News: Genom des Cholera-Erregers entschlüsselt
Der Molekularbiologin Claire Fraser vom Institute for Genomic Research in Maryland und ihren Mitarbeitern gelang es jetzt, die gesamte DNA des gefährlichen Bakteriums zu entschlüsseln (Nature vom 3. August 2000). Insgesamt umfasst das Genom 4,03 Millionen Basenpaare – etwa eine Million mehr, als die Forscher zuvor erwarteten. In ihrer Abfolge liegt die genetische Information auf der DNA verborgen. Ähnlich wie die Buchstaben in einem Buch bilden die Basen – Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytosin (C) – eine lineare Folge mit dem Unterschied, dass die Wörter nur drei Buchstaben lang sein dürften. Jedes dieser "Wörter", beispielsweise ATG, codiert dann für eine ganz bestimmte Aminosäure, ein ganzer Satz für eine Kette von Aminosäuren und ein ganzes Kapitel dann für ein Protein. Die Wissenschaftler vermuten, dass insgesamt 3885 Gene im Genom des Cholera-Erregers vorhanden sind. Mehr als ein Drittel der Gene sind aber noch völlig unbekannt.
Die Forscher entdeckten außerdem, dass der Erreger zwei Chromosomen besitzt, ein großes und ein kleines. Damit unterscheidet er sich deutlich von den meisten anderen Bakterien, deren Genom aus nur einem Chromosom besteht, sowie kleinen, ringförmigen DNA-Stückchen, den so genannten Plasmiden. Vibrio cholerae sieht "nicht wie ein typischer Krankheitserreger des Menschen aus", meint Fraser. Zum einen besitzt es – anders als die meisten infektiösen Bakterien – keine Gene, die ihm dabei helfen, dem Immunsystem zu entkommen, zum anderen codiert eine Vielzahl von Genen für Transporter-Proteine. Diese können Moleküle von der Zelle nach außen befördern oder umgekehrt, und könnten dem Mikroorganismus auf diese Weise ermöglichen, in vielen verschieden Umgebungen zu gedeihen.
"Das ist ein gewaltiges Werkzeug, eine fantastische Datenbank, an die man Fragen richten kann", meint Matthew Waldor, Molekularbiologe an der Tufts University in Boston, zum Genom-Projekt des Cholera-Erregers. Er ist der Ansicht, dass Forscher nun mehr über frei lebende und krankheitserregende Mikroorganismen erfahren könnten. "Es ist eine wahre Schatztruhe an Informationen".
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 1.6.1999
"Die wahren Bösewichte sind Viren" - Spektrum Ticker vom 16.7.1999
"Aus den dunklen Tiefen der See"
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