Ökologie: Gene oder Umwelt?
Stadtvögel starten im Frühling früher mit Partnersuche und Brüten als ihre Artgenossen im Wald. Was sind die Auslöser - die unterschiedlichen Umweltbedingungen, denen Stadt- und Waldvögel ausgesetzt sind, oder eine unterschiedliche genetische Ausstattung der Populationen? Oder spielt - wie so oft - beides eine Rolle?
Alljährlich verkündet die Amsel mit ihrem Gesang von Straßenlaternen oder Dachantennen den Frühlingsbeginn. Doch das war nicht immer so: Noch vor etwa 200 Jahren war sie ein scheuer Waldbewohner, den man kaum zu Gesicht bekam. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begann sie in zunehmendem Maß Dörfer und Städte zu besiedeln, aus denen sie heutzutage nicht mehr wegzudenken ist. Und im Zuge der Verstädterung haben sich die Lebensweisen von in der Stadt und im Wald lebenden Amseln in vielfältiger Weise verändert.
Dass Stadtamseln im Vergleich zu Waldamseln früher im Jahr mit ihrem Brutgeschehen beginnen, ist schon seit längerem bekannt. Welche Ursache das frühe Brüten hat, war bisher aber unklar. Eine Grundfrage in der Forschung ist daher: Sind diese Unterschiede Resultat direkter physiologischer Anpassungen an die unterschiedlichen Umweltbedingungen oder der genetischen Ausstattung dieser Tiere?
Diese Frage hat jetzt ein Ornithologen-Team am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Andechs/Seewiesen untersucht. Die Forscher um Jesko Partecke und Eberhard Gwinner zogen Amsel-Nestlinge aus München und aus einem 40 Kilometer von München entfernten Waldgebiet von Hand auf und hielten beide Gruppen in einem Vogelraum über einen Zeitraum von zwei Jahren zusammen. Auf diese Weise lebten die Vögel sowohl während ihrer Entwicklungsphase wie auch später, während des gesamten Experiments, unter exakt denselben kontrollierten Umweltbedingungen. Während der zweijährigen Studie verfolgten die Wissenschaftler die saisonale Entwicklung der Gonaden (Keimdrüsen) und sammelten Blutproben für die Bestimmung des luteinisierenden Hormons – ein Hormon, das die saisonale Entwicklung der Gonaden und die Bildung der Geschlechtshormone stimuliert.
Das Resultat dieser Studie war überraschend: Einerseits konnten die Forscher zeigen, dass vornehmlich die spezifisch urbanen Umwelteinflüsse für das deutlich frühere Brüten der Stadtamseln im Freiland verantwortlich sind. Denn die im Freiland drastischen Unterschiede im Gonadenwachstum waren unter Laborbedingungen deutlich reduziert oder sogar im zweiten Jahr ganz verschwunden. Auf der anderen Seite gab es dennoch klare Unterschiede im Gonadenwachstum und in der Hormonausschüttung zwischen den beiden Laborpopulationen. So begannen die männlichen Stadtamseln – auch unter identischen Laborbedingungen – im ersten Jahr jahreszeitlich früher als ihre ländlichen Artgenossen mit dem Gonadenwachstum und der Hormonausschüttung. Zudem beendeten Amsel-Weibchen aus der Stadt ihre reproduktive Phase früher als die Weibchen aus dem Wald. Diese Befunde lassen vermuten, dass zusätzlich zu den Umweltbedingungen auch genetische Unterschiede vorhanden sind und sehr wahrscheinlich zu den Unterschieden im Brutbeginn beitragen.
Welche Umweltbedingungen nun konkret für die frühe Brutsaison der Stadtamseln verantwortlich sind, ist noch ungeklärt. Die Ornithologen konnten aber mit ihrem Experiment schon zwei potenzielle Faktoren ausschließen: Zusätzliche Nahrung, wie zum Beispiel durch die Winterfütterung, und die milderen Temperaturen in Städten kommen als alleinige Faktoren nicht mehr in Frage. Aber es gibt noch eine Reihe weiterer Einflüsse, die eine Rolle spielen könnten. Zum einen könnte die hohe Populationsdichte von Stadtamseln als soziale Stimulans das Paarungsverhalten früher im Jahr anregen. Zum anderen könnte die Überwinterungsstrategie der Stadtamsel ein Grund sein. So gehen die Forscher davon aus, dass ein größerer Teil der Stadtamseln auch in den Städten überwintert, während Waldamseln den Winter noch größtenteils im Süden verbringen. Die Standvögel wären somit in der Lage, früher im Jahr mit der Fortpflanzung zu beginnen. Als weitere Ursache kommt noch das Kunstlicht in den Städten in Frage. Seit langem weiß man, dass die Zunahme der Tageslänge im Frühjahr das reproduktive System bei Vertebraten ankurbelt. Stadtvögel sind jedoch – zusätzlich zu der natürlichen Veränderung der Tageslänge – auch noch dem oft intensiven Kunstlicht von Straßenlaternen und Häusern ausgesetzt. Weitere Experimente sind daher nötig, um zu klären, welche Auswirkungen die Verstädterung auf die dort lebenden Tierarten hat.
Dass Stadtamseln im Vergleich zu Waldamseln früher im Jahr mit ihrem Brutgeschehen beginnen, ist schon seit längerem bekannt. Welche Ursache das frühe Brüten hat, war bisher aber unklar. Eine Grundfrage in der Forschung ist daher: Sind diese Unterschiede Resultat direkter physiologischer Anpassungen an die unterschiedlichen Umweltbedingungen oder der genetischen Ausstattung dieser Tiere?
Diese Frage hat jetzt ein Ornithologen-Team am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Andechs/Seewiesen untersucht. Die Forscher um Jesko Partecke und Eberhard Gwinner zogen Amsel-Nestlinge aus München und aus einem 40 Kilometer von München entfernten Waldgebiet von Hand auf und hielten beide Gruppen in einem Vogelraum über einen Zeitraum von zwei Jahren zusammen. Auf diese Weise lebten die Vögel sowohl während ihrer Entwicklungsphase wie auch später, während des gesamten Experiments, unter exakt denselben kontrollierten Umweltbedingungen. Während der zweijährigen Studie verfolgten die Wissenschaftler die saisonale Entwicklung der Gonaden (Keimdrüsen) und sammelten Blutproben für die Bestimmung des luteinisierenden Hormons – ein Hormon, das die saisonale Entwicklung der Gonaden und die Bildung der Geschlechtshormone stimuliert.
Das Resultat dieser Studie war überraschend: Einerseits konnten die Forscher zeigen, dass vornehmlich die spezifisch urbanen Umwelteinflüsse für das deutlich frühere Brüten der Stadtamseln im Freiland verantwortlich sind. Denn die im Freiland drastischen Unterschiede im Gonadenwachstum waren unter Laborbedingungen deutlich reduziert oder sogar im zweiten Jahr ganz verschwunden. Auf der anderen Seite gab es dennoch klare Unterschiede im Gonadenwachstum und in der Hormonausschüttung zwischen den beiden Laborpopulationen. So begannen die männlichen Stadtamseln – auch unter identischen Laborbedingungen – im ersten Jahr jahreszeitlich früher als ihre ländlichen Artgenossen mit dem Gonadenwachstum und der Hormonausschüttung. Zudem beendeten Amsel-Weibchen aus der Stadt ihre reproduktive Phase früher als die Weibchen aus dem Wald. Diese Befunde lassen vermuten, dass zusätzlich zu den Umweltbedingungen auch genetische Unterschiede vorhanden sind und sehr wahrscheinlich zu den Unterschieden im Brutbeginn beitragen.
Welche Umweltbedingungen nun konkret für die frühe Brutsaison der Stadtamseln verantwortlich sind, ist noch ungeklärt. Die Ornithologen konnten aber mit ihrem Experiment schon zwei potenzielle Faktoren ausschließen: Zusätzliche Nahrung, wie zum Beispiel durch die Winterfütterung, und die milderen Temperaturen in Städten kommen als alleinige Faktoren nicht mehr in Frage. Aber es gibt noch eine Reihe weiterer Einflüsse, die eine Rolle spielen könnten. Zum einen könnte die hohe Populationsdichte von Stadtamseln als soziale Stimulans das Paarungsverhalten früher im Jahr anregen. Zum anderen könnte die Überwinterungsstrategie der Stadtamsel ein Grund sein. So gehen die Forscher davon aus, dass ein größerer Teil der Stadtamseln auch in den Städten überwintert, während Waldamseln den Winter noch größtenteils im Süden verbringen. Die Standvögel wären somit in der Lage, früher im Jahr mit der Fortpflanzung zu beginnen. Als weitere Ursache kommt noch das Kunstlicht in den Städten in Frage. Seit langem weiß man, dass die Zunahme der Tageslänge im Frühjahr das reproduktive System bei Vertebraten ankurbelt. Stadtvögel sind jedoch – zusätzlich zu der natürlichen Veränderung der Tageslänge – auch noch dem oft intensiven Kunstlicht von Straßenlaternen und Häusern ausgesetzt. Weitere Experimente sind daher nötig, um zu klären, welche Auswirkungen die Verstädterung auf die dort lebenden Tierarten hat.
© Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.