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News: Gen aus der Kontrolle

Warum ist die Krebserkrankung bei einem Patienten sehr viel aggressiver als bei einem anderen? Und warum werden die entarteten Zellen manchmal plötzlich resistent gegen Medikamente, auf die sie zuvor angesprochen haben? Womöglich ist nur eine kleine genetische Veränderung dafür verantwortlich, die offenbar einen wichtigen Kontrollpunkt in der Zellteilung ausschaltet.
Wenn sich eine Zelle teilt, kommt sie irgendwann an den Punkt, an dem sie den beiden Tochterzellen die Chromosomen richtig und gleichmäßig zuweisen muss. Damit dabei nichts schief geht, stehen ihr bestimmte Proteine zur Seite, die an Kontrollpunkten der Zellteilung den Zustand überprüfen. Stimmt etwas nicht, brechen sie den Prozess notfalls ab, um Schlimmeres zu verhindern.

Fehlen diese Kontrollproteine, können der neuen Zelle Stücke oder gar ganze Chromosomen verloren gehen oder fälschlicherweise hinzukommen. Krebserkrankungen, in deren Zellen eine solche chromosomale Instabilität auftritt, sind in der Regel viel aggressiver und die Prognosen für die Betroffenen stehen dementsprechend sehr schlecht. Schon seit einigen Jahren vermuten Forscher zwar einen Zusammenhang zwischen einem fehlenden Kontrollprotein in der Mitose und dem instabilen Erbgut, doch erst jetzt konnten Loren Michel und seine Kollegen vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center eine direkte Verbindung aufdecken (Nature vom 18. Januar 2001).

Die Forscher entfernten bei einer menschlichen Krebszelllinie das Gen für das Protein MAD2, das den Kontrollpunkt vor der endgültigen Aufteilung der Chromosomen bildet: Es überwacht, ob sich die Fasern des Spindelapparates korrekt an das Centromer, den Anheftungspunkt, anhängen. Obwohl der Verlust von nur einer der beiden Kopien des Gens den Gehalt des Proteins in den Zellen kaum merklich verringerte, so waren die Folgen doch fatal. "Die Tumoren wurden genomisch höchst instabil und wuchsen sogar bei Anwesenheit von Chemotherapeutika aus der Familie der Taxane weiter", berichtet Michel. Vor dem Eingriff waren die Zellen stabil und auch empfindlich gegen die eingesetzten Medikamente.

In einem weiteren Schritt überprüften die Wissenschaftler ihre Ergebnisse an genetisch veränderten Mäusen. "Mäuse, denen das MAD2-Protein vollständig fehlt, sterben bereits in der Embryonalentwicklung", erklärt Vasco Liberal von der Arbeitsgruppe. "Wir fügten eine Mutation ein, die nur eine der beiden Kopien des MAD2-Gens inaktiviert. Dadurch entstand Krebs." Interessanterweise treten in menschlichen Brustkrebs-Zelllinien niedrige MAD2-Gehalte auf, fügt er hinzu.

Michel und seine Kollegen hoffen nun, dass sich aus diesen Ergebnissen ein Test entwickeln lässt, mit dem man menschliche Krebszellen überprüfen und bessere Prognosen für den Krankheitsverlauf abgeben kann. Und auch die Forschung nach neuen Behandlungsmethoden könnte von den Resultaten profitieren.

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