Direkt zum Inhalt

Biotechnologie: Genmanipulierte Hefe stellt Morphin her

Manipulierte Hefezellen produzieren eine Substanz aus dem Schlafmohn. Damit könnten sich künftig Opiate viel leichter herstellen lassen - womöglich sogar viel zu leicht.
Hefe mit Spezialfähigkeiten

Eine Reihe wichtiger Schmerzmittel, allen voran Morphin und Kodein, aber auch Heroin, werden nach wie vor direkt aus dem Saft des Schlafmohns gewonnen. Nun jedoch haben Wissenschaftler eine Bierhefe genetisch so umprogrammiert, dass sie das Arzneimittel aus Zucker selbst herstellt.

Zwei Forschergruppen sind daran beteiligt. Einem Team um John Dueber von der University of California in Berkeley gelang der erste Schritt der Morphinsynthese. Seine Zellen wandeln nun Glukose in das Benzylisochinolin Reticulin um, den üblichen Ausgangsstoff bei der Morphinherstellung. Eine weitere Hefe, die ein Team um Vincent Martin von der Concordia University in Montréal entwickelte, kann aus diesem Reticulin das gewünschte Morphin herstellen. Im nächsten Schritt wollen sie beide Fähigkeiten in einem Organismus vereinen.

Das Ziel: Schmerzmittel komplett im Labor herstellen

Aus genetisch veränderten Hefen werden derzeit eine Reihe von Wirkstoffen industriell gewonnen. Die Idee, der Hefe auch die Fähigkeit zur Morphinproduktion zu verleihen, liegt daher auf der Hand, erwies sich aber in der Umsetzung als unerwartet schwierig. Seit etwa einem Jahrzehnt tüfteln Wissenschaftler daran.

Ihr Ziel ist es, die Schmerzmittel künftig komplett im Labor produzieren zu können – ohne dass dazu Mohn angebaut werden müsste. Das soll das Verfahren kostengünstiger machen, aber auch verhindern, dass die Pflanzen für den illegalen Drogenhandel eingesetzt werden. Zudem verleiht der Nachbau den Biochemikern mehr Kontrolle über die Wirkstoffproduktion. So könnte man womöglich auch leicht abgewandelte Stoffe erzeugen, die potenter sind oder weniger süchtig machen.

Drogen aus dem Hobbykeller?

Unklar ist, wie weit die Technik noch von einem Einsatz im größeren Maßstab entfernt ist. Während Dueber selbst von "einigen Monaten" spricht, mahnt etwa der Pressesprecher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology, Thomas Stanzer, gegenüber "Zeit Online" zur Zurückhaltung. Die produzierten Mengen müssten um den Faktor 1000 gesteigert werden, damit das Verfahren industriell einsetzbar sei. "Von Mikrogramm zu Gramm ist aber ein sehr weiter Weg." Und dann sei unklar, ob die Hefezellen derartige Mengen der Chemikalie überhaupt verkraften könnten.

Dueber und Kollegen geben sich hingegen zuversichtlich, dass diese Steigerung möglich ist.

Damit steigt allerdings auch die Gefahr, dass künftig begabte "Biohacker" die Opiate selbst erzeugen könnten. Wenn die manipulierte Hefe bereits vorliegt, ließe sich Heroin theoretisch so leicht brauen wie Bier. Der Experte für Biotechnologie-Politik vom Massachusetts Institute of Technology in Massachusetts, Kenneth Oye, und zwei Kollegen fordern daher, den Einsatz der manipulierten Hefe sobald wie möglich zu regulieren. "Nature" gegenüber sagt Oye, es gäbe Lücken in der Gesetzgebung. "Die Frage ist jedoch: Sind die Behörden flink genug, um das Problem zu lösen, bevor die Wissenschaftler ihre Arbeit beenden?"

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.