News: Genetische Faktoren beeinflussen Cholesterin-Reaktion auf Diät
Das am besten charakterisierte genetische Merkmal, das die LDL-Reaktion auf eine Diät beeinflußt, ist die ApoE4-Variante des Apoproteins E, eines Proteins, das im Herz-Kreislauf- und Nervensystem eine Reihe wichtiger Funktionen erfüllt. ApoE4 entsteht aufgrund einer einzigen DNA-Veränderung im Gen für das Apoprotein E und kommt in der Bevölkerung bei ungefähr jedem siebten Menschen vor. Im Vergleich zu Personen, die die normale Form von Apoprotein E besitzen, das ApoE3, haben Personen mit ApoE4 eine Neigung zu einem höheren Blut-Cholesterinspiegel und ein erhöhtes Herzerkrankungsrisiko. Die Ergebnisse bisheriger wissenschaftlicher Studien zeigen, daß die LDL-Verringerungen bei fett- und cholesterinarmen Diäten bei Testpersonen mit ApoE4 größer sind als bei solchen mit ApoE3. Auch andere, weniger häufig auftretende, Genvarianten für Lipoproteine haben einen Einfluß darauf, wie der LDL-Spiegel durch eine Diät beeinflußt werden kann. Ein Beispiel ist das ApoAIV-2, welches einen durch erhöhte Aufnahme von Cholesterin verursachten Anstieg in LDL verhindert.
Ein viel häufigerer, genetisch begündeter Zustand, der die Blut-Cholesterin-Reaktion auf eine fettarme Diät beeinflussen kann, wird LDL subclass pattern B genannt. Bei ihm ist ein untergeordneter "kleiner und dichter" Typus von LDL zu finden. Dieses Merkmal tritt in ungefähr jedem dritten männlichen Erwachsenen und in jeder fünften bis sechsten Frau nach der Menopause auf. Bei jüngeren Männern und Frauen vor der Menopause wird es seltener beobachtet.
Zusätzlich zum Vorhandensein ungewöhnlich kleiner und kompakter LDL-Partikel wird pattern B durch eine Menge anderer Stoffwechselstörungen gekennzeichnet, einschließlich niedrigeren Mengen des "schützenden" HDL-Cholesterins im Blut, erhöhter Konzentration von Triglycerid und Apoprotein B (das wichtigste LDL-Protein) und einer Anfälligkeit für die häufigste Form der Diabetes mellitus. Jeder dieser Faktoren erhöht das Risiko von Herzerkrankungen und führt zu einem insgesamt dreimal höheren Risiko im Vergleich zu Personen mit höherem Anteil an größeren und weniger dichten LDL-Partikeln (pattern A).
Es besteht die Möglichkeit, daß die kleineren LDL des pattern B besonders schädlich sind, weil die Wahrscheinlichkeit, daß es in der Arterienwand gespeichert wird, größer ist als beim großem LDL. Außerdem werden diese LDL leichter oxidiert, was für die Entwicklung von Atherosklerose und Herzerkrankungen von entscheidender Bedeutung sein kann. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß pattern B aus Veränderungen in einem von mehreren verschiedenen Genen resultieren kann: Bisher wurden jedoch die spezifischen Mutationen, die für dieses Merkmal verantwortlich sind, noch nicht identifiziert. Nicht-genetische Faktoren, wie Alter, Körpergewicht und Ernährung sind ebenfalls wichtige Determinanten der Anwesenheit und Heftigkeit des pattern B Merkmals.
Wissenschaftler des Lawrence Berkeley National Laboratory fanden in ersten Studien des diätetischen Effekts in einer Gruppe von 18 Männern mit pattern B heraus, daß die Verringerung der LDL-Cholesterinkonzentration, die durch eine fettarme, kohlenhydratreiche Ernährung hervorgerufen wurde, zweimal so groß war, wie bei den 87 Testpersonen mit pattern A. Noch überraschender: Bei ungefähr einem Drittel der Männer mit pattern A verschob die fettarme Ernährung das Profil zum pattern B, also zu kleineren LDL-Formen. Die Gesamtkonzentration an LDL verringerte sich nicht, und es kam zu einem Anstieg statt eines Abfalls im Verhältnis des gesamten Cholesterins zum HDL-Cholesterin: ein eindeutiger Hinweis auf das Risiko einer Herzerkrankung.
Studien in Familien haben nachgewiesen, daß diese Reaktion durch eine genetische Veranlagung für das pattern B-Merkmal hervorgerufen worden sein könnte, das nur dann offensichtlich wird, wenn die Einnahme von Fett auf ein niedriges Niveau reduziert und durch Kohlenhydrate ersetzt wird. Diese Erkenntnisse lassen die Möglichkeit erkennen, daß fettarme Ernährung bei Personen mit dieser Reaktion hinsichtlich des Risikos von Herzerkrankungen von geringem Nutzen ist und sogar nachteilige Folgen haben könnte. Dies ist aber immer noch zu beweisen.
In einer vor kurzem durchgeführten zweiten Studie mit 133 Männern zeigten die Wissenschaftler schrittweise Verbesserungen in den LDL-Konzentrationen bei Patienten mit pattern B, als ihr Fettkonsum von 40% auf 30% und dann auf 20% der gesamten Kalorienmenge reduziert wurde (die durchschnittliche Fetteinnahme in den USA liegt derzeit bei 34% der Kalorienmenge). Bei diesen Testpersonen verglichen die Forscher ebenfalls die Auswirkungen, die auftreten, wenn gesättigte Fette entweder durch Kohlenhydrate oder einfach ungesättigte Fette ersetzt werden – zum Beispiel durch Olivenöl, einem typischen Bestandteile der "mediterranen" Ernährung. Zusätzlich zur Reduzierung des LDL-Cholesterins, die bei beiden Diäten bei pattern B-Männern auftrat, reduzierte eine Diät mit einfach ungesättigten Fetten bei diesen Personen auch die Konzentrationen von Triglyceriden und Apoprotein B.
Insgesamt deuten die Erkenntnisse darauf hin, daß Anstrengungen zur Reduzierung von Herzerkrankungen durch Änderung des Fettkonsums bei Personen mit pattern B viel wirksamer sein könnte, als bei Testpersonen mit pattern A, die ein normales Blut-Cholesterin-Profil besitzen.
Wegen des relativ geringen Vorkommens von pattern B bei Frauen, insbesondere vor der Menopause, wurde von den Forschern des Lawrence Berkeley National Laboratory die diätetische Reaktion bei Frauen mit pattern B noch nicht untersucht. Stattdessen wurde der möglichen Einfluß der genetischen Veranlagung zu pattern B geprüft, indem die LDL-Reaktion auf eine fettarme (20%) Ernährung bei 72 jungen Frauen (fast alle pattern A) verglichen wurden, die entsprechend des LDL-Typus ihrer Eltern klassifiziert wurden. Die LDL-Reduktion war viel größer bei Töchtern, die zwei Elternteile mit pattern B besaßen, als bei Töchtern mit zwei pattern A-Eltern, und lag bei Töchtern mit einem pattern A- und einem pattern B-Elternteil dazwischen. Ähnliche Einflüsse zeigte eine Studie mit 50 Kindern beiderlei Geschlechts. Das Ergebnis unterstreicht nachdrücklich, daß genetische Faktoren, die der Veranlagung zu pattern B zugrundeliegen, auch die LDL-Reaktion auf eine verringerte Fetteinnahme beeinflussen.
Nach Meinung von Ronald M. Kraus vom Lawrence Berkeley National Laboratory lassen sich durch diätetisches Fett hervorgerufene Veränderungen in der LDL-Partikelgröße und -dichte mit bestimmten Genorten in Verbindung bringen. Diese Faktoren würden sowohl durch genetische und als auch nicht-genetische Faktoren beeinflußt. Vier Gene, die mit der LDL-Partikelgrößenverteilung gekoppelt sind, wurden daraufhin getestet, ob sie mit Schwankungen im LDL-Partikel-Phänotypus zusammenhängen, die in 206 gesunden Männern (Geschwister aus 94 Familien) nach einer fettreichen (40%) und einer fettarmen (20%) Diät für jeweils 4 Wochen auftraten. Das verminderte Fett der einen Diät wurde durch Kohlenhydrate ersetzt, die anderen Komponenten blieben konstant. Es wurden die Gene für den LDL-Rezeptor (LDLR), das ApoAI-CIII-AIV, das cholesteryl ester transfer protein (CETP) und die Mangan Superoxid-Dismutase (MnSOD) untersucht.
Die Ergebnisse bestätigten eine signifikante Koppelung der LDL-Partikel-Phänotypen mit den Genen für LDLR und ApoAI-CIII-AIV bei beiden Diäten und bei der fettarmen Diät zusätzlich mit dem CETP-Gen. Die mittlere LDL-Größe nahm ab, die Dichte jedoch nahm zu beim Übergang von fettreicher zur fettarmer Ernährung. Durch die Ernährung hervorgerufene Veränderungen in den LDL-Partikel-Phänotypen war mit LDLR und CETP gekoppelt. Darüberhinaus wurde eine Veränderung in apoB (ein Maß der Lipoprotein-Partikelmenge) mit dem MnSOD-Lokus gekoppelt. Diese Daten unterstreichen, daß genetische Faktoren, die die LDL-Partikel-Phänotypen beeinflussen, auch Veränderungen in diesen Phänotypen hervorrufen können, wenn es zu Schwankungen bei der Einnahme von Fett und Kohlehydraten kommt.
Weitere Informationen über diese und andere Gen-Diät-Interaktionen können Ärzten und der Öffentlichkeit helfen, Unterschiede in diätetischen Reaktionen, die bei einzelnen Personen beobachtet wurden, besser zu verstehen. Sie können ihnen auch helfen zu erkennen, daß individuelle Reaktionen aus "durchschnittlichen" diätetischen Auswirkungen, die in großen Bevölkerungsstudien beobachtet wurden, nicht zuverlässig vorhergesagt werden können. Weit wichtiger ist jedoch, daß neue Werkzeuge für die genetische Analyse eingesetzt werden, sobald sie zur Verfügung stehen, um angemessene und individuellere Ernährungspraktiken für die Vermeidung von Herzerkrankungen zu empfehlen.
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