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Festkörperphysik: Geometrie für Quantenrechner

Wissenschaftlern ist es zum ersten Mal gelungen, auf einem Mikrochip eine geometrische Operation mit einem Quantenbit auszuführen - ein viel versprechender Schritt auf dem noch langen Weg zum Quantencomputer.
Chip
Der Quantencomputer, also ein Rechner, der den Gesetzen der Quantenmechanik gehorcht, gilt als eines der "heißen" Themen der Physik. Ein solcher Quantenprozessor könnte, wenn er dereinst funktionstüchtig wird, unzählige Rechnungen gleichzeitig ausführen, was bisherige Computer punkto Geschwindigkeit in den Schatten stellen würde.

Sie verarbeiten zwar wie herkömmliche Rechner Informationen, die binär als 0 oder 1 kodiert sind, aber mit dem Unterschied, dass ein Quantenbit gleichzeitig sowohl 0 als auch 1 sein kann. Um dies zu erreichen, erfolgt die Kodierung des Bits jedoch in Energiequanten, die in einzelnen Atomen, Photonen oder gar elektronischen Schaltkreisen gespeichert werden.

Forschern um Andreas Wallraff vom Quantum Device Lab der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist es nun gelungen, auf einem Mikrochip einen ganz speziellen Zustand eines Quantenbits zu erzeugen. Dieser beruht auf einer geometrischen Operation, die sich am eigenen Körper nachvollziehen lässt, indem man den rechten Arm über den Kopf ausstreckt, der Daumen zeigt nach links. Man senkt den Arm nach vorne, bewegt ihn zur Seite und hebt ihn – ohne ihn zu verdrehen – wieder über den Kopf. Der Daumen zeigt nun nach vorne anstatt nach links, hat also eine geometrische Transformation vollzogen.

Insel auf einem Chip

Die Physiker konstruierten zunächst einen supraleitenden Schaltkreis auf einem Mikrochip. In diesem ist eine winzige rechteckige "Schachtel" eingebaut, in der sich Elektronen speichern lassen. Mit elektrischen und magnetischen Feldern konnten sie die Zahl der Elektronen dann einzeln kontrollieren, um die Qubitzustände 0 und 1 oder verschiedene Überlagerungen der beiden Möglichkeiten zu erhalten.

Die Zahl der Ladungen auf der Insel hielten die Forscher sogar für längere Zeit stabil. Deshalb war es möglich, die auf diese Art gespeicherte Information mittels Mikrowellensignalen, die sie in den Schaltkreis einspeisten, geometrisch so zu kontrollieren – analog zum Arm. Diese Manipulation eines Qubits nennt man "Berry’s Phase", nach dem britischen Physiker Michael Berry, der diese in den 1980er Jahren postulierte.

Diese kontrollierte Phasenveränderung kann genutzt werden, um logische Steuerungselemente in einem supraleitenden Quantencomputer zu realisieren. Den Effekt zu beobachten war jedoch alles andere als einfach. Während Atome oder Photonen sich von Natur aus quantenmechanisch verhalten, gelten in einem elektronischen Schaltkreis andere Gesetze. Die Forscher um Wallraff brauchten ungleich größere Anstrengungen, um so geringe Veränderungen zu beobachten.

Tiefsttemperaturen nötig

Erstens musste die Lebenszeit eines erzeugten Quantenzustands lang genug dauern, um ihn in einer geometrischen Art kontrolliert zu manipulieren. Deshalb schützten sie in ihren Experimenten den Quantenschaltkreis vor Störungen wie elektrischem Rauschen und Interferenzen, etwa von Mobiltelefonen. Wegen der extrem geringen Energiedifferenz zwischen dem Zustand 0 und 1 musste der Qubit-Schaltkreis auf den beinahe absoluten Nullpunkt abgekühlt werden.

Die Wissenschaftler sehen im Ansatz mit Festkörperqubits zahlreiche Vorteile. Sobald die zu Grunde liegende Physik gut verstanden ist und robuste Fabrikationsprozesse entwickelt werden können, sollte es auch möglich sein, die Zahl der Schaltkreise auf eine große Zahl von Qubits zu erweitern – ein Vorteil, den andere heutige nicht auf integrierter Elektronik basierende Technologien nicht haben.

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