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Covid-19: Lange immun durch Infektion und Impfung

Wer genesen ist, kann sich mit einer Corona-Impfung offenbar besser gegen eine erneute Infektion schützen. Das legen drei Studien nahe. Die Daten wurden jedoch vor dem Auftauchen von Omikron erhoben.
Eine Frau erhält nach der Impfung ein Pflaster auf die Einstichstelle.

Auch von Covid-19 genesene Menschen profitieren laut drei neuer Studien stark von einer vollständigen Corona-Impfung. Darüber hinaus besagt eine der drei Fachpublikationen, dass eine solche hybride Immunität – wenn man sowohl genesen als auch geimpft ist – lange anhält und mindestens sechs bis acht Monate nach der Impfung einen hochwirksamen Schutz gegen eine symptomatische Erkrankung bietet.

Die Daten wurden allerdings erhoben, bevor die Omikron-Variante auftauchte, was die Aussagekraft der drei Studien stark relativiert. Sollten sich die Ergebnisse jedoch bestätigen, könnten sie als Grundlage für Impfprogramme und Impfpässe dienen, die in einigen Ländern etwa für den Zutritt zu öffentlich zugänglichen Orten wie Restaurants vorgeschrieben sind. Die Studien widerlegen zudem Behauptungen, dass eine Impfung für genesene Menschen nutzlos sei.

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Genau diese Behauptung war auch ein Auslöser für die Forschungen zu diesem Thema. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro »sagte, dass er bereits Covid-19 hatte und es deshalb nicht notwendig hätte, sich impfen zu lassen«, erklärt Julio Croda. Der Arzt und Epidemiologe arbeitet für die Oswaldo Cruz Foundation in Rio de Janeiro. Croda und sein Team analysierten brasilianische Daten zu Impfungen und Erkrankungen, um Bolsonaros Statement zu überprüfen.

Das Ergebnis der Forschergruppe: Menschen, die sich zwischen Februar 2020 und November 2021 mit Sars-CoV-2 infiziert hatten und dann eine Impfstoffdosis erhielten – entweder von Biontech, Oxford-AstraZeneca, SinoVac oder Johnson & Johnson  –, verhinderten so bis zu 45 Prozent an Covid-19-Erkrankungen, die bei dieser Gruppe ohne Impfung zu erwarten gewesen wären. Eine vollständige Impfung mit zwei Dosen dürfte bis zu 65 Prozent der erwarteten Infektionen unterbunden haben sowie mehr als 80 Prozent der möglichen schweren Covid-19-Fälle. »Die wichtigste Botschaft lautet: Sie sollten vollständig gegen Covid-19 geimpft sein«, sagt Croda.

Immunitätspass statt Impfpass?

Einige Behörden berücksichtigen frühere Infektionen und erlauben es Genesenen, in Gaststätten zu gehen oder Konzerte zu besuchen. In anderen Ländern hingegen zählt nur der Impfstatus. Peter Nordström, Epidemiologe an der Universität Umeå in Schweden, und seine Arbeitsgruppe wollten nun solche Entscheidungen mit den vorhandenen Daten überprüfen. Die Forschenden werteten Informationen der schwedischen Gesundheitsbehörde aus, die zwischen März 2020 und Oktober 2021 zusammengekommen waren. Laut ihren Ergebnissen lag das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, bei bereits einmal Infizierten um 95 Prozent geringer als bei Menschen, die gar keine Immunität besaßen. Dieser Schutz verstärkte sich in den drei Monaten nach der Infektion und hielt mindestens bis zu 20 Monate nach der Erkrankung an. Eine Impfstoffdosis verringerte das Infektionsrisiko um weitere 50 Prozent; eine zweite Dosis stabilisierte den zusätzlichen Schutz in den sechs Monaten nach der Impfung.

Obwohl ein Vakzin den Schutz erhöht, schlägt Nordström vor, auch die Immunität anzuerkennen, die allein durch die Infektion entsteht. »Vielleicht sollten wir statt Impfpässen eher Immunitätspässe einführen«, sagt der Epidemiologe. »Man gilt als immun – und damit als weniger ansteckungsgefährdet –, wenn man vollständig geimpft ist oder eine dokumentierte frühere Infektion durchgemacht hat.«

Die dritte Studie verfasste die Epidemiologin Victoria Hall von der britischen Gesundheitsbehörde in London zusammen mit Kolleginnen und Kollegen. Sie untersuchten die Erkrankungen bei Tausenden von Beschäftigten des Gesundheitswesens im Zeitraum von März 2020 bis September 2021. Die Forschergruppe fand heraus, dass vorangegangene Infektionen mehr als 80 Prozent möglicher Covid-19-Fälle verhinderten, wie sie sonst im Jahr nach der Erkrankung zu erwarten gewesen wären. Nach einem Jahr sei der Schutz auf etwa 70 Prozent gesunken. Genesene Studienteilnehmer, die zwei Dosen des Impfstoffs von Biontech oder Oxford-AstraZeneca erhalten haben, waren nach der zweiten Dosis noch mindestens sechs bis acht Monate lang zu fast 100 Prozent geschützt. »Der Schutz nahm im Lauf der Zeit sowohl nach der Impfung als auch nach der Infektion ab, blieb aber bei denjenigen mit hybrider Immunität konstant hoch«, schrieb Hall in einer E-Mail an »Nature«.

Der Epidemiologe Miguel Hernan von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston betont ebenfalls, dass die Studien den großen Nutzen einer vollständigen Impfung untermauern. Einige Länder hätten sich jedoch auf Richtlinien geeinigt, die Genesene dazu ermutigt, sich mit nur einer einzigen Dosis impfen zu lassen. Dieser Schritt »mag in Zeiten einer Impfstoffknappheit gerechtfertigt sein, aber sonst nicht«, erklärte Hernan per E-Mail.

Impfung und Infektion – doppelt hält besser

Die Studienergebnisse würden frühere Untersuchungen bestätigen. Das betont Dan Barouch, Virologe am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston. »Eine Impfung nach einer Infektion oder eine Infektion nach einer Impfung führt zu einer besonders starken Antikörperreaktion.« Barouch weist jedoch darauf hin, dass alle drei Studien auf Daten beruhen, die vor der Omikron-Variante gesammelt wurden. Er und auch andere Fachleute warnen daher, dass Genesene nur unzureichend gegen neu auftretende Virenstämme geschützt sein könnten.

Der Epidemiologe Dan Kelly von der University of California in San Francisco stimmt Barouch zu. Omikron unterscheide sich so stark von den in den Studien untersuchten Stämmen, dass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf Personen zutreffen, die sich nach der Impfung mit Omikron infiziert haben. Sein Rat für diese Gruppe: »Seien Sie sehr vorsichtig.«

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