Medizin: Genmutation löst seltene "Vibrationsallergie" aus
Für Menschen, die an einer seltenen Form von Nesselsucht – einer so genannten Vibrationsurtikaria – leiden, kann sogar die Arbeit mit dem Küchenmixer oder eine etwas holprigere Busfahrt eine extrem unangenehme Erfahrung sein: Die Betroffenen reagieren auf Vibrationen auf der Haut mit Rötung, Ausschlag, Kopfschmerzen oder einem metallischen Geschmack im Mund. Häufig verschwinden die Symptome zwar nach einer Stunde wieder, dafür können sie aber immer wieder auftreten, wenn man nicht besonders vorsichtig ist. Die Erkrankung wird üblicherweise innerhalb der Familie weitergegeben; bislang sind aber nur so wenige Fälle bekannt, dass Wissenschaftler sich mit der Erforschung schwertun.
Einem Team von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) ist es nun womöglich gelungen, eine genetische Ursache für die Vibrationsurtikaria auszumachen. Die Forscher untersuchten DNA-Proben von 22 Personen mit und 14 ohne die Erkrankung aus insgesamt drei Familien, die sich bereits seit Generationen mit der Nesselsucht plagen. Dabei stießen sie auf eine Mutation des Gens ADGRE2, die bei allen kranken Probanden, nicht aber bei den gesunden vorhanden war. Eine Analyse der Gendaten von 1000 weiteren Personen, die ebenfalls keine Probleme mit Nesselsucht hatten, bestätigte das Ergebnis.
ADGRE2 kodiert für das gleichnamige Protein, das an der Oberfläche mancher Immunzellen inklusive der Mastzellen in der Haut zu finden ist. Üblicherweise besteht es aus einer Alpha- und einer Beta-Untereinheit, die eng zusammenbleiben. Bei den Patienten mit der Vibrationsurtikaria ist diese Bindung offenbar weniger stabil: Durch Vibrationen trennt sich die Alpha-Einheit ab, woraufhin die Beta-Einheit in den Mastzellen beginnt, die Produktion von entzündungsfördernden Stoffen wie Histamin anzuregen, wie Zellversuche ergaben. Zudem konnten die Forscher experimentell belegen: Auch die Mastzellen von Menschen, die nicht von der Erkrankung betroffen sind, schütten bei Vibrationsreizen Histamin aus – allerdings deutlich weniger. "Das deutet darauf hin, dass eine normale Immunantwort auf Vibrationen, die üblicherweise aber keine Beschwerden verursacht, bei den Patienten übertrieben ausgeprägt zu sein schein", so Studienautor Hirsh Komarow.
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