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Bienensterben: Gentechnisch veränderte Bakterien sollen Bienen schützen

Bakterien aus dem Bienendarm können gentechnisch manipuliert werden, um Bienenkrankheiten den Garaus zu machen. Aber soll man wirklich manipulierte Gene im Freiland testen?
Varroamilbe auf einer Honigbiene

Forscher wollen für Honigbienen gefährliche Krankheitserreger mit Gentechnik bekämpfen – falls denn eine Methode, die im kleinen Maßstab im Labor erfolgreich getestet wurde, in freier Wildbahn sicher anzuwenden ist und sich bewährt. Ein Wissenschaftlerteam um Nancy Moran von der University of Texas hat im Verdauungstrakt von Bienen lebende Bakterien gentechnisch so modifiziert, dass sie RNA-Moleküle freisetzen, die dann wichtige Gene der Varromilbe oder des Krüppelflügelvirus blockieren. In dem in »Science« beschriebenen Experiment schützte dies Bienen für einige Zeit gegen solche Krankheitserreger. Varroamilben gelten als ein Hauptgrund für das Schwinden vieler Bienenvölker in den Wintermonaten. Ein starker Befall schwächt die Abwehrkräfte der Insekten, so dass sie anfälliger gegen Infektionen durch Erreger wie das Krüppelflügelvirus werden.

Die Forscher hatten im Bienenmikrobiom als Symbionten vertretene Bakterien der Art Snodgrassella alvi gentechnisch verändert. Die manipulierten Mikroben produzierten daraufhin bestimmte doppelsträngige RNA-Moleküle, die über RNA-Interferenz Gene der Varroamilbe oder des Krüppelflügelvirus stilllegen können. Im Labor lebende Bienen, welche die gentechnisch veränderten Bakterien über die Nahrung aufgenommen hatten, überstanden Virusinfektionen länger; zudem starben Varroamilben schneller ab, wenn sie an diesen Bienen parasitierten.

In der Theorie wird mit diesem Ansatz eine nachhaltige Bekämpfung von Bienenkrankheiten möglich: Denkbar ist, dass sich gezielt an die Bienen verfütterte Stämme von genmanipulierten Keimen im Mikrobiom der Stockmitglieder durchsetzen und die für Bienenkrankheiten tödlichen RNA-Interferenzwaffe sich so verbreitet. Möglich wäre sogar, dass die nützlichen Bakteriengene sich allmählich auf andere Völker übertragen. Dies müsse aber erst in deutlich umfangreicheren Experimenten überprüft werden. Realistische Versuche im Freiland bergen allerdings schwer kalkulierbare Risiken, weil immerhin ein gentechnisch veränderter Organismus gezielt freigesetzt würde. Der Neurobiologe Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin hält dies, befragt vom »Science Media Center«, für »nicht verantwortbar«. Die ökologischen Auswirkungen seien nicht zu überschauen, weil es unbekannt ist, ob nicht auch andere Insekten über diese Darmbakterien verfügen und ob die Bakterien nicht doch auch außerhalb des Darms überleben.

Robert Paxton von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sieht in einem die Veröffentlichung begleitenden Kommentar in »Science« großes Potenzial im Ansatz von Moran und ihren Kollegen. Weitere Versuche seien allerdings unabdingbar: Natürlich müsste sich die Technik bei mehr als einigen wenigen Bienen im Labor bewähren; zudem müsse aber auch geklärt werden, ob Bakterien oder die von ihnen produzierte RNA überhaupt in die Larven und Puppen der Honigbienen eindringen können. Gerade im Sommer vermehren sich dort die Varroamilbe und das Virus und sorgen schließlich so für enorme Schäden im Volk. Paxton warnt außerdem davor, dass gentechnisch verändertes Erbgut bei Freilandversuchen in die Umwelt gelangen könnte: Zwar haben sich die manipulierten Snodgrassella-Bakterien auf den Lebensraum Bienendarm spezialisiert und überleben wahrscheinlich schlecht außerhalb dieses Habitats. Die veränderten Gene liegen allerdings in ringförmigen Plasmiden des Bakterienerbguts, die zwischen verschiedenen Bakterienarten typischerweise leicht per horizontalem Gentransfer ausgetauscht werden können. Paxton hält auf Nachfrage des »Science Media Centers« daher »strenge empirische Studien in geschlossenen Systemen mit großen Honigbienenvölkern, die mit GVO-Bakterien gefüttert werden«, für nötig, um abzuklären, ob Gene entweichen können, bevor der Ansatz im Feld eingesetzt wird.

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