilden also keine Moleküle – diese dritte Form der Kondensation war es, welche die Forscher in Boulder am 16. Dezember letzten Jahres zum ersten Mal beobachteten.
Dazu mussten 500 000 Kalium-Atome auf eine Temperatur von gerade einmal 50 Nanokelvin abgekühlt werden. Ein Magnetfeld übernahm den Part der Kapelle und bat die Atome zum gemeinsamen Tanz. Das Feld war jedoch im Vergleich zu den Experimenten vom November nur für einen Augenblick eingestellt, sodass kein Bose-Einstein-Kondensat aus Molekülen in der Kürze der Zeit entstehen konnte. Trotzdem zeigte sich in Aufnahmen der Kalium-Gases die charakteristische Form einer Kondensatwolke.
"Es passiert zu schnell, als dass sich irgendetwas bewegen könnte", erklärt Deborah Jin vom NIST. "Das Kondensat, das in unserem 'Schnappschuss' des Gases erscheint, muss existiert haben, bevor sich Moleküle formen konnten." Und auch hier muss wieder der Vergleich mit Tänzern herhalten: Wenn die Band schnelle Musik spielt – in Analogie zum schnellen Schalten des Magnetfelds –, finden die Partner zwar zum Tanz zusammen, jedoch zu einem eher weitgreifenden Discofox. Wird die Musik jedoch langsamer, dann rücken die Paare enger aneinander und "binden" sich. Ein Schnappschuss hält dann zwar die eng umschlungenen Tänzer fest, doch die Anordnung der Paare war schon vorher festgelegt, als die Paare zueinander fanden.
Und was lässt sich nun mit diesen fermionischen Kondensaten anfangen? Jin dazu: "Sie eröffnen neue aufregende Möglichkeiten, Phänomene wie die Supraleitung und Superfluidität unter extremen Bedingungen zu untersuchen." In der Tat, schließlich müssen auch bei diesen physikalischen Erscheinungen Fermionen zueinander finden. Warten wir's ab, welche "aufregenden" Tänze uns noch bevorstehen.
Atome sind diesbezüglich in ihrem Verhalten gar nicht so unähnlich. Von ihnen gibt es auch zwei Sorten: die Einzelgänger und die Herdenteilchen. Erstere heißen eigentlich Fermionen, das sind Teilchen, denen die Regeln der Physik es nicht erlauben, in allen ihren Eigenschaften übereinzustimmen, gewissermaßen dem Mainstream zu folgen. Man findet sich allerhöchstens noch mit einem Partner anderen Spins zusammen – mehr nicht. Ganz anders die zweite Teilchensorte, die Bosonen, sie lieben Geselligkeit und können nicht genug davon bekommen. So wundert es auch nicht, dass sie bei tiefen Temperaturen allesamt in einem gemeinsamen Zustand kondensieren und sich fortan wie ein Superatom verhalten – gleichsam eine Meute Jugendlicher in ihren rhythmischen Zuckungen vereint.
Diesen Gruppenzwang der Bosonen sagten in den zwanziger Jahren bereits der indische Physiker Satyendra Nath Bose und sein deutscher Kollege Albert Einstein voraus. Erst Anfang der Neunziger gelang es jedoch einer Gruppe von Physikern vom National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder und vom Massachusetts Institute of Technology, ein solches Bose-Einstein-Kondensat zu erzeugen. Der Grund für die späte Bestätigung: Es sind äußerst tiefe Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt nötig, damit die Bosonen ihre Eigenständigkeit aufgeben und als großes Ganzes fortbestehen.
Aber nicht nur Bosonen lassen sich zum großen Tanz überreden, auch mit Fermionen geht das. Allerdings müssen sie dazu erst zu Paaren zusammenfinden. Denn dabei addiert sich eine quantenmechanische Eigenschaft der Teilchen, die maßgeblich für ihren Charakter verantwortlich ist: der Spin. Dieser anschaulich als Teilchen-Pirouette aufzufassende Wert kann gemäß den Gesetzen der Quantenmechanik halbzahlige und ganzzahlige Werte annehmen. Fermionen tragen stets einen halbzahligen Spin, Bosonen besitzen den ganzzahligen Wert. Gehen also zwei fermionische Atome miteinander eine Bindung ein, dann entsteht ein bosonisches Molekül mit ganzzahligem Spin, das bei tiefen Temperaturen zusammen mit anderen in einem gemeinsamen Zustand kondensieren kann.
Auch dieser Nachweis gelang bereits – und zwar vor gar nicht so langer Zeit: Im November 2003 erzeugten gleich zwei Gruppen ein molekulares Bose-Einstein-Kondensat. Zunächst schafften es die Physiker an der Universität Innsbruck mit Lithium-Atomen, kurz danach präsentierten ihre Kollegen vom NIST Ergebnisse an Kalium. Und einmal mehr schlagen nun die Forscher aus Boulder zu: ein fermionisches Kondensat wollen sie geschaffen haben. Was ist das nun wieder?
Im Grunde ist es ein Kondensat etwas bindungsscheuer Fermionen. Zurück zu Tanzschulzeiten: Während hier manches Tanzpaar den langsamen engen Tanz mit schmachtendem Blick in die Augen des Gegenübers bevorzugte, waren andere eher für den schnellen weitgreifenden Schritt zu haben; die Bande waren hier nicht so eng geknüpft. Für Atome heißt das: Sie bewegen sich zwar in aufeinander abgestimmter Art und Weise, gehen jedoch keine feste Bindung ein, bilden also keine Moleküle – diese dritte Form der Kondensation war es, welche die Forscher in Boulder am 16. Dezember letzten Jahres zum ersten Mal beobachteten.
Dazu mussten 500 000 Kalium-Atome auf eine Temperatur von gerade einmal 50 Nanokelvin abgekühlt werden. Ein Magnetfeld übernahm den Part der Kapelle und bat die Atome zum gemeinsamen Tanz. Das Feld war jedoch im Vergleich zu den Experimenten vom November nur für einen Augenblick eingestellt, sodass kein Bose-Einstein-Kondensat aus Molekülen in der Kürze der Zeit entstehen konnte. Trotzdem zeigte sich in Aufnahmen der Kalium-Gases die charakteristische Form einer Kondensatwolke.
"Es passiert zu schnell, als dass sich irgendetwas bewegen könnte", erklärt Deborah Jin vom NIST. "Das Kondensat, das in unserem 'Schnappschuss' des Gases erscheint, muss existiert haben, bevor sich Moleküle formen konnten." Und auch hier muss wieder der Vergleich mit Tänzern herhalten: Wenn die Band schnelle Musik spielt – in Analogie zum schnellen Schalten des Magnetfelds –, finden die Partner zwar zum Tanz zusammen, jedoch zu einem eher weitgreifenden Discofox. Wird die Musik jedoch langsamer, dann rücken die Paare enger aneinander und "binden" sich. Ein Schnappschuss hält dann zwar die eng umschlungenen Tänzer fest, doch die Anordnung der Paare war schon vorher festgelegt, als die Paare zueinander fanden.
Und was lässt sich nun mit diesen fermionischen Kondensaten anfangen? Jin dazu: "Sie eröffnen neue aufregende Möglichkeiten, Phänomene wie die Supraleitung und Superfluidität unter extremen Bedingungen zu untersuchen." In der Tat, schließlich müssen auch bei diesen physikalischen Erscheinungen Fermionen zueinander finden. Warten wir's ab, welche "aufregenden" Tänze uns noch bevorstehen.
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