Menschheitsgeschichte: Genetische und linguistische Verwandtschaft der Afrikaner
Menschen sind nicht unbedingt nahe verwandt, wenn sie eine ähnliche Sprache sprechen und einen ähnlichen Lebenserwerb pflegen. Das gilt auch für die vielen kleinen, seit langer Zeit als Jäger und Sammler verstreut auf dem Kontinent lebenden Ethnien in Afrika, wie eine aufwändige, in »PNAS« veröffentlichte vergleichende Genanalyse jetzt belegt: Überall haben sich wie erwartet nahe beieinanderlebende Menschengruppen stärker vermischt, wenn sie nicht durch große geografische Hindernisse wie Berge, Wüsten oder Flusssysteme gebremst wurden. Eine spannende Ausnahme sticht zur Verblüffung der Wissenschaftler jedoch hervor: Gruppen mit einer Klicklaut-Sprache leben zwar weit verstreut, sind untereinander aber offenbar näher verwandt als mit ihren nächsten Nachbarn. Womöglich haben sie also in Menschen, die einen Prototyp ihrer Sprache gesprochen haben, eine gemeinsame Wurzel.
Ein großes Team um Sarah Tishkoff von der University of Pennsylvania arbeitet seit Langem an einem Stammbaum der Menschen in Afrika und hatte für den bislang aufwändigsten DNA-Sequenz-Vergleich nun 840 DNA-Proben von Probanden in Nord-, Süd-, West- und Ostafrika genommen, die zu 50 abgrenzbaren Ethnien gehören. 16 Gruppen pflegten dabei traditionelle Lebenserwerbsmodelle als Wildbeuter, die anderen waren typischerweise Nomaden oder Landwirte; und alle gehörten jeweils einer von vier großen Sprachgruppen an. Die Forscher testeten nun, ob es irgendeine Korrelation von Verwandtschaftslinien der Afrikaner etwa mit dem Leben als Jäger und Sammler gab oder ob die Angehörigen der gleichen Sprachfamilien genetisch näher verwandt sind.
Im Wesentlichen bestimmt, wie erwartet, die Geografie über die Verwandtschaft zwischen Menschen: Je weiter entfernt sie heute leben, vor desto längerer Zeit lebte der letzte gemeinsame Vorfahr. Eine auffällige Ausnahme zeigt sich allerdings in Ostafrika: Hier leben weit entfernt voneinander Gruppen von Jägern und Sammlern, die überraschend eng miteinander verwandt sind. Drei von ihnen, die Hadza und Sandawe in Tansania und die Dahalo in Kenia, sprechen dabei eine Sprache mit typischen Klicklaut-Phonemen; die vierte, die Sabue aus Äthiopien, ein bislang nicht linguistisch exakt erfasstes Idiom. Es sei möglich, dass diese Gruppen Nachkommen einer älteren Gruppe mit eigener Ursprache sind, die sich in bestimmten Nischen über einige Jahrtausende gehalten haben, während in der Umgebung neue Zuzügler heimisch wurden.
Eine andere Klicklaut-Sprache wird von den San im Süden Afrikas gesprochen, die allerdings nicht näher mit den ostafrikanischen Klicklaut-Sprechern verwandt sind. Es könne zudem keine Rede davon sein, dass etwa die Jäger und Sammler Afrikas generell näher miteinander verwandt sind als etwa mit Nomaden und Viehzüchtern: Hier haben sich die Nachbarschaften wie erwartet vermischt.
Mit den neuen Daten lasse sich nun die Besiedlungs- und Migrationsgeschichte Afrikas nach der letzten großen Eiszeit besser verstehen, meinen die Forscher. Abgebildet werden dabei schon länger bekannte, nicht allzu weit zurückreichende Phänomene wie die Ausbreitung von Menschen aus Westafrika vor rund fünf Jahrtausenden, die eine Urform der heutigen Bantu-Sprache verwendeten – aber eben auch die älteren Sprachinseln von Khoisan-Sprechern. Insgesamt hatten Klima- und die damit einhergehenden Umweltveränderungen, etwa die Ausbreitung von Savannen, dabei den größten Einfluss darauf, wo Menschen welche Lebensform annahmen. Nur ausnahmsweise haben sich dann in eher isolierten Ökosystemen typische Gruppen mit kulturellen und linguistischen Besonderheiten kaum vermischt erhalten.
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