News: Genetischer Wellenreiter
Seit Beginn der menschlichen Evolution haben sich ziemlich viele bewegliche Elemente im humanen Genom angesammelt. Etwa 500 000 Kopien sind nach Ansicht des Molekularbiologen Jef Boeke von der John Hopkins School of Medicine zurzeit im Umlauf. Und all die mobilen DNA-Sequenzen sorgen hierbei für mehr Unruhe im Genom als bislang angenommen.
Während die meisten Schulbücher noch davon ausgehen, dass sich diese Elemente sauber an ihrem neuen Bestimmungsort integrieren, hat Boeke allen Grund, an diesem Lehrbuchwissen zu zweifeln. Das von ihm geführte Team kam zu ganz anderen Ergebnissen, als sie Spermien im Labor untersuchten. Sie regten die Retrotransposons dazu an, ihre Wanderschuhe auszupacken und beobachtete daraufhin ein unerwartetes Chaos am neuen Wohnort der Gen-Kopie. In mindestens zehn Prozent der Fälle zeigte das betroffene Chromosom durch einen großen Knubbel, wo es in seiner Ordnung gestört worden war.
Insgesamt setzte das Wissenschaftlerteam in 44 Fällen Gene in Bewegung. In den hierzu verwendeten zwei Typen menschlicher Krebszellen beobachteten sie, wie die Gene ihre neue Umgebung im Genom beeinflussten. Die im humanen Genomprojekt sequenzierten DNA-Abschnitte halfen den Forschern dabei, den neuen Ort und viele der hier durch den Einbau verursachten Veränderungen zu identifizieren.
Sehr zu ihrer Überraschung waren die Änderungen durchaus schwerwiegend. So wurden die chromosomalen Knubbel etwa ausgeschnitten und – zumindest in einem Fall – die benachbarten Chromosomenabschnitte umgedreht; so als ob sie entfernt und andersherum wieder eingebaut worden seien.
"Diese Dinge passieren durch Mechanismen, die nie zuvor beschrieben wurden", sagt Boeke, der sich seit seiner Postdoktorandenzeit mit dem Phänomen der Retrotransposons beschäftigt. Da viele Aspekte der künstlich in Bewegung gesetzten Transposons dem natürlichen Geschehen entsprechen, könnten die wandernden DNA-Elemente gerade in Spermien und Eizellen für eine Neuorganisation der genetischen Information sorgen. So könnte sichergestellt werden, dass jede neue Generation leichte Variationen im Erbgut hat – beste Voraussetzungen, um auf veränderte Umweltbedingungen zufällig mit den geeignetsten Merkmalen reagieren zu können.
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