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Medizin: Gene und Gewicht regeln den Start der Pubertät

Mehr als 1000 genetische Varianten haben einen Einfluss darauf, wann bei Mädchen die Pubertät einsetzt. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Körpergewicht.
Zeit des Umbruchs
Die Pubertät startet bei Mädchen tendenziell immer früher – warum, ist nicht vollständig geklärt. Groß angelegte DNA-Untersuchungen haben hunderte genetische Varianten enthüllt, die Einfluss auf die geschlechtliche Reifung haben. Manche davon beeinflussen direkt das Alter, in dem die Regelblutung einsetzt, andere wirken indirekt über das Körpergewicht.

Die Erbanlagen und das Körpergewicht bestimmen maßgeblich darüber, wann Mädchen ihre erste Periode bekommen. Manche genetische Faktoren wirken sich direkt auf den Beginn der Pubertät aus; andere indirekt, indem sie die Gewichtszunahme in der Kindheit fördern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe um John Perry von der University of Cambridge. Das Team berichtet darüber im Journal »Nature Genetics«.

Die Fachleute haben die DNA von rund 800 000 Frauen aus Europa, Nordamerika, China, Japan und Korea analysiert. Dabei fanden sie mehr als 1000 genetische Varianten, die den Zeitpunkt der ersten Regelblutung beeinflussen. Bei etwa 600 davon war zuvor nicht bekannt gewesen, dass sie eine solche Wirkung haben.

Üblicherweise bekommen Mädchen ihre erste Regelblutung zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr. Seit einigen Jahrzehnten aber setzt die Pubertät tendenziell immer früher ein – warum, ist nicht ganz klar. Eine besonders zeitige Geschlechtsreife erhöht das Risiko für verschiedene Krankheiten, darunter Fettleibigkeit, Diabetes Typ II, Herz-Kreislauf-Komplikationen und manche Krebsarten.

Knapp die Hälfte der genetischen Varianten, die Perry & Co gefunden haben, wirken sich indirekt auf den Start der Pubertät aus, indem sie die Gewichtszunahme in der Kindheit fördern. Bereits aus früheren Studien ist bekannt, dass hohes Körpergewicht eine frühe Geschlechtsreife begünstigt. Vermittelt wird das unter anderem von Hirnrezeptoren wie dem Melanocortinrezeptor (MC3R), der die Nährstoffversorgung des Organismus überwacht und den Pubertätsbeginn sowie die Wachstumsrate in frühen Lebensjahren reguliert.

Laut den Fachleuten gibt es genetische Varianten, die sehr selten vorkommen, aber enormen Einfluss auf die geschlechtliche Reifung haben. So trage eine von 3800 Frauen bestimmte Modifikationen im Gen ZNF483, die zur Folge hätten, dass die Pubertät im Schnitt 1,3 Jahre später einsetze.

14-mal wahrscheinlicher, besonders früh zu reifen

Perry und seine Gruppe haben einen Kriterienkatalog aufgestellt, der anhand genetischer Merkmale vorhersagen hilft, ob ein Mädchen sehr früh beziehungsweise spät in die Geschlechtsreife kommen wird. Demnach machen bestimmte Erbanlagen es bis zu elfmal wahrscheinlicher, dass die Pubertät erheblich verzögert – das heißt, nach dem 15. Lebensjahr – beginnt. Am anderen Ende des Spektrums liegen genetische Konstellationen, die die Wahrscheinlichkeit für einen außergewöhnlich zeitigen Pubertätsstart vor dem 10. Lebensjahr um das 14-Fache erhöhen.

Die Fachleute hoffen, dass sich diese Erkenntnisse künftig nutzen lassen, um anhand von Erbgutanalysen eine extrem frühe beziehungsweise späte Geschlechtsreife vorherzusagen. Das gäbe den betroffenen Personen die Möglichkeit, den damit verbundenen Krankheitsrisiken entgegenzuwirken, beispielsweise mit Hilfe von Pubertätsblockern.

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