News: Gen kontrolliert Kristallwachstum
Winzige Steinchen im Ohr spielen eine entscheidende Rolle für den Gleichgewichtssinn. Die Form der Calciumcarbonatkristalle bestimmt dabei ein Protein.
Wenn Lebewesen sich bewegen, hilft ihnen ihr Gleichgewichtssinn, sich im Raum zu orientieren. Das zuständige Gleichgewichtsorgan im Ohr der Wirbeltiere enthält kleine steinartige Strukturen, so genannte Otolithe, die Reize wie Schwingungen oder Beschleunigung verstärken und an die Sinneszellen im Ohr weiterleiten. Diese Biomineralien sind aus kristallinem Calziumcarbonat und organischem Material, wie Proteinen, aufgebaut und haben eine charakteristische Form und Größe. Bisher war allerdings nicht bekannt, welche Faktoren diesen Partikeln ihre Form geben und ihre Größe kontrollieren.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen und des European Synchrotron in Grenoble namen daher die Ohren von Zebrafischen genauer unter die Lupe. Das Ohr der Fischlarven enthält anfangs zwei, später dann drei Otolithen. Die an Kieselsteine erinnernden Strukturen sitzen, durch eine gelatinöse Masse verbunden, auf Feldern von Sinneszellen auf und verstärken Signale wie Beschleunigung oder Geräusche. Auf der Suche nach Genen, die die Bildung dieser Partikel beeinflussen, waren die Wissenschaftler auf das menschliche dentin-sialophosphoprotein-Gen, DSPP, gestoßen. Mutationen in diesem Gen führen bei den Betroffenen zu mangelnder Mineralisierung der Zähne und Hörverlust. Daher nahmen die Forscher an, dieses Protein könnte auch in der Otolithenbildung eine Rolle spielen.
Durch den Sequenzvergleich von Zebrafisch-Genen mit DSPP identifizierten die Wissenschaftler das neue Gen starmaker. Wie das verwandte DSPP hat das Starmaker-Protein einen ungewöhnlich hohen Anteil an sauren Aminosäuren und ist extrem hydrophil. Als die Forscher anschließend die Aktivität des Gens in situ analysierten, zeigte sich, dass starmaker tatsächlich beinahe ausschließlich im Ohr und im Seitenlinienorgan, das die gleichen Sinneszellen wie das Ohr enthält, angeschaltet ist.
Die Tübinger Biologen nutzten dann die so genannte Morpholino-Antisense-Technik, um die Funktion von starmaker in dem sich entwickelnden Fischohr zu untersuchen. Diese Technik verhindert die Produktion des Proteins. Daraus resultierende morphologische Veränderungen können dann Aufschluss geben über die Rolle, die das Protein tatsächlich spielt.
Das Unterdrücken der Proteinherstellung hatte einen sehr spezifischen Effekt auf die Otolithen: Mit steigender Dosis des Antisense-Morpholinos veränderte sich ihre Form von kugel- zu sternförmig. Der komplette Verlust des Proteins führte zu Otolithen, die in ihrem Aussehen stark reinen Kristalle ähneln. Die betroffenen Zebrafischlarven zeigten keine weiteren morphologischen Veränderungen, hatten jedoch Gleichgewichtsstörungen.
Mit einem Starmaker-spezifischen Antikörper wiesen die Wissenschaftler hohe Mengen des Proteins in den runden Otolithen nach; hingegen enthielten die kristallförmigen Ohrsteinchen kein Protein. Damit war klar, dass das Starmaker-Gen direkt an der Kristallisation des Calciumcarbonats im Otholithen beteiligt ist. Doch um besser zu verstehen, was zu den morphologischen Veränderungen der Otolithen führt, haben die Wissenschaftler die verschiedenen Otolithenformen am Synchrotron im französischen Grenoble mit Hilfe der Röntgenstrahl-Diffraktionsanalyse untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass sich sowohl Größe als auch Kristallgitter der Calciumcarbonat-Kristalle in den Otolithen unterschieden. Die unmodifizierten (Wildtyp) und die sternförmigen Otolithen enthielten Aragonit-Kristalle, die sich lediglich in ihrer Größe unterschieden. Hingegen bestehen die Otolithen, in denen überhaupt kein Starmaker-Protein mehr vorhanden ist, aus großen Kristallen mit der stabileren Calcit-Gitterstruktur. Somit haben diese Experimente gezeigt, wie ein Protein das Wachstum eines Kristalls hemmen und zusätzlich dessen Gitterstruktur beeinflussen kann.
Damit ist es den Tübinger Biologen unter Verwendung molekularbiologischer, biologischer und physikalischer Methoden erstmals gelungen, die genetische Kontrolle eines anorganischen Prozesses – der Kristallisation – nachzuweisen. Diese Forschungsergebnisse sind einerseits von medizinischer Relevanz: Sie liefern Hinweise, welche Rolle verwandte menschliche Proteine in der Biogenese von Otoconien, Calciumcarbonat-haltigen Biomineralien in unserem Gleichgewichtsorgan, spielen können. Andererseits sind die Resultate von großem Interesse für die Kristallforschung, da erstmals eine direkte Interaktion von biologischer Materie mit Kristallen in einem lebenden Organismus nachgewiesen wurde.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen und des European Synchrotron in Grenoble namen daher die Ohren von Zebrafischen genauer unter die Lupe. Das Ohr der Fischlarven enthält anfangs zwei, später dann drei Otolithen. Die an Kieselsteine erinnernden Strukturen sitzen, durch eine gelatinöse Masse verbunden, auf Feldern von Sinneszellen auf und verstärken Signale wie Beschleunigung oder Geräusche. Auf der Suche nach Genen, die die Bildung dieser Partikel beeinflussen, waren die Wissenschaftler auf das menschliche dentin-sialophosphoprotein-Gen, DSPP, gestoßen. Mutationen in diesem Gen führen bei den Betroffenen zu mangelnder Mineralisierung der Zähne und Hörverlust. Daher nahmen die Forscher an, dieses Protein könnte auch in der Otolithenbildung eine Rolle spielen.
Durch den Sequenzvergleich von Zebrafisch-Genen mit DSPP identifizierten die Wissenschaftler das neue Gen starmaker. Wie das verwandte DSPP hat das Starmaker-Protein einen ungewöhnlich hohen Anteil an sauren Aminosäuren und ist extrem hydrophil. Als die Forscher anschließend die Aktivität des Gens in situ analysierten, zeigte sich, dass starmaker tatsächlich beinahe ausschließlich im Ohr und im Seitenlinienorgan, das die gleichen Sinneszellen wie das Ohr enthält, angeschaltet ist.
Die Tübinger Biologen nutzten dann die so genannte Morpholino-Antisense-Technik, um die Funktion von starmaker in dem sich entwickelnden Fischohr zu untersuchen. Diese Technik verhindert die Produktion des Proteins. Daraus resultierende morphologische Veränderungen können dann Aufschluss geben über die Rolle, die das Protein tatsächlich spielt.
Das Unterdrücken der Proteinherstellung hatte einen sehr spezifischen Effekt auf die Otolithen: Mit steigender Dosis des Antisense-Morpholinos veränderte sich ihre Form von kugel- zu sternförmig. Der komplette Verlust des Proteins führte zu Otolithen, die in ihrem Aussehen stark reinen Kristalle ähneln. Die betroffenen Zebrafischlarven zeigten keine weiteren morphologischen Veränderungen, hatten jedoch Gleichgewichtsstörungen.
Mit einem Starmaker-spezifischen Antikörper wiesen die Wissenschaftler hohe Mengen des Proteins in den runden Otolithen nach; hingegen enthielten die kristallförmigen Ohrsteinchen kein Protein. Damit war klar, dass das Starmaker-Gen direkt an der Kristallisation des Calciumcarbonats im Otholithen beteiligt ist. Doch um besser zu verstehen, was zu den morphologischen Veränderungen der Otolithen führt, haben die Wissenschaftler die verschiedenen Otolithenformen am Synchrotron im französischen Grenoble mit Hilfe der Röntgenstrahl-Diffraktionsanalyse untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass sich sowohl Größe als auch Kristallgitter der Calciumcarbonat-Kristalle in den Otolithen unterschieden. Die unmodifizierten (Wildtyp) und die sternförmigen Otolithen enthielten Aragonit-Kristalle, die sich lediglich in ihrer Größe unterschieden. Hingegen bestehen die Otolithen, in denen überhaupt kein Starmaker-Protein mehr vorhanden ist, aus großen Kristallen mit der stabileren Calcit-Gitterstruktur. Somit haben diese Experimente gezeigt, wie ein Protein das Wachstum eines Kristalls hemmen und zusätzlich dessen Gitterstruktur beeinflussen kann.
Damit ist es den Tübinger Biologen unter Verwendung molekularbiologischer, biologischer und physikalischer Methoden erstmals gelungen, die genetische Kontrolle eines anorganischen Prozesses – der Kristallisation – nachzuweisen. Diese Forschungsergebnisse sind einerseits von medizinischer Relevanz: Sie liefern Hinweise, welche Rolle verwandte menschliche Proteine in der Biogenese von Otoconien, Calciumcarbonat-haltigen Biomineralien in unserem Gleichgewichtsorgan, spielen können. Andererseits sind die Resultate von großem Interesse für die Kristallforschung, da erstmals eine direkte Interaktion von biologischer Materie mit Kristallen in einem lebenden Organismus nachgewiesen wurde.
© Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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