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Genanalyse: Antike DNA enthüllt das genetische Mosaik der Hunnen

Wie die Hunnen nach Europa kamen und wer ihre Vorfahren waren, ist immer noch ein Rätsel. Allerdings hat uns das Volk der großen Krieger einen Hinweis hinterlassen: ihre DNA.
Symbolbild eines mit KI erstellten DNA-Strangs, mittig beleuchtet vor dunklem Hintergrund.
Dies ist eine maschinell erzeugte Übersetzung eines Artikels der internationalen Partner von Spektrum.de. Er wurde von uns überprüft, jedoch nicht redaktionell bearbeitet. Gerne können Sie uns Ihr Feedback am Ende des Artikels mitteilen.

Eine offene Frage in der Geschichte des späten Römischen Reiches lautet: Woher kamen die Hunnen, dieses Volk der Nomaden und großen Krieger, das zwischen dem vierten und fünften Jahrhundert n. Chr. in Europa war? Es wurde lange darüber debattiert, ob die Hunnen die Nachfahren der Xiongnu sein könnten, eines großen Nomadenreichs in Ostasien. Nun haben Forschende der Abteilung Archäogenetik des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, die an der Spitze einer großen internationalen Zusammenarbeit standen, aufgeklärt, dass nur wenige Individuen zu Zeiten der Hunnen Vorfahren in der asiatischen Steppe hatten und dass die genetische Herkunft des hunnischen Volkes gemischt war. Das legen genetische Analysen in Kombination mit archäologischen Funden nahe.

»Die Studie verdeutlicht, dass es keine direkte Abstammung von den Xiongnu gibt und dass die Geschichte der Hunnen aus Begegnungen und Verflechtungen besteht, die mehr als 200 Jahre andauerten«, sagt Maria Cristina La Rocca, Professorin für mittelalterliche Geschichte an der Universität Padua. Sie war nicht an der Forschung beteiligt.

Bislang wusste man über die Herkunft der Hunnen nur, dass sie um 370 n. Chr. in Europa auftauchten und ein zwar kurzlebiges, doch sehr beeindruckendes Reich ins Leben riefen. Zwischen 434 und 453 n. Chr., als die Hunnen von General Attila angeführt wurden, prägten ihre Begegnung mit Völkern wie den Goten und den Alanen sowie mit den Römern das geopolitische Gefüge Europas. Die Hunnen waren erfahrene Krieger und organisierten sich in einer nomadischen Gesellschaft. Daher sollten sich ihre Ursprünge einigen Gelehrten zufolge auf das Volk der Xiongnu zurückführen lassen, das erste Nomadenreich der Geschichte.

»Die Hypothese war, dass die Hunnen aus dem Scheitern dieses Reiches, das seit 200 v. Chr. im nördlichsten Teil Chinas verbreitet war, hervorgingen« erklärt La Rocca. Das Xiongnu-Reich löste sich jedoch im 1. Jahrhundert n. Chr. auf, etwa 300 Jahre bevor die Hunnen die Herrschaft übernahmen. Ist es überhaupt möglich, eine Abstammungslinie zwischen den Vertretern dieser beiden Reiche zurückzuverfolgen und eine Lücke von drei Jahrhunderten zu schließen?

In der Studie, die in den »Proceedings of the National Academy of Sciences« veröffentlicht wurde, untersuchten die Autoren archäologische und genetische Proben von mehreren Grabstätten im Karpatenbecken (Mittel- und Osteuropa), in Zentralasien und in der mongolischen Steppe, die aus dem Zeitraum zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. stammten. So kamen sie an die DNA von 370 Personen, die innerhalb dieser Zeitspanne von etwa 800 Jahren lebten. Dabei konzentrierten sich die Autoren insbesondere auf 35 neu sequenzierte Genome von Individuen aus einer Stätte im heutigen Kasachstan, die aus dem 3. und 4. Jahrhundert stammt, und aus mehreren Stätten im Karpatengebiet, die aus dem 5. und 6. Jahrhundert stammen.

An den untersuchten Stätten wurden Bestattungen aus der hunnischen Zeit abgehalten und es wurden einige Hinweise auf nomadische Steppentraditionen gefunden. Die Forscher bezeichnen diese Gräber als »orientalische« Gräber, da sie Gegenstände enthalten, die mit dem nomadischen Reiterleben in Verbindung stehen. Hierzu zählen zum Beispiel Pferdewerkzeuge, Keramikgegenstände, Tierdarstellungen und Opferkessel – Gegenstände, die auch bei Bestattungspraktiken in den asiatischen Steppen verwendet wurden.

Die genetische Untersuchung konzentrierte sich auf die Suche nach identischen Genomsegmenten bei unterschiedlichen Individuen, die durch einen gemeinsamen Vorfahren miteinander verwandt sind. Die Analyse ergab, dass eine kleine Gruppe von Individuen, die mit diesen Bestattungen aus der Hunnenzeit in Verbindung stehen, ostasiatische genetische Spuren aufweisen, die auf die kaiserliche Elite der Xiongnu zurückgehen.

»Dies war eines der überraschendsten Ergebnisse der Studie«, erklärt Guido Alberto Gnecchi-Ruscone, Erstautor der Studie. Es legt nahe, dass die Abstammung einiger europäischer Hunnen auf wichtige Grabstätten aus der letzten Phase des Xiongnu-Reiches in der asiatischen Steppe zurückgeführt werden kann. Wie der Autor betont, ist nicht bekannt, wie diese genetischen Nachkommen nach Europa kamen.

»Außerdem wissen wir nicht, ob die Menschen im Europa der Hunnenzeit von dieser entfernten genetischen Verwandtschaft mit den hochrangigen Xiongnu wussten«, fährt Gnecchi-Ruscone fort. Nach Ansicht des Forschers ist die wahrscheinlichste Hypothese, dass die Vertreter der Hunnenzeit in Europa das Ergebnis jahrhundertelanger Zusammenschlüsse und Begegnungen zwischen Eliten verschiedener Steppenkulturen sind, die schließlich die Xiongnu-Gene nach Europa brachten – dreihundert Jahre nach dem Zusammenbruch ihres Reiches.

Genetische Analysen und archäologische Daten bestätigen, dass das archäogenetische Bild der hunnischen Zeit in Europa sehr vielfältig ist. »Die Gesellschaft der Hunnenzeit war kulturell und genetisch heterogen, was auf ein Mosaik der Abstammung schließen lässt. Es gibt eine große Vielfalt, die unter anderem genetische und kulturelle Verbindungen zu den Steppen umfasst«, sagt Gnecchi-Ruscone. Es gibt also eine Verbindung zum Xiongnu-Reich, die sich aber auf einen kleineren Prozentsatz der Bevölkerung aus dieser Zeit beschränkt.

Diese Befunde helfen, den Weg zu rekonstruieren, der zum Auftauchen der Hunnen in Europa führte. »Es war nicht das Ergebnis einer einzigen Wanderung aus den asiatischen Steppen. Die Hunnen waren eine Gruppe mit einer biologischen und kulturellen Identität, die sich aus einer langen Geschichte von Beziehungen und Verflechtungen mit anderen Gruppen ergab«, erläutert La Rocca.

Mit den Ergebnissen ist die Suche nach dem Ursprung der Hunnen noch nicht abgeschlossen. Laut Gnecchi-Ruscone könnten »weitere Forschungen die asiatischen Steppen genauer untersuchen, um den Weg zu rekonstruieren, der die Nachfahren des Xiongnu-Reiches zum Hunnenreich führte«, so der Forscher. La Rocca verweist auch auf das Karpatenbecken als weiteres Untersuchungsgebiet: »Es war ein Gebiet der Konfrontation, des Konflikts und der Entstehung neuer Identitäten. Ein entscheidender Raum, um die Beziehungen zwischen den Hunnen und anderen Gruppen zu verstehen«, so die Expertin abschließend.

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