Ornithologie: Genfehler leitet Zugvögel in die Irre
Ein Defekt im Ablauf des genetisch verankerten Zugprogramms lässt einzelne Zugvögel aus Fernost und Sibirien in Mitteleuropa stranden und bringt sie von ihrer normalen Wanderroute nach Südostasien ab. Deshalb schlagen sie die falsche Richtung ein, legen aber eine vergleichbare Distanz zurück.
Diese neuen Erkenntnisse erklärten nach Stadlers Meinung auch, warum es nur Langstreckenzieher nach Europa verschlägt. Kurzstreckenzieher beenden bei Irrtum ihre Reise wegen der genetischen Programmierung schon im westlichen Nordasien. Was allerdings mit Fehlzüglern generell passiert, liegt noch im Dunklen. Die meisten sterben vermutlich im falschen Winterquartier, doch fehlen Ringfunde, um die Schicksale abzuklären. (dl)
Dagegen spielen die Körpergröße der Tiere oder extreme Wetterlagen – wie sie immer wieder nordamerikanische Zugvögel vom Kurs abbringen und nach Westeuropa tragen – keine Rolle, schreiben Ornithologen um Jutta Stadler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Die Forscher werteten dazu mehrere tausend Sichtmeldungen von nach Europa verirrten Drosseln und Laubsängern Ostasiens aus und verglichen die jeweils zurückgelegten Entfernungen zwischen den Brutgebieten und den falschen beziehungsweise richtigen Winterquartieren. Je häufiger eine Art vorkommt und je stärker sich die Streckenlängen ähneln, desto eher verschlägt es einzelne Tiere nach Europa, so die Wissenschaftler: "Je mehr Exemplare es von einer Art gibt, desto wahrscheinlicher befindet sich darunter ein 'Fehlprogrammierter', der sich verirrt", fasst es Stadler zusammen.
Besonders häufig tauchte in den Beobachtungen der Gelbbrauenlaubsänger (Phylloscopus inornatus) aus der sibirischen Taiga in Europa auf – ein Verwandter unserer heimischen Zilpzalpe und Fitise, der normalerweise in Süd- und Südostasien überwintert. Während die übrigen asiatischen Laubsängerarten deutlich seltener oder überhaupt nicht in Mitteleuropa nachgewiesen wurden, finden sich dagegen gleich fünf asiatische Drosselarten mit knapp hundert Meldungen in den Aufzeichnungen – ein Hinweis, dass die Körpergröße keinen Einfluss auf Irrwege hat: Die Drosseln sind deutlich größer und kräftiger als die kleinen Laubsänger und sollten daher eher selten durch Winde vom Kurs abgebracht werden. Zudem trete der Gelbbrauenlaubsänger viel zu regelmäßig auf, als dass für jede Beobachtung in Mitteleuropa ungewöhnliche Wetterverhältnisse auf dem Zugweg verantwortlich gemacht werden könnten, so die Ornithologen weiter. Extreme Ostwetterlagen mit Stürmen stellen sich nur selten ein.
Diese neuen Erkenntnisse erklärten nach Stadlers Meinung auch, warum es nur Langstreckenzieher nach Europa verschlägt. Kurzstreckenzieher beenden bei Irrtum ihre Reise wegen der genetischen Programmierung schon im westlichen Nordasien. Was allerdings mit Fehlzüglern generell passiert, liegt noch im Dunklen. Die meisten sterben vermutlich im falschen Winterquartier, doch fehlen Ringfunde, um die Schicksale abzuklären. (dl)
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