Direkt zum Inhalt

News: Genügsame Seegurken

Wer in kaltem Wasser lebt, muss mit seiner Energie gut haushalten. Denn die niedrigen Temperaturen verlangsamen die Stoffwechselprozesse und bremsen so die Produktion der lebenswichtigen zellulären Moleküle. Aber die Embryonen antarktischer Seegurken lassen sich davon offenbar nicht beeindrucken: Sie benutzen nur einen Bruchteil ihrer Energie für die Synthese von Proteinen. Kein anderes Lebewesen kann offenbar auf so magerer Flamme produzieren wie sie.
Es gibt sehr ungemütliche Gegenden auf der Welt, und das Meer um die Antarktis gehört sicherlich dazu – zumindest für uns. Die dort hausenden Organismen haben sich jedoch im Laufe der Jahrmillionen an diese Bedingungen angepasst und ihre Lebensweise darauf eingerichtet.

Dabei geht durch die niedrigen Temperaturen alles etwas langsamer vor sich, denn der Stoffwechsel der Tiere hat deutlich niedrigere Umsatzraten. Eine Folge davon ist, dass die verschiedenen Entwicklungsstadien im Leben der dortigen Bewohner länger sind. Das gilt auch für Seegurken, diese nadelkissenartigen Geschöpfe, die auf langen Borsten und saugnapfbewehrten Tentakeln über den Meeresboden wandern und nach Nahrung suchen. So dauert es bei ihnen etwa ein Jahr, bis sich aus einem Embryo über ein Larve schließlich ein Jungtier entwickelt, das wie eine Miniaturausgabe seiner Eltern aussieht.

Adam Marsh von der University of Delaware sowie Rob Maxson und Donal Manahan von der University of Southern California fischten ausgewachsene Tiere der Art Sterechinus neumayeri aus dem Wasser und brachten sie im Aquarium zum Ablaichen. An den sich entwickelnden Jungen maßen sie die Einbaurate für die Aminosäuren Alanin und Leucin in Proteine, um die Stoffwechselrate der Eiweißproduktion zu bestimmen.

Die Messungen zeigten, dass dabei die kleinsten Stadien – die Embryonen – offenbar unerwartet effizient sind. Denn während die meisten Organismen etwa 30 Prozent ihrer Energie für den Proteinstoffwechsel verwenden müssen, sind die jungen Seegurken sehr viel genügsamer: Ihnen reicht der 25ste Teil davon, also etwa 1,2 Prozent ihres gesamten Energiehaushaltes. Damit sind sie die Meister der Sparsamkeit im Tierreich. Mit zunehmendem Alter gleichen sie Stachelhäutern jedoch wieder den "normalen" Verhältnissen an.

Wie den Tieren diese energetisch außerordentlich günstige Proteinherstellung gelingt, ist den Wissenschaftlern allerdings noch unklar. Sie stellten jedoch unter anderem fest, dass die Zellen der Embryonen von S. neumayeri höhere RNA-Gehalte aufwiesen, als man es bei den kalten Wassertemperaturen erwarten würde. Und außerdem ist auch der Anteil an Boten-RNA größer, was die Proteinsynthese ankurbeln könnte. Vielleicht finden sich bei weiteren Untersuchungen auch Hinweise auf vollkommen neue biochemische Anpassungsmechanismen für den Proteinstoffwechsel, mit denen die Organismen solche Extrembedingungen kompensieren, hoffen die Forscher.

  • Quellen
Sciencexpress (8. März 2001)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.